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Montag, 9. November 2020

Das Ahoi der tschechischen Landratten und slowakischen Gipfelstürmer

Ein Gedanke

Freizeitschifffahrt auf dem Rhein-Marne-Kanal
Foto © Jörg Niederer
"Gott begegnet dir überall, wenn du ihn grüssen möchtest." Sprichwort

Ein Bibelvers - 1. Mose 8,4

"Im siebten Monat, am siebzehnten Tag des Monats, setzte die Arche auf den Bergen von Ararat auf."

Eine Anregung

Die Alpenexpertin Ingeborg Schmid-Mummert schreibt in einer Kolumne: Ich bin "...schon hier und da bei einer Unternehmung in den Bergen von einem 'Ahoi' überrascht worden. Ja, wie? Schiffe, die auf Bergen landen, kennt man doch eher aus der Bibel?" Siehe: https://www.bergwelten.com/a/wie-der-gruss-zum-berg-kam?emst=HFE1jN5JRG_886_4003442_10

Erleuchtung brachte dann die Beobachtung, dass es meist tschechische Bergsteiger waren, die sich so grüssten.

Doch der Reihe nach. Ganz ursprünglich wurde der Seemannsgruss in England verwendet. In der Landwirtschaft sprach man so den Ochsen beim Pflügen zu. Und in der Schifffahrt war es ein Signalwort, um die Aufmerksamkeit der Matrosen zu gewinnen. Wohl durch Übersetzungen englischer Seemannsromane gelangte das Fremdwort in den deutschen Sprachraum, wo es auch in abgeänderter Form am Karneval Verwendung findet.

Warum es aber in den beiden Binnenländern Tschechien und Slowakei als Gruss alltäglich geworden ist, dafür gibt es eine sehr skurrile Erklärung aus dem Rotlichtmilieu, und eine etwas seriösere aus den 1920er Jahre. Letztere besagt, dass während der damaligen Wandervogelbewegung Jugendliche und Studenten das Kanufahren auf den Flüssen entdeckten. Ähnlich wie heute die Elektrovelos boomen, boomten die Faltboote. In romantisierender Weise verstand man sich als Gegenbewegung zum tschechischen Bürgertum. Darum wollte man auch nicht den "Sokol-Ruf", auf Deutsch "Heil" der damaligen nationalistischen Turnerbewegung verwenden. Was passte besser zum Kanufahren, als der Gruss der deutschen Seeleute. Darum übernahmen die Jugendlichen das "Ahoi" für ihre Bewegung. Auf ironische Weise wurde er zum Trinkspruch "ahojka" oder zu "Ahoichen" (ahojček) und bald schon zum allgemein gebräuchlichen Gruss auf der Strasse und im Alltag. Zeitschriften trugen es im Namenszug. Es gib im Bratislaver Stadtteil Nové Mesto einen Bezirk mit amtlichem Namen "Ahoi", und in der Industrie eine Konzeptstudie für einen Kleinwagen mit Namen "Škoda Ahoj". Wikipedia schreibt auch über an Ahoi angelehnte Spottworte in Theresienstadt. Akronymisch wurde es in der Kirche verwendet: "Unter kommunistischer Regierung entwickelte sich ahoj auch im slowakischen Landesteil zum Initialwort. Seit dem Kirchenkampf von 1950 galt es als Abkürzung für die Trostformel Aj hriešnych ochraňuje Ježiš, deutsch Jesus schützt auch die Sündigen, oder für das lateinische ad honorem Jesu, deutsch Jesus zur Ehre. Demonstrativ benutzten es katholische Jugendliche untereinander. Selbst Pfarrer sprachen die Gläubigen von der Kanzel herab damit an." Mehr unter https://de.wikipedia.org/wiki/Ahoi#Herkunftstheorien_2

Seit die tschechoslowakische Regierung in den 1960er Jahren italienische Kinofilme zuliess, verdrängt das moderner empfundene "Ciao" (čau) "Ahoi" aus der Alltagssprache.

Ich bleibe für heute beim Seemansgruss und sage ein herzliches "Ahoi": Aj hriešnych ochraňuje Ježiš

Jörg Niederer ist Mitglied  im Ausschuss Kirche und Gesellschaft der EMK Schweiz-Frankreich-Nordafrika

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