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Montag, 30. November 2020

Adventlicher Ereignishorizont

Ein Gedanke

Alpstein von Köbelisberg aus gesehen
Foto © Jörg Niederer
"Am Fuss des Leuchtturms herrscht Dunkelheit." Japanisches Sprichwort

Ein Bibelvers - 1. Timotheus 6,15+16

"...der selige und alleinige Herrscher, der König der Könige und Herr der Herren, der allein Unsterblichkeit hat, der im unzugänglichen Licht wohnt, den kein Mensch je gesehen hat noch zu sehen vermag. Ihm sei Ehre und ewige Macht, Amen."

Eine Anregung

Der Begriff "Ereignishorizont" kommt aus der Astrophysik. Ein Ereignis wird dort einem bestimmten Ort zu einer bestimmten Zeit zugewiesen. Schön beschrieben wird der Ereignishorizont in einem Video für Jugendliche über Schwarze Löcher: https://youtu.be/ayKQe9fUrLI. Lichtwellen werden durch die Anziehungskraft von massenreichen Körpern abgelenkt. Schwarze Löcher sind derart massenreich, dass sich die Geschwindigkeit von Licht und die entgegenwirkende Anziehungskraft die Waage halten. Der Ort, an dem dies geschieht, nennt man Ereignishorizont. Was hinter diesem Horizont liegt, können wir nicht sehen.

Allerdings macht das, was wir bisher "sehen" konnten mittel Licht-, Gamma- und Radiowellen nur gerade 0,4% von dem aus, was es im Universum gibt. Mit 0,4% Sehkraft würden wir mit dem Blindenstock herumtastend den Weg suchen. Folglich macht es Sinn, an mehr zu glauben als nur an das, was der Mensch sehen kann.

Wo aber liegt im übertragenen Sinn dein adventlicher Ereignishorizont? Was von der Weihnachtsgeschichte kannst du "sehen" und was kannst du "nicht sehen"? Welche Inhalte der Geburt von Jesus erschliessen sich dir, und zeigen sich dir als schöne Komposition, sind wie ein Ausblick über das Nebelmeer bis zu den Bergen am Horizont? Und was von der Weihnachtsgeschichte ist dir hinter dem Horizont abhanden gekommen?

Noch einmal anders gefragt: An welche frühesten Weihnachtsereignisse kannst du dich noch erinnern? Bei mir liegt die Erinnerungsgrenze wohl so im Alter von drei oder vier Jahren. Ab dann kann ich mich unter dem Weihnachtsbaum sehen. Was davor geschah, weiss ich nicht mehr, ist hinter meinem adventlichen Ereignishorizont verschwunden - und dennoch geschehen.

Jörg Niederer ist Mitglied  im Ausschuss Kirche und Gesellschaft der EMK Schweiz-Frankreich-Nordafrika

Sonntag, 29. November 2020

Unter und über dem Nebelmeer

Ein Gedanke

Foto © Jörg Niederer
"Nur die Tiefe nebelt, nicht der Berg." Jean Paul

Ein Bibelvers - 1. Mose 1,2+3

"Und die Erde war wüst und öde, und Finsternis lag auf der Urflut, und der Geist Gottes bewegte sich über dem Wasser. Da sprach Gott: Es werde Licht! Und es wurde Licht."

Eine Anregung

Sie waren schon etwas frustrierend, die letzten sechs Tage. Während ich in der Mittellandsuppe manchmal die Hand nicht vor den Augen sehen konnte, posteten andere in Facebook Bilder von ihren Wanderungen über dem Nebelmeer. So sind meine Frau und ich gestern Samstag auch hinaufgezogen, haben zweimal eine Stunde Bahnfahrt riskiert; uns über die Corona-Empfehlung, möglichst zu Hause zu bleiben, hinweggesetzt; und unsern Platz an der Sonne mit einem Aufstieg 600 Metern hinauf auf den Köbelisberg erkämpft. Es war toll, es war bewegend - leider das Nebelmeer auch, und statt dass es sich gesenkt hätte, ist es angestiegen. Aber der blaue Himmel, der Alpstein mit dem Säntis, die Churfirsten, der Speer, die imposanten Föhren, und die wundersame und explosionsartige Vermehrung der Wanderschar beim Durchschreiten der Nebelgrenze bleiben unvergesslich. Ich könnte noch lange schwärmen, aber ich will all die, welche vom Nebel bedeckt bleiben, nicht frustrieren. Und so gibt es eben auch kein Sonnenbild, sondern eines vom Nebel. Damit wünsche ich allen einen gesegneten 1. Advent.

Die Livestream-Predigt aus der EMK St. Gallen fällt an diesem Sonntag aus. Aber es gibt Alternativen!

1. Ruedi Stähli schreibt über seine Predigt: "Kuckuck und Puffer Fish bringen mich zum Staunen. Ein Kuchen hilft, das Verhältnis zwischen Glaube und Wissenschaft zu verstehen. Und durch vernünftiges Denken und mit unerwarteter 'Schützenhilfe' eines atheistischen Kosmologen glaube ich, dass die Welt entstanden ist, weil…" Zu sehen und zu hören heute um 10.00 Uhr auf https://emk-windisch.ch/LIVE/

2. Auch sehr empfehlenswert ist der Gottesdienst der EMK um 10.00 Uhr auf https://www.musig24.tv/. Thema: "Vom Warten"

Jörg Niederer ist Mitglied  im Ausschuss Kirche und Gesellschaft der EMK Schweiz-Frankreich-Nordafrika

Samstag, 28. November 2020

Glaubst du an Wunder?

Ein Gedanke

Votivbilder in der Wallfahrtskapelle Maria zum Rietli in Beckenried
Foto © Jörg Niederer
"Umkehr kann Wunder wirken." Quelle unbekannt

Ein Bibelvers - Jeremia 17,14

"Heile mich, Herr, damit ich geheilt werde, hilf mir, damit mir geholfen wird, denn du bist mein Ruhm."

Eine Anregung

"Eine Frage treibt mich die letzten Wochen um. Sie begegnet mir an allen möglichen Orten. Auf den ersten Blick scheint sie so einfach und klar zu sein. Man muss scheinbar nicht über sie nachdenken. Aber bei genauer Betrachtung merke ich, dass mich die Frage quält. Ich kann sie nämlich nicht einfach mit JA beantworten. Aber genauso wenig mit NEIN. Sie verwirrt mich, weil sie plötzlich so nahe ist, so unmittelbar, so grausam.
Die Frage lautet: 'Glaubst du an Wunder?'"

So beginnt der neuste Blog von Pfarrer Christian Hagen. Warum ihm die Frage nach Wunder so nahe und grausam ist, hängt mit seiner schweren Krebserkrankung zusammen. Der existenzielle Bezug macht diesen Beitrag so berührend, dass ich ihn uneingeschränkt empfehlen möchte. Mich beeindruckt, wir Christian Hagen nach Antwort sucht. Während er vom "Spagat zwischen Glaube und Zweifel" schriebt, richtet er zugleich seine Bitte an Gott: "Dass Er mir hilft, an Ihm im Glauben festzuhalten, komme, was wolle." 

Hier geht es zum Blog von Christian Hagen: https://daskoenigreichgottes.com/2020/11/25/von-wundern-und-zweifeln/ 

Jörg Niederer ist Mitglied  im Ausschuss Kirche und Gesellschaft der EMK Schweiz-Frankreich-Nordafrika

Freitag, 27. November 2020

Menschenraub, Händel und die Ranze

Ein Gedanke

Zwei Schwergewichte
Foto © Jörg Niederer
"Manchmal muss man Menschen gehen lassen. In der Regel, nachdem das Lösegeld gezahlt wurde." visualstatements.net

Ein Bibelvers - Markus 10,45

"Denn auch der Menschensohn ist nicht gekommen, um sich dienen zu lassen, sondern um zu dienen und sein Leben hinzugeben als Lösegeld für viele."

Eine Anregung

In manchen Schweizer Dialekten bedeutete "ranzen" auch herumzerren, balgen, raufen und ringen. Das Schweizer Idiotikon zitiert dazu folgenden Satz: "Üsi Meitschi gsehd-me doch nie so ranzen, wie's die Donners Buebe treibed". Auch das aufreibende Verhandeln bei einem Kauf konnte als eine Art verbaler Ringkampf verstanden werden, so dass man dem eben auch "ranzen" sagte. Wer nicht hartnäckig feilschte, der ranzte folglich auch nicht. Dazu ein Zitat aus dem Jahr 1650, wohl aus einer Predigt: "Judas ranzet nit, begehrt nit ein sterker Bott, ist der dreissig Silberlingen zufrieden." 

Und damit kommen wir zum kriminellen Aspekt dieses vieldeutigen Begriffs. Die "Ranze" oder "Ranz(i)on" ist auch das Lösegeld bei einer Entführung: Dazu ein Zitat von Reformator Zwingli: "Sind wir um sünden willen versetzet, so ist er [Christus] unser ranzung und losgelt."

Aus politische Gründen gab es schon immer Entführungen, bei denen Lösegeld erpresst wurde. Ein berühmtes Beispiel ist die Gefangenname von König Richard Löwenherz (1157-1199) und dessen Freilassung nach einer Lösegeldzahlung von damals astronomischen 100'000 Mark. 

Bei einer Lösegeldforderung ist es wichtig, einen realistischen Betrag zu verlangen, nicht zu hoch, nicht zu niedrig. Die Festlegung der Summe nennt man "ranzen". Dazu eine Episode mit einem St. Galler: "Herzog Ludwig [der spätere französische König Ludwig XII.], ein verriefter der kron Frankreich [e]vigend, [wurde] unerkant von houptman Späting von St Gallen gvangen, ilends von den Franzosen, als inen bekant, mit ringer ranzung gelöst, höher geranzt und irem küng überantwort." Offenbar wurde Ludwig XII. von Hauptmann Späting in der damaligen Gefangenschaft so gut behandelt, dass der Monarch dem Hauptmann eine Pension zukommen lies.

Ergänzen wir den Satz aus dem gestrigen Blog: "Herr Ranz von Ranzach trug einen ausgesprochen schweren Ranzen mit ranzig gewordener Butter auf dem Buckel, gedacht als Ranze für seinen nichtsnutzigen Bruder, ein richtiger Ränzler; all das beförderte Ranz von Ranzach in gar ranzige Stimmung."

Ach ja, damit ist noch längst nicht alles gesagt: "abranzen" meint abkanzeln; ein "Ranzer" ist ein streitsüchtiger Bub oder ein streitsüchtiges Mädchen; "ranzig" ist, wer es liebt zu raufen; "ränzle" meint necken, reizen; ein "Ränzler" ist nicht nur der Bauchsprung ins Wasser sondern auch ein streitsüchtiger Mensch oder tückischer Spötter. All das, und noch mehr findet man im Schweizer Idiotikon: https://www.idiotikon.ch/

Jörg Niederer ist Mitglied  im Ausschuss Kirche und Gesellschaft der EMK Schweiz-Frankreich-Nordafrika

Donnerstag, 26. November 2020

Ranzig geworden?

Ölmühle Grabenöle Lüterswil / SO
Foto © Margrit Niederer
Ein Gedanke

"Lieber 60 und würzig als 20 und ranzig." Spontispruch für Jubilare

Psalm 23,5

"Du deckst mir den Tisch im Angesicht meiner Feinde. Du salbst mein Haupt mit Öl, übervoll ist mein Becher."

Eine Anregung

Und was hat der Ranzen, dieser Rucksack der Vergangenheit (siehe Blog von gestern), nun mit dem Ranzigwerden von Speisen zu tun? Gleich vorweg: Gar nichts ausser den ersten vier Buchstaben.

Ranzig werden öl- und fetthaltige Speisen. (Auf dem Foto ist die sehenswerte Grabenöle abgebildet, eine historische Ölmühle in Lüterswil/SO. http://www.grabenoele.ch/.) Berühmt ist der tibetanische Tee mit ranzigem Yakbutter. Fettspaltende Enzyme (Lipasen) sind am schlechten Geruch und Geschmack schuld. Bei diesem Zersetzungsprozess, eine Oxidation in Verbindung mit Sauerstoff oder Wasser, die schon bei Raumtemperatur beginnt, handelt es sich nicht um einen mikrobiellen Befall durch Schimmelpilze, Hefen oder Bakterien.

Es sind gerade die Fette und Öle mit den besser verdaulichen und damit gesünderen ungesättigten Fettsäuren, welche leichter verderben. Sie enthalten einen höheren Anteil an Linolen- und Linolsäure. Darum sollte man Leinöl und Walnussöl im Kühlschrank aufbewahren und nicht erhitzen. Sonnenblumen- und Distelöl wiederum enthalten höhere Reste von Linolsäure und sind daher nur zum Dünsten bei niedrigen Temperaturen geeignet. Am stärksten erhitzen lassen sich gesättigte Fette. Sie werden kaum ranzig oder schlecht. Will man Speisen in gesünderer Weise stark erhitze, greift man zu Oliven-, Raps- oder Erdnussöl. Diese enthalten viel Ölsäure und können daher auch für das Braten und Frittieren bis 170°C verwendet werden. Gesundheitlich kritisch ist das sehr hohe (grillieren) oder mehrfache Erhitzen (in der Fritteuse) von Speiseölen. Dabei entstehen krebserregende polycyclische aromatische Kohlenwasserstoffe.

Ob etwas ranzig ist, stellen wir leicht über den Geruchs- und Geschmackssinn fest. Und weil es so übel schmeckt und riecht, geraten wir kaum in Gefahr, zu viel davon zu essen. Oder anders gesagt: Wenn etwas stinkt, dann merken wir es und sind gewarnt. Und genau so ist es im übertragenen Sinn bei Menschen. Wenn einer "ranzig daher kommt", dann ist das nicht schwer zu erkennen. Er kann dann noch so gut riechen, geniessbar ist er damit noch lange nicht.

Und so könnte man nun in Kombination mit den im gestrigen Blog gewonnen Erkenntnissen sagen: "Herr Ranz von Ranzach trug einen ausgesprochen schweren Ranzen mit ranzig gewordener Butter auf dem Buckel, was in selbst zunehmen in ranzige Stimmung versetzte."

Im morgigen Blog werde ich diesem Satz noch eine kriminelle Komponente beifügen. Also dranbleiben!

Jörg Niederer ist Mitglied  im Ausschuss Kirche und Gesellschaft der EMK Schweiz-Frankreich-Nordafrika

Mittwoch, 25. November 2020

Ganz aus der Mode gekommen: Schulranzen und Schmerbäuche

Ein Gedanke

Erster Schultag mit Ranzen
Foto © Margrit Niederer
"Ich und mein altes Weib können gut tanzen. Sie mit dem Bettelsack, ich mit dem Ranzen." Spruch aus Einsiedeln

Galater 6,4+5

"Jeder aber prüfe sein eigenes Werk! Dann wird er nur im Blick auf sich selbst Grund haben, sich zu rühmen - und nicht im Blick auf den anderen, denn jeder wird seine eigene Bürde zu tragen haben."

Eine Anregung

"Er habe sy gefragt, wo der Mann mit dem Ranzen seie, er möchte ihne auch gern sehen, was er im Ranzen habe, welcher aber geflohen wie ein Dieb reverenter [mit Verlaub gesagt], daruss er lichtlich schliessen könne, dass er den Ranzen voller Truben müsse gefüllt haben" (1668, Dübendorf). So wird aus alten Zeiten von einer unerlaubten Nachlese im Weinberg erzählt. Mich interessiert, was es mit dem Wort "Ranzen" auf sich hat, beziehungsweise, ob es einen Zusammenhang gibt mit dem "Ranzigwerden" von Speisen.

Das Schweizer Idiotikon (Siehe https://www.idiotikon.ch/! Die Zitate von Oben sind aus diesem Standardwerk) nennt als älteste Bedeutung für Ranzen: Felleisen, Quersack, Reisetasche, Provianttasche des Ziegenhirten, lederner Rucksack aus Dachs- oder Ziegenfell, auch Schultornister.

Letzterer, mit Kuhfell (oder war es Robbenfell) überzogen, trug ich jahrelang stolz zur Schule. Schulranzen hatte damals jeder und jede.

Abgeleitet davon, so das Idiotikon, ist die zweite Bedeutung: "Derber Ausdruck für Wanst, Schmerbauch, dann für Bauch von Menschen..." Auch dafür gibt es schöne Sprüche, hier ein Beispiel: "Me schwitzt recht ordli ab dem Donners Tanze, so mit de Jare wachst Eim halt en Ranzen". Und im Tirol von 1743 lud jemand zu einem Essen ein mit den Worten: "Hiemit seidt ihr alle freundlich eingladä, mär wollen euch füllä den Ranzen und den Kragen."

Mit beiderlei Ranzen kennen ich mich aus, doch was hat es mit Flurnamen, in denen der Ranzen vorkommt, auf sich. Falsch ist, dass, die Ranzach, ein Bach bei Uznach, ranzig riecht. Das gleiche gilt für den dortigen Bauernhof Ranzach. Der Gutsbetrieb ist wohl nach dem ersten Siedler mit dem germanischen Namen "Hraban" benannt, und nach dem Wort "Aach" für Bach. Wir würden heute von "Rabenbach" reden. Durch Lautverschiebungen ist daraus Ranzach geworden.

Näher bei den beiden Bedeutungen von Ranzen ist der Flurname "Ranze", der sich in der Gemeinde Uesslingen-Buch findet, direkt an der vielbefahrenen Schaffhauserstrasse. Auch hier könnte der Platz nach seinen Besitzern benannt sein. Der Personenname Ranz ist belegt, stammt aber wohl aus Süddeutschland. "Ranz" war früher der Berufs-Übername für einen Sackhersteller oder Sackträger, ein Spottname also. Ebenso wahrscheinlich ist ein appelativer Gebrauch: Das Gelände sieht wie ein Tragsack oder Bauch aus, der aus der flachen Landschaft ragt. (Siehe https://search.ortsnamen.ch/!)

Und was hat das alles nun mit dem Ranzigwerden von Speisen zu tun? Darüber morgen mehr.

Jörg Niederer ist Mitglied  im Ausschuss Kirche und Gesellschaft der EMK Schweiz-Frankreich-Nordafrika

Dienstag, 24. November 2020

Erst gestohlen, dann beschenkt, zuletzt bezahlt

Ein Gedanke

Gekochte Rüebli
Foto © Jörg Niederer
"Dem Diebe brennt die Mütze auf dem Kopf." Sprichwort

Ein Bibelvers - Matthäus 6,19

Jesus: "Sammelt euch nicht Schätze auf Erden, wo Motte und Rost sie zerfressen, wo Diebe einbrechen und stehlen."

Eine Anregung

Nachtrag zum Blog von gestern über die Nachlese auf abgeernteten Feldern. Natürlich hatte es einen Grund, dass ich dieser Sache nachgegangen bin. So habe ich mich am Tag zuvor doch selbst auf einem abgeernteten Karottenfeld bedient, und bei einem Spaziergang rund 4 kg "Rüebli" zusammengetragen. Das ohne den Bauern um Erlaubnis zu bitten, und - wie viele Gemüsediebe - beim einnachten. Zuhause dann wollte ich sicher sein, dass ich da nichts Verbotenes getan habe, und stellte fest: Ich bin ein Dieb!

Im Beruf eines Pfarrers ist eine solche Erkenntnis immer heikel, und auch sonst wurde ich zu Respekt vor dem Eigentum der Andern erzogen.

Also bin ich erneut zum Rüeblifeld marschiert, genauer zum dazugehörigen Bauernhof. Dort traf ich den Landwirt, dem ich folglich meinen Diebstahl beichtete und ihm mit dem Portemonnaie in der Hand anbot, die Karotten zu bezahlen. Da lachte er und meinte, diese Möhren müsse ich bestimmt nicht bezahlen, die könne ich gerne als geschenkt betrachten.

Bezahlt habe ich sie in gewisser Weise ja doch. Denn erstens wurden meine Schuhe auf dem Acker unglaublich schmutzig, danach wurde vom Schuhputzen das Badezimmer unglaublich schmutzig, und von den vier Kilo Ausschuss-Rüebli blieben nach 40 Minuten Küchenarbeit noch 3 Kilo übrig. Alles zusammen, bei einem normalen Freikirchenpfarrerlohn, komme ich so für ein Kilogramm selbst gepflückte Möhren auf ca. 40 Franken. Nicht gerade ein Black-Friday-Schnäppchen.

Jörg Niederer ist Mitglied  im Ausschuss Kirche und Gesellschaft der EMK Schweiz-Frankreich-Nordafrika

Montag, 23. November 2020

Wem gehören die Karotten auf abgeernteten Feldern?

Ein Gedanke

Karotten auf abgeerntetem Feld
Foto © Jörg Niederer
"Respekt vor der Nahrung ist Respekt vor dem Leben, davor, wer wir sind und was wir tun." Thomas Keller,  Amerikanischer Koch, Gastronom und Kochbuchautor

Ein Bibelvers - 5. Mose 24,19-21

"Wenn du auf deinem Feld deine Ernte schneidest und eine Garbe auf dem Feld vergisst, sollst du nicht umkehren, um sie zu holen. Dem Fremden, der Waise und der Witwe soll sie gehören, damit der Herr, dein Gott, dich segnet bei aller Arbeit deiner Hände. Wenn du deinen Ölbaum abklopfst, sollst du danach nicht die Zweige absuchen; dem Fremden, der Waise und der Witwe soll es gehören. Wenn du in deinem Weinberg Lese hältst, sollst du keine Nachlese halten. Dem Fremden, der Waise und der Witwe soll es gehören. Und du sollst daran denken, dass du Sklave gewesen bist in Ägypten; darum gebiete ich dir, dass du so handelst."

Eine Anregung

Wie eine Litanei klingt es, wenn in der Bibel von der Armengesetzgebung gesprochen wird. In einer agrarischen Kultur hängt diese natürlich zusammen mit der Ernte. Und tatsächlich wird in der Bibel auch beschrieben, dass es Arme gab, die genau das taten. Sie sammelten das Übriggelassene auf den Feldern zusammen. Von der Moabiterin Ruth wird erzählt (Ruth 2,2), wie sie hinter den Schnittern herging und Ären zusammenklaubte. Ausländerin, Witwe und arm; bei ihr traf alles zu, was damals zur Nachlese berechtigte.

Wie ist das heute? Gerade wieder findet man Gemüsepflanzungen, auf denen noch vereinzelte Salatköpfe herumstehen, oder Karottenfelder, bereits abgeerntet und doch noch voller Rüben. Im Rheintaler erschien ein Artikel, in dem ein Profi dieser Sache nachgegangen ist: "Der Widnauer Rechtsanwalt Werner Ritter hat auf Anfrage in alten bis mittelalterlichen Rechtsschriften ohne Erfolg nach Hinweisen auf 'überliefertes Recht' gesucht. 'Nach intensivem Rechtsstudium habe ich keine Belege für ein allgemeines Recht, auf Privatgrundstücken Früchte und Beeren zu sammeln, gefunden, auch nicht in alten Rechtsbüchern.'" Weiter steht in https://rheintaler.ch/artikel/boehnala-ist-unfein-und-verboten/6428: "Das Sammeln von wildwachsenden Früchten und Beeren sei gemäss ZGB Art. 699 (Zivilgesetzbuch) im Wald und auf den Weiden gestattet. Auf Wiesen und Äckern dürfen Früchte von Kulturpflanzen nur dann gesammelt werden, 'wenn der Eigentümer sein Eigentumsrecht offenkundig aufgegeben hat und die Früchte und Beeren offensichtlich herrenlos sind'. In der Praxis: Wenn der Landwirt es direkt oder mit einem Schild am Feldrand erlaubt."

Die Gemüsebäuerin Roswitha Rohner dagegen weiss, dass dies früher anders war: "Da durfte man alles, was sich nach dem 1. November noch auf dem Acker befand, ungefragt ernten, auch wenn es noch in der Erde steckte. Inzwischen habe sich das geändert, so Rohner, da jedem Bauern daran gelegen sei, seine Ware so lange wie möglich stehen zu lassen." Siehe https://www.tagblatt.ch/ostschweiz/rheintal/erntediebe-sind-ganz-schoen-dreist-ld.239741!

Wir leben halt nicht mehr in biblischen Zeiten und unsere Armenhilfe funktioniert anders.

Jörg Niederer ist Mitglied  im Ausschuss Kirche und Gesellschaft der EMK Schweiz-Frankreich-Nordafrika

Sonntag, 22. November 2020

Eisen auf verschiedene Weisen

Ein Gedanke

Das Arboretum hinter einer Pforte des Klosterguts Paradies
Foto © Jörg Niederer
"Jede Kanone, die gebaut wird, jedes Kriegsschiff, das vom Stapel gelassen wird, jede abgefeuerte Rakete bedeutet letztlich einen Diebstahl an denen, die hungern und nichts zu essen bekommen, denen, die frieren und keine Kleidung haben." Dwight D. Eisenhower, 34. Präsident der Vereinigten Staaten (1890-1969)

Ein Bibelvers - 1. Mose 2,8+9

"Dann pflanzte der Herr, Gott, einen Garten in Eden im Osten, und dort hinein setzte er den Menschen, den er gebildet hatte. Und der Herr, Gott, liess aus dem Erdboden allerlei Bäume wachsen, begehrenswert anzusehen und gut zu essen, und den Baum des Lebens mitten im Garten und den Baum der Erkenntnis von Gut und Böse."

Eine Anregung

Schaffhausen hat die Stiftsbibliothek, und Schlatt bei Diessenhofen die Eisenbibliothek, untergebracht im Klostergut Paradies. "Die Stiftung Eisenbibliothek ist mit rund 46'000 Einzeltiteln eine der weltweit grössten privaten Spezialbibliotheken im Bereich Technikgeschichte. Jährlich besuchen über 1'000 Personen die Bibliothek im Lesesaal oder an einer Veranstaltung. Die Eisenbibliothek betreut daneben das Archiv ihrer Stifterin, der Georg Fischer AG."

So lese ich es unter https://www.eisenbibliothek.ch/.

Mag sein, dass man gerade nicht so gut Museen vor Ort besuchen kann. Aber einen interessanten Einblick bekommt man z.B. über die historischen Fotos. Sie lassen sich unter https://www.eisenbibliothek.ch/de/ressources/digital.html finden und nach Stichworten durchsuchen. Der Erste Weltkrieg ist mit Bildern aus dem GF-Werk Singen vertreten. Kriegsgefangene aus Frankreich, Verwundete, auch starke Frauen, welche die Männer an der Front im Werk ersetzten, sind darauf zu entdecken. Die Suche nach dem Zweiten Weltkrieg offenbart Kriegsprodukte, gefertigt in der Schweiz. Auch das Eisenbergwerk Gonzen ist fotografisch vertreten. Mir haben die Fotos von der Bepflanzung des Arboretum im Klostergut Paradies besonders gut gefallen. Es besteht immer noch, und ist mit 32 Laubbaum- und acht Nadelholzarten bestückt.

Nebst Fotos können auch handschriftliche Dokumente eingesehen werden, etwa über den Glockenguss. Und damit wären wir bei den Kirchen, und dem Sonntagsgeläut, das zu den heutigen Gottesdiensten ruft.

In der Livestream-Predigt vom heute, 10.30 Uhr, in der Evangelisch-methodistischen Kirche St. Gallen geht es um die Prioritätensetzung im Miteinander von Gott und Mensch und Mensch und Mensch. Was kommt zuerst? Gott, Mensch oder Geld und Gut. Was einfach zu beantworten scheint, ist gar nicht so eindeutig. https://youtu.be/WfHOyAUeMNA

Jörg Niederer ist Mitglied  im Ausschuss Kirche und Gesellschaft der EMK Schweiz-Frankreich-Nordafrika

Samstag, 21. November 2020

Geschmacklos

Ein Gedanke

Geschmacksexplosion beim Kaffeeduft
Foto © Jörg Niederer
"Über den Geschmack kann man streiten, solange, bis dieser Streit geschmacklos wird." Gerhard Uhlenbruck, deutscher Immunbiologe und Aphoristiker

Ein Bibelvers - Psalm 34,9

"Spürt und seht, wie gütig der Herr ist. Wohl dem, der bei ihm Zuflucht sucht."

Eine Anregung

Schon interessant, dass wir mit Geschmack oft etwas meinen, das gar nichts mit dem Geschmacksinn zu tun hat. Der schlechte Geschmack jedenfalls steht für die Weise, wie jemand sich kleidet oder die Wohnung einrichtet oder einen Text schreibt. Und das Wort "geschmacklos" verwenden wir, um etwas ästhetisch, sozial, ethisch oder moralisch zu disqualifizieren. Niemand von uns wird bei einer solchen Beurteilung das Beurteilte den Geschmacksknospen im Mund zuführen. Etwas, das Kleinkinder ja durchaus noch tun, was sie für mich zu den Geschmacksexperten schlechthin macht. Wir Erwachsenen bilden uns unter Auslassung des Geschmackssinns ein Urteil über den Geschmack der anderen (und nur der andern). 

Nun, seit Corona dem einen oder der andern meist vorübergehend den Geschmackssinn raubt, erkennen Menschen die eigene Geschmacklosigkeit. Ob das auch auf eine kulturelle Selbsterkenntnis abfärbt?

Amüsant die Erfahrung der christlichen Sängerin Anja Lehmann, die sie am vergangenen Donnerstag auf Facebook teilte. Sie schrieb: "Tag 4 in der Quarantäne- GOTT HAT ECHT HUMOR!! Erstes Mal beim Kaffee trinken den berühmt-berüchtigten Geschmacksverlust erlebt- und dann die LOSUNGEN GELESEN.... :-) Ich lieb Ihn dafür, ich hab laut gelacht (und das tat gut!)"

Und was nun stand in den Losungen: "Schmecket und sehet, wie freundlich der HERR ist. Wohl dem der auf in trauet. Psalm 34,9". Dazu der neutestamentliche Vers: "Kommt, alles ist schon bereit! Lukas 14,17". Der beigesellte Liedtext von unserem Kirchenvater Charles Wesley in der Übertragung von Ulrike Voigt lautet: "Kommt, nehmt an Gottes Festmahl teil, erfahrt in Christus euer Heil und schmeckt die Güte unsres Herrn; Esst Brot, trinkt Wein er gibt es gern."


Und noch ein kurzer Rückblick auf die Jährlichen Konferenz der Methodisten vom vergangenen Wochenende: Zwischenzeitlich kann man den Ordinationsgottesdienst, damals mit leichter Sprachverwirrung ausgestrahlt, ganz auf Deutsch anhören und ansehen, und zwar hier:  https://youtu.be/GfqWEmtf8z0

In der Livestream-Predigt vom Sonntag, 10.30 Uhr, in der EMK St. Gallen geht es um die Prioritätensetzung im Miteinander von Gott und Mensch und Mensch und Mensch. Was kommt zuerst? Gott, Mensch oder Geld und Gut. Was einfach zu beantworten scheint, ist gar nicht so eindeutig. https://youtu.be/WfHOyAUeMNA

Jörg Niederer ist Mitglied  im Ausschuss Kirche und Gesellschaft der EMK Schweiz-Frankreich-Nordafrika

Freitag, 20. November 2020

Rundherum in 31 Tagen

Ein Gedanke

An der Route von Min Weag liegt auch der Pfänder
Foto © Jörg Niederer
"Am Ziele deiner Wünsche wirst du jedenfalls eines vermissen: dein Wandern zum Ziel." Marie von Ebner-Eschenbach, österreichische Schriftstellerin, 1830 – 1916

Ein Bibelvers - Josua 6,3+4

"Und ihr sollt um die Stadt herumziehen, alle Krieger sollen einmal die Stadt umkreisen; das sollst du sechs Tage lang tun. Und sieben Priester sollen sieben Widderhörner vor der Lade hertragen. Und am siebten Tag sollt ihr siebenmal um die Stadt ziehen, und die Priester sollen die Hörner blasen."

Eine Anregung

Umwandern hat etwas mit Erobern zu tun. Spätestens seit Josua und das Volk Israel die Stadt Jericho allein durch die Kraft von 13 Umrundungen und dem Schall der Widderhörner im Auftrag Gottes in Trümmer legte, weiss der Mensch, dass Kreisen nicht bedeutungslos ist.

Überdimensionale Rundwanderungen gibt es einige. So kann man sich etwa auf einem vielgestaltigen Weg über 400 Kilometern und in 31 Etappen das gebirgige Österreicher Bundesland Vorarlberg erwandern, und kommt dabei an so bemerkenswerten Orten wie dem Gottesacker (8. Etappe) vorbei, oder beim Haupt von Papst Viktor (28. Etappe). Vom Bodensee immer nahe der Grenze geht "Min Weag", wie die Rundtour nicht unbescheiden heisst, bis in die alpinen Regionen hinauf und wieder zurück. Wenn nicht Corona wäre und der Winter droht, ich würde gleich losziehen. Mehr dazu, inklusive Video, unter https://www.vorarlberg.travel/aktivitaet/min-weag-vorarlberg-rundwanderweg/

Das Umrunden ist eine meiner Leidenschaften. So bin ich schon der Grenze der Schweizer Kantone Aargau --> https://sway.office.com/zzAeu0dbKzenBn5X, Solothurn, Thurgau und Schaffhausen gefolgt. Und andere haben es vor und nach mir gleichgetan. René Moor um den Aargau --> http://www.wanderwerk.ch/programm/moor/aargau_rundum/aargau_rundum.htm und um Zug --> http://www.wanderwerk.ch/programm/moor/umzug/umzug.htm, Georg Hug um den Kanton und um die Stadt Luzern. Gar um die ganze Schweiz herum ging es für Ruedi Anneler, Gerhard Binggeli und Roland Gröflin --> https://www.wandersite.ch/111tage.html.

Wer um-kreist, konzentriert sich, findet die Mitte, hält Distanz.

Jörg Niederer ist Mitglied  im Ausschuss Kirche und Gesellschaft der EMK Schweiz-Frankreich-Nordafrika

Donnerstag, 19. November 2020

Nudging - Manipulation zur Freiwilligkeit

Ein Gedanke

Von Menel Rachdi auf den rechten Weg geschubst
Foto © Jörg Niederer
"Die vieldiskutierte Frage ist nun: Ist das eigentlich ok, wenn man derart Einfluss auf das Leben von Menschen nimmt?" Philipp Nagels über das Nudging in einem Artikel vom 12.12.2017 in der "Welt"

Ein Bibelvers - Jona 4,7+8

"Als aber am nächsten Tag der Morgen dämmerte, liess Gott einen Wurm kommen, und dieser stach den Rizinus, und er verdorrte. Und als die Sonne aufgegangen war, liess Gott einen sengenden Ostwind kommen, und die Sonne stach Jona auf den Kopf, und er brach zusammen. Da wünschte er zu sterben und sprach: Besser als mein Leben wäre mein Tod."

Eine Anregung

Ein realistisches Menschenbild stehe hinter dem "Nudging"

Menschen würden nicht immer so handeln, dass es ihnen und der Gesellschaft gut tut. Damit kommt man dem biblischen Menschenbild nahe, bei dem der Mensch als fehlerbehaftet und vom Ideal abgefallen verstanden wird. Der Mensch als Sünder. 

Statt mit Verboten und Geboten gegen Fehlverhalten vorzugehen, wird beim Nudging der Mensch durch kleine psychologische Schubser in eine bestimmte Richtung gelenkt. Beispiele: Wenn Gemüse und Obst besonders schön und auf Augenhöhe platziert wird, um den Konsum anzuregen. Wenn die Budgetartikel dagegen nahe dem Fussboden zuunterst in den Regalen zu finden sind. Wenn durch hohe Bepflanzung im Verkehrskreisel der Blick auf die Strasse gelenkt wird. Auch die berühmte Fliegengrafik im Pissoir ist Nudging, durch die die Trefferquote beim Urinieren erhöht wird.

Wichtig beim Nudging ist übrigens, dass die gelenkte Person sich leicht der Lenkung entziehen kann. Budgetprodukte können weiterhin aus dem Regal genommen werden, An der Banane auf Augenhöhe kann man auch ohne Kauf vorüber gehen.

Was aber, wenn ich von einem Schubser zum andern gelenkt werde, wie eine Flipperkugel von einem Bumper zum nächsten? Vielleicht handle ich dann zwar gut und richtig, aber nicht so, wie ich eigentlich möchte. Ob das besser ist?  

Und dann frage ich mich: Lenkt uns Gott auch mittels Schubser, bzw. manipuliert er uns so, dass wir das Gute aus freien Stücken tun?

Jörg Niederer ist Mitglied  im Ausschuss Kirche und Gesellschaft der EMK Schweiz-Frankreich-Nordafrika

Mittwoch, 18. November 2020

Es ist kompliziert!

Ein Gedanke

Tag Heuer Carrera von 1975
Foto © Jörg Niederer
"Mache mich einfältig, innig, abgeschieden, sanft und still in deinem Frieden; mach mich reinen Herzens, dass ich deine Klarheit schauen mag in Geist und Wahrheit; lass mein Herz überwärts wie ein' Adler schweben und in dir nur leben." Gerhard Tersteegen (1650-1680) aus dem Lied "Gott ist gegenwärtig"

Ein Bibelvers - Apostelgeschichte 17,28

Paulus an die Athener: "In ihm (Gott) nämlich leben, weben und sind wir, wie auch einige eurer Dichter gesagt haben: Ja, wir sind auch von seinem Geschlecht."

Eine Anregung

"Es ist kompliziert." Das ist nicht nur ein Beziehungsstatus bei Facebook. Es ist auch kompliziert mit der Kompliziertheit.

Das Wort kommt aus dem Französischen (complication‎) und meinte ein Zusammenfallen von erschwerenden Umständen. Noch weiter zurück geht es auf das lateinische "complicatio", was "Zusammenwickeln", "Einfalten" und "Vervielfältigen" bedeutet. In der Philosophie drückt complicatio aus, dass der Ursprung (Gott) in allem Endlichen enthalten, ja eingefaltet ist. Die Entsprechung dazu ist bei Niklaus von Kues (1401-1464) die "explicatio dei". Gott entfaltet sich selbst in die Vielheit des Geschaffenen.

Wie schon gesagt: Es ist kompliziert. Daran ändert auch nicht, dass Einfältigkeit und Kompliziertheit beide vom lateinischen "complicatio" hergeleitet werden können.

Es ist kompliziert. Das gilt auch für die Mechanik einer Uhr, speziell dann, wenn sie eine "Grande Complication", also eine "Grosse Komplikation" ist. Gemeint ist eine Uhr mit mehr oder weniger komplexen Zusatzfunktionen wie die ewige Kalenderanzeige unter Berücksichtigung der Schaltjahre, inklusive der Jahrhundertausnahme; die Stoppuhr-Funktion; das Schlagwerk; die Mondanzeige oder die Anzeige der Tierkreiszeichen; usw. Je grösser die Komplikation, desto faszinierender die Uhr, desto höher der Kaufpreis und Wert des Chronographen.

"Es ist kompliziert" - Ist das auch so bei deiner Beziehung zu Gott? Vielleicht gilt auch hier: Je komplizierter, desto faszinierender. In diesem Sinn: "Mache mich einfältig...dass ich deine Klarheit schauen mag in Geist und Wahrheit".

Jörg Niederer ist Mitglied  im Ausschuss Kirche und Gesellschaft der EMK Schweiz-Frankreich-Nordafrika

Dienstag, 17. November 2020

Alles ist (un-)auflöslich miteinander Verbunden

Ein Gedanke

Sarah Bach beim Wanderpredigen am Gurnigel
Bildschirmfoto vom Video © Jörg Niederer
"Ich glaube, dass wir die Welt auf den Geschmack bringen können, indem wir ihr aufzeigen, was der Sinn unseres Lebens (gemeint ist das Leben der Christinnen und Christen) ist." Sarah Bach

Ein Bibelvers - Matthäus 5, 13

Jesus: "Ihr seid das Salz der Erde. Wenn aber das Salz fade wird, womit soll man dann salzen? Es taugt zu nichts mehr, man wirft es weg und die Leute zertreten es."

Eine Anregung

Sarah Bach unternimmt immer wieder einmal Wanderungen, auf denen sie über einen Bibeltext nachdenkt. "Wanderpredigt" nennt sie das. Ihre neuste Produktion, mit einfachen Mitteln am Gurnigel aufgezeichnet, beschäftigt sich mit dem Wort von Jesus Christus über das "Salz der Erde". Sarah Bach erkennt drei Hauptfunktionen des Salzes: würzend, konservierend und reinigend. Diese überträgt sie auf die konkreten Bereiche eines christlichen Lebens.

Sarah Bachs Überlegungen zum Salz der Erde erhalten durch die Corona-Erfahrungen viel Plausibilität. Das macht sie gleich durch den ersten Satz in der Predigt deutlich: "Im Jahr 2020 haben wir wieder ganz neu gemerkt, wie wir miteinander verbunden sind. Wir als Christen sind eben nicht unabhängig von dieser Welt und haben nichts mit ihr zu tun, sondern sind aufs engste mit ihr verbunden und haben einen Auftrag in ihr."

Hier geht es zum Video: https://youtu.be/haX3fBCWhRM

Schriftlich kann die Predigt hier bezogen werden: https://emk-schwarzenburg.ch/wp-content/uploads/sites/35/2020/11/Salz-der-Erde.pdf

Jörg Niederer ist Mitglied  im Ausschuss Kirche und Gesellschaft der EMK Schweiz-Frankreich-Nordafrika


Montag, 16. November 2020

Die Konzernverantwortungsinitiative: Es geht um Gerechtigkeit und um Freundschaft

Ein Gedanke

Ernst Hug und die "Mona Lisa" der Konzernverantwortungsinitiative
Foto © Jörg Niederer
Ich unterstütze die Konzernverantwortungsinitiative, weil die Schweiz und ihre Wirtschaft einen Ruf zu gewinnen hat.

Ein Bibelvers - Amos 5,14+15

"Sucht das Gute und nicht das Böse, damit ihr am Leben bleibt! Dann wird der Herr, der Gott der Heerscharen, bei euch sein, so wie ihr es immer gesagt habt. Hasst das Böse und liebt das Gute und bringt das Recht zur Geltung im Tor (vor Gericht)."

Eine Anregung

Ich bin konfliktscheuer geworden. Das Kämpferische ist einer gewissen Verunsicherung gewichen. Seit die Konzernverantwortungsinitiative lanciert wurde, habe ich sie unterstützt, und mich für sie eingesetzt. Ich halte deren Forderungen für eine Selbstverständlichkeit. So habe ich auch Postkarten verschickt, um Menschen in meinem Umfeld zu motivieren, Ja zu stimmen. Selbst die Evangelisch-methodistische Kirche hat sich mit einem Ja positioniert. Aber es gibt Christen, die sehen das ganz anders. Darunter sind auch Menschen, die ich sehr schätze. Ich stelle mir vor, dass das auch schon war bei der Haltung zur Sklaverei: Hüben und drüben achtenswerte Persönlichkeiten. Und so war es beim Thema "Gleichberechtigung von Mann und Frau". Und auch wenn es um die Vielfalt menschlicher Sexualität geht, ist es wieder nicht anders. Etwas hemmt mich, es mit Menschen zu verderben, die ich mag. Lieber gehe ich dabei den Konflikten mit ihnen aus dem Weg. Aber da sind auch die andern Menschen, unbekannt meist, deren prekäre Lebensumstände durch meine Konfliktscheue zementiert werden. Ihnen tue ich keinen Dienst, wenn ich um des lieben Friedens willen in meinem beruflichen und privaten Umfeld schweige. "Im Stich" lasse ich so oder so Menschen. "Freundschaften aufs Spiel" setzte ich so oder so. Solidarität geht auf die eine wie andere Art verloren. Das ist frustrierend. Und so suche ich eine Balance zwischen Aufdringlichkeit und Respekt. Zwischen Engagement und Rücksicht.

Gut gelungen ist diese Balance, so finde ich, meinem Berufskollegen Pfarrer Ernst Hug von der Evangelisch-methodistischen Kirche Lyss und Aarberg. Wieder im kirchlichen Lockdown gibt es dort statt Anlässe vor Ort ein "Wort vor Wuche". Im Videobeitrag greift Ernst Hug die Konzernverantwortungsinitiativ auf und verknüpft sie mit dem Anspruch der Bibel auf Gerechtigkeit. Das klingt bei ihm wenig reisserisch, ist sorgfältig überlegt. Der Beitrag hat meine uneingeschränkte Empfehlung: https://www.youtube.com/watch?v=lnKjbDCzP-I&feature=youtu.be. Und hier findet man noch mehr "Wort vor Wuche" von Ernst Hug: https://emk-lyss.ch/

Jörg Niederer ist Mitglied  im Ausschuss Kirche und Gesellschaft der EMK Schweiz-Frankreich-Nordafrika

Sonntag, 15. November 2020

Ganzheitlich dazugehören - Teilhabe

Ein Gedanke

Pfarrer Stefan Moll wirbt an der Jährlichen Konferenz für das Buch von Nausner
Foto © Jörg Niederer
"Was alle angeht, können nur alle lösen. Jeder Versuch eines Einzelnen oder einer Gruppe, für sich zu lösen, was alle angeht, muss scheitern."  Max Frisch (1911-1991), Schweizer Schriftsteller

Ein Bibelvers - Matthäus 25,34

"Dann wird der König denen zu seiner Rechten sagen: Kommt her, ihr Gesegneten meines Vaters, empfangt als Erbe das Reich, das euch bereitet ist von Grundlegung der Welt an."

Eine Anregung

"Teilhabe" ist ein Wort, das ich gefühlsmässig dem vorletzten Jahrhundert zuordne. Heute würden wir doch eher von Partizipation sprechen. Platon (428/427 - 348/347 v.Chr.) habe die griechischsprachige Entsprechung "Methexis" verwendet für die Zuordnung von Dingen zu ihrer Bestimmung. Vielleicht könnte man sehr vereinfacht sagen, dass für Platon die Gesellschaft wichtiger war als die Einzelne oder der Einzelne und folglich das Individuum seine Bestimmung nur finden konnte, wenn es zur Gesellschaft dazugehört.

Methexis wird lateinisch "participatio" übersetzt. Da haben wir sie wieder; die Partizipation.

Wer heute "Teilhabe" bei Google eingibt, stellt fest, dass dieses Wort aktuell für die Situation von Behinderten und ihrer Einbindung in die Gesellschaft gebraucht wird. Auch die politische Teilhabe lässt sich im Internet finden, im Sinn der Partizipation an politischen Willensbildungs- und Entscheidungsprozessen.

Und wie ist es mit der theologischen Teilhabe? Wer bei Google "Teilhabe Theologie" eingibt, landet bei einem Methodisten: Michael Nausner ist Pfarrer aus Österreich und Senior Researcher der Forschungsgruppe für Theologie und Gesellschaft der Schwedischen Kirche in Uppsala. Von ihm ist aktuell ein Buch erschienen mit dem Titel: "Eine Theologie der Teilhabe". Darin stellt Nausner ein Christsein ins Zentrum, das neben der spirituellen Dimension der Beziehung zwischen Gott und Mensch auch die sozialen und ökologischen Dimensionen einschliesst. Bischöfin im Ruhestand, Rosemarie Wenner schreibt: "In einer Zeit, in der soziale Spannungen und ideologische Grabenkämpfe zunehmen, wirbt Michael Nausner dafür, sich konsequent als Teil von Gottes Schöpfungshandeln und damit als Teil alles Geschaffenen zu verstehen und entwirft so eine Theologie der Teilhabe in methodistischer Tradition. Beim Lesen werde ich ein Teil an dem Netzwerk, das Michael Nausner in großer interkultureller Weite spannt. Ich werde oft zu dem Buch greifen und ich wünsche mir, dass dies viele Menschen tun."

Wer am Buch teilhaben will, muss tief in die Tasche greifen: Als E-Book kostet es CHF 54.- und als Taschenbuch CHF 76.90.
Michael Nausner: Eine Theologie der Teilhabe, 332 Seiten, ISBN 978-3-374-06216-4

Heute Sonntag gibt es um 10.30 Uhr einen Gottesdienst zum Gleichnis vom grossen Gastmahl (Lukas 14,16-24). Willy Fries hat dazu ein eindrückliches Bild gemalt, das zum Weiterdenken anregt. Einmal mehr stellt sich die Frage, wie das mit Reichtum und Armut ist. https://youtu.be/YFLAd-4ihRg

Jörg Niederer ist Mitglied  im Ausschuss Kirche und Gesellschaft der EMK Schweiz-Frankreich-Nordafrika

Samstag, 14. November 2020

Das Leben im Schuhkarton

Ein Gedanke

Unnütze Erinnerungen
Foto © Jörg Niederer
"Was du mir sagst, das vergesse ich. Was du mir zeigst, daran erinnere ich mich. Was du mich tun lässt, das verstehe ich." Konfuzius

Ein Bibelvers - 2. Mose 12,11

Mose zu den Israeliten vor der Flucht aus Ägypten: "Und so sollt ihr es (das Passalamm) essen: die Hüften gegürtet, die Schuhe an den Füssen und den Stab in der Hand; und ihr sollt es in Eile essen, ein Passa ist es für den Herrn."

Eine Anregung

Die folgende Geschichte fand ich im Newsletter der Evangelisch-methodistischen Kirche Klingenberg:

"Ein Überlebender der Shoa aus Ungarn, John Jochanan Hirsch, erzählt. Er war sieben Jahre alt, als seine  Familie realisierte, dass sie bald ihr Zuhause verlassen müsste, plötzlich und schnell. Jochanan wurde gesagt, er solle packen. So viel, wie in einen Schuhkarton passt. Nachmittage, Abende verbrachte er ab jetzt damit, zu packen. Alle seine Schätze. Seine Bücher. Er leerte seine Taschen. Schubladen. Jochanan hatte schliesslich gepackt.
Genauer gesagt, hatte er zwei Schuhkartons vollgepackt. In dem einen waren lauter nützliche Dinge. Taschentuch, Unterhose, Taschenmesser, Kerze, Streichhölzer. In dem anderen waren 'unnütze' Dinge: der Gebetsschal seines Opas, ein Gedichtband, ein paar Zeichnungen, Postkarten, Fotos, ein paar Steine; lauter Dinge mit Geschichte, Erinnerungen.
Und dann kam der Tag. Er kam aus der Schule. In seiner Strasse brannten schon einige Häuser. 'Beeil dich! Renn!', rief der Vater. Und der rannte in sein Zimmer und griff nach seinem Schuhkarton. Griff nach dem mit den nützlichen Dingen. Und wusste, dass er gerade seine Kindheit zurückliess. Und die Tränen liefen.
Als er endlich abends alleine für sich war, in einer Ecke, machte er den Karton auf. Zu seiner Überraschung war es doch der mit den unnützen Dingen. Und er freute sich wie noch nie vorher in seinem Leben."

Was würde in deinen Schuhkarton kommen, wenn du sonst alles andere zurücklassen müsstest?


Heute um 16.15 Uhr findet der Ordinationsgottesdienst der Evangelisch-methodistischen Kirche Schweiz-Frankreich-Nordafrika statt. Hier können Interessierte dabei sein: Deutsch: https://youtu.be/gjI7drWoTbE und Französisch: https://youtu.be/hlFNKLtTH9E

Und am Sonntag gibt es um 10.30 Uhr einen Gottesdienst zum Gleichnis vom grossen Gastmahl (Lukas 14,16-24). Willy Fries hat dazu ein eindrückliches Bild gemalt, das zum Weiterdenken anregt. Einmal mehr stellt sich die Frage, wie das mit Reichtum und Armut ist. https://youtu.be/YFLAd-4ihRg 

Jörg Niederer ist Mitglied  im Ausschuss Kirche und Gesellschaft der EMK Schweiz-Frankreich-Nordafrika

Freitag, 13. November 2020

Der jüngste Museumsführer der Schweiz kommt aus Frauenfeld

Ein Gedanke

Bär im alternativen Wolf- und Bärenpark Schwarzwald
Foto © Jörg Niederer
"Tiere und kleine Kinder sind der Spiegel der Natur." Epikur von Samos

Ein Bibelvers - Matthäus 18,1-3

Jesus: "Wer ist nun der Grösste im Himmelreich? Da rief er ein Kind herbei, stellte es in ihre Mitte und sprach: Amen, ich sage euch, wenn ihr nicht umkehrt und werdet wie die Kinder, werdet ihr nicht ins Himmelreich hineinkommen."

Eine Anregung

Heute gibt es wieder einmal einen Beitrag für Familien und Kinder. Es geht um den sechsjährigen Theo Salis aus Frauenfeld. Der Junge ist im Verlauf dieses Jahres zum Kinderpodcaster geworden. Sein Spezialgebiet sind Tiere. Befragt von seinem Vater Gianfranco erklärt er voller Begeisterung die Besonderheiten von Bär, Storch, Känguru, Neuntöter, Schaf, usw. Seine Beiträge richten sich vor allem an Kinder, aber auch Erwachsene kann der redselige Junge begeistern.

Auf der Webseite https://www.kinderpodcast.ch gibt es zum Tonbeitrag immer auch noch ein Arbeitsblatt über das jeweilige Tier, mit dem Kinder das Gehörte kreativ vertiefen können.

Und bald schon wird Theo zum jüngsten Museumsführer der Schweiz. In 10 weiteren Podcasts wir er über Tiere erzählen, die im Thurgauer Naturmuseum lebensecht ausgestellt sind. Warum das geschieht, erklärt der Museumsdirektor Dr. Hannes Geisser gleich selbst in einem Video: https://youtu.be/jtejgzpDl_s

Jörg Niederer ist Mitglied  im Ausschuss Kirche und Gesellschaft der EMK Schweiz-Frankreich-Nordafrika