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Mittwoch, 11. November 2020

Reife Gedanken einer Höllenvisionärin

Ein Gedanke

Zerfallende Scheune in Barrow Green
Foto © Jörg Niederer
"Vor törichter Andacht und sauertöpfischen Heiligen bewahre uns, o Herr!" Teresa von Avila (1515- 1582)

Ein Bibelvers - Prediger 12,1+5

"Und denke an deinen Schöpfer in deinen Jugendtagen, bevor die schlechten Tage sich nahen und Jahre kommen, von denen du sagen wirst: Sie gefallen mir nicht... Denn der Mensch geht in sein ewiges Haus, und durch die Strasse ziehen die Klagenden."

Eine Anregung

Ihr Grossvater väterlicherseits war ein sephardischer Jude, der unter dem gesellschaftlichen Druck seiner Zeit zum Christentum übertrat. Durch ein Schreiben des Kirchenvaters Hieronymus und wegen Höllenfurcht und Angst vor der damals üblichen Abhängigkeit der Frau in der Ehe entschied sie sich - gegen den Willen ihres Vaters - fürs Kloster. Nach schwerer Krankheit und geistlichen Entdeckungen, etwa des "innere Betens", erlebte sie 1554 ihre zweite Bekehrung. Eine "Höllenerfahrung" führte sie zur Erkenntnis der geschenkten Gnade Gottes. In der Folge gründe sie 1560 in Avila ein Kloster, in dem die ursprünglichen Ordensregeln des heiligen Albert von Jerusalem galten. Es folgten weitere 16 Klostergründungen der - wie man sie nannte - "Unbeschuhten Karmeliterinnen". Uns ist diese Frau bekannt als Teresa von Avila, Mystikerin und Reformerin. Ihr Leitungsprinzip war "suavidad", also Sanftmut, und nicht der damals übliche Rigorismus. Das folgende Gebet von Ihr lässt erahnen, was damit gemeint ist.

Gebet eines älter werdenden Menschen 

"Oh Herr, Du weißt besser als ich, dass ich von Tag zu Tag älter und eines Tages alt sein werde.
Bewahre mich vor der Einbildung, bei jeder Gelegenheit und zu jedem Thema etwas sagen zu müssen.
Erlöse mich von der großen Leidenschaft, die Angelegenheiten anderer ordnen zu wollen.
Lehre mich, nachdenklich, aber nicht grüblerisch, hilfreich aber nicht diktatorisch zu sein.
Bewahre mich vor der Aufzählung endloser Einzelheiten und verleihe mir Schwingen, zur Pointe zu gelangen.
Lehre mich Schweigen über meine Krankheiten und Beschwerden. Sie nehmen zu, und die Lust, sie zu beschreiben, wächst von Jahr zu Jahr.
Ich wage nicht, die Gabe zu erflehen, mir die Krankheitsschilderungen anderer mit Freude anzuhören, aber lehre mich, sie geduldig zu ertragen.
Lehre mich die wunderbare Weisheit, dass ich mich irren kann.
Erhalte mich so liebenswert wie möglich.
Lehre mich, an anderen Menschen unerwartete Talente zu entdecken, und verleihe mir o Herr, die schöne Gabe, sie auch zu erwähnen."

Jörg Niederer ist Mitglied  im Ausschuss Kirche und Gesellschaft der EMK Schweiz-Frankreich-Nordafrika

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