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Mittwoch, 16. September 2020

Die Leidenschaft der Verstorbenen

Ein Gedanke

Friedhof von Rüeggisberg
Foto © Jörg Niederer
"Von meinem Erdenleben / Soll nichts mehr bleiben als ein Jubelton, / Der im Sonnengold verschwimmt / Und dessen Widerhall / Die Herzen der Erdenpilger / Zu Dank und Andacht stimmt!" Rudolf von Tavel (1866-1934)

Ein Bibelvers - Johannes 5,28+29

Jesus: "Es kommt die Stunde, in der alle, die in den Gräbern sind, seine Stimme hören werden, und es werden hervorgehen, die Gutes getan haben, zur Auferstehung des Lebens, die aber Böses getan haben, zur Auferstehung des Gerichts."

Eine Anregung

Auf dem Leuenberg bei Rüeggisberg befindet sich eine kleine Gedenkstätte für den Berner Mundartautor und Journalisten Otto Friedrich Rudolf von Tavel. Unten im Dorf auf dem Friedhof stehen sauber geordnet die Grabstelen der "gewöhnlichen" Menschen. Im Bestattungs- und Friedhofreglement der Gemeinde Rüeggisberg lese ich: "Die Gräber sind obligatorisch mit einem stehenden Grabmal oder einer liegenden Grabplatte zu versehen... Grabmäler haben den Anforderungen des Grabmalhandwerks zu entsprechen und dürfen die Harmonie der Umgebung und die Würde des Friedhofs nicht stören." 

Der Mensch vergeht, die Reglemente bleiben ewig. 

Auf dem Friedhof in Rüeggisberg fallen mir etliche Grabsteine auf, die vom Hobby oder Beruf der Verstorbenen erzählen. Unschwer erkennen lässt sich der einstige Golfer, der Zugführer, die Gärtnerin, der Springreiter, der Motorradfahrer oder der Bauer.

Auf meinen Grabstein käme vielleicht ein Wanderschuh oder ein "Pfaffenhütchen" (Schweizer Gebäck mit anklang an meinen Beruf, den ich meist "hutfrei" ausübe). Andere würden sich vermutlich einen Gedenkstein in Form eines Computers aufrichten lassen, falls dies nicht "die Harmonie der Umgebung und Würde des Friedhofs" stört.

Mir gefallen diese Steinmetzarbeiten, die das Leben der Verstorbenen über Namen und Jahrzahl hinaus zusätzlich charakterisieren.


Jörg Niederer ist Mitglied  im Ausschuss Kirche und Gesellschaft der EMK Schweiz-Frankreich-Nordafrika

Freitag, 1. November 2019

Abschiede


Abschiede drängen sich auf, oder treten plötzlich und unvermittelt ein. Wir nehmen Abschied von Orten, von Ferien, von Arbeitsstellen, von Eltern, von Nachbarn, von Freundinnen, von Lebensabschnitten und von Verstorbenen. 

Persönlich nehme ich seit meinem 30. Geburtstag Abschied von meinen Zwanzigerjahren, obwohl ich schon auf 40 zugehe. Ich komme in ein Alter, in dem Freunde und Kolleginnen längst über 50 sind. So verschieben sich Wahrnehmungs- und Bewertungsgrenzen von dem, was alt oder jung ist. Dabei fällt mir in verminderter Form auf, was mir auch in Trauergesprächen und Beerdigungsritualen begegnet. Abschiednehmen hat nicht zuerst mit loslassen, sondern mit neu einordnen zu tun: Verbindungen zu geliebten Zeiten, Orten und vor allem zu Menschen kann ich nicht einfach loslassen, sie sind Teil von dem, was und wer ich heute bin. Der manchmal gut gemeinte Rat «Du musst jetzt halt loslassen» greift zu kurz. In einem Praktikum im ambulanten Hospiz entdeckte ich, dass einige Modelle der Trauerarbeit, - und ich meine, alle Abschiede tragen Teile davon in sich, - davon ausgehen, die Beziehung zu Verstorbenen auf andere Weise zu leben. Vielleicht ein Zimmer entsprechend einzurichten, oder etwas persönliches mit sich herumzutragen. So wird deutlich was wertvoll ist und mich weiter begleitet, aber auch, was ich vielleicht noch nicht loslassen, aber mit jemandem teilen möchte um es neu einzuordnen.
Ich meine, dass Kirche den Auftrag hat Räume für Abschiede zu schaffen und ich freue mich darüber, dass in der Evangelisch-methodistischen Kirche viel Bewusstsein da ist, den Menschen in Abschiedssituationen nah zu sein.
Ein Beitrag für "Kirche und Welt", 11/2019