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Freitag, 1. November 2019

Abschiede


Abschiede drängen sich auf, oder treten plötzlich und unvermittelt ein. Wir nehmen Abschied von Orten, von Ferien, von Arbeitsstellen, von Eltern, von Nachbarn, von Freundinnen, von Lebensabschnitten und von Verstorbenen. 

Persönlich nehme ich seit meinem 30. Geburtstag Abschied von meinen Zwanzigerjahren, obwohl ich schon auf 40 zugehe. Ich komme in ein Alter, in dem Freunde und Kolleginnen längst über 50 sind. So verschieben sich Wahrnehmungs- und Bewertungsgrenzen von dem, was alt oder jung ist. Dabei fällt mir in verminderter Form auf, was mir auch in Trauergesprächen und Beerdigungsritualen begegnet. Abschiednehmen hat nicht zuerst mit loslassen, sondern mit neu einordnen zu tun: Verbindungen zu geliebten Zeiten, Orten und vor allem zu Menschen kann ich nicht einfach loslassen, sie sind Teil von dem, was und wer ich heute bin. Der manchmal gut gemeinte Rat «Du musst jetzt halt loslassen» greift zu kurz. In einem Praktikum im ambulanten Hospiz entdeckte ich, dass einige Modelle der Trauerarbeit, - und ich meine, alle Abschiede tragen Teile davon in sich, - davon ausgehen, die Beziehung zu Verstorbenen auf andere Weise zu leben. Vielleicht ein Zimmer entsprechend einzurichten, oder etwas persönliches mit sich herumzutragen. So wird deutlich was wertvoll ist und mich weiter begleitet, aber auch, was ich vielleicht noch nicht loslassen, aber mit jemandem teilen möchte um es neu einzuordnen.
Ich meine, dass Kirche den Auftrag hat Räume für Abschiede zu schaffen und ich freue mich darüber, dass in der Evangelisch-methodistischen Kirche viel Bewusstsein da ist, den Menschen in Abschiedssituationen nah zu sein.
Ein Beitrag für "Kirche und Welt", 11/2019