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Mittwoch, 25. November 2020

Ganz aus der Mode gekommen: Schulranzen und Schmerbäuche

Ein Gedanke

Erster Schultag mit Ranzen
Foto © Margrit Niederer
"Ich und mein altes Weib können gut tanzen. Sie mit dem Bettelsack, ich mit dem Ranzen." Spruch aus Einsiedeln

Galater 6,4+5

"Jeder aber prüfe sein eigenes Werk! Dann wird er nur im Blick auf sich selbst Grund haben, sich zu rühmen - und nicht im Blick auf den anderen, denn jeder wird seine eigene Bürde zu tragen haben."

Eine Anregung

"Er habe sy gefragt, wo der Mann mit dem Ranzen seie, er möchte ihne auch gern sehen, was er im Ranzen habe, welcher aber geflohen wie ein Dieb reverenter [mit Verlaub gesagt], daruss er lichtlich schliessen könne, dass er den Ranzen voller Truben müsse gefüllt haben" (1668, Dübendorf). So wird aus alten Zeiten von einer unerlaubten Nachlese im Weinberg erzählt. Mich interessiert, was es mit dem Wort "Ranzen" auf sich hat, beziehungsweise, ob es einen Zusammenhang gibt mit dem "Ranzigwerden" von Speisen.

Das Schweizer Idiotikon (Siehe https://www.idiotikon.ch/! Die Zitate von Oben sind aus diesem Standardwerk) nennt als älteste Bedeutung für Ranzen: Felleisen, Quersack, Reisetasche, Provianttasche des Ziegenhirten, lederner Rucksack aus Dachs- oder Ziegenfell, auch Schultornister.

Letzterer, mit Kuhfell (oder war es Robbenfell) überzogen, trug ich jahrelang stolz zur Schule. Schulranzen hatte damals jeder und jede.

Abgeleitet davon, so das Idiotikon, ist die zweite Bedeutung: "Derber Ausdruck für Wanst, Schmerbauch, dann für Bauch von Menschen..." Auch dafür gibt es schöne Sprüche, hier ein Beispiel: "Me schwitzt recht ordli ab dem Donners Tanze, so mit de Jare wachst Eim halt en Ranzen". Und im Tirol von 1743 lud jemand zu einem Essen ein mit den Worten: "Hiemit seidt ihr alle freundlich eingladä, mär wollen euch füllä den Ranzen und den Kragen."

Mit beiderlei Ranzen kennen ich mich aus, doch was hat es mit Flurnamen, in denen der Ranzen vorkommt, auf sich. Falsch ist, dass, die Ranzach, ein Bach bei Uznach, ranzig riecht. Das gleiche gilt für den dortigen Bauernhof Ranzach. Der Gutsbetrieb ist wohl nach dem ersten Siedler mit dem germanischen Namen "Hraban" benannt, und nach dem Wort "Aach" für Bach. Wir würden heute von "Rabenbach" reden. Durch Lautverschiebungen ist daraus Ranzach geworden.

Näher bei den beiden Bedeutungen von Ranzen ist der Flurname "Ranze", der sich in der Gemeinde Uesslingen-Buch findet, direkt an der vielbefahrenen Schaffhauserstrasse. Auch hier könnte der Platz nach seinen Besitzern benannt sein. Der Personenname Ranz ist belegt, stammt aber wohl aus Süddeutschland. "Ranz" war früher der Berufs-Übername für einen Sackhersteller oder Sackträger, ein Spottname also. Ebenso wahrscheinlich ist ein appelativer Gebrauch: Das Gelände sieht wie ein Tragsack oder Bauch aus, der aus der flachen Landschaft ragt. (Siehe https://search.ortsnamen.ch/!)

Und was hat das alles nun mit dem Ranzigwerden von Speisen zu tun? Darüber morgen mehr.

Jörg Niederer ist Mitglied  im Ausschuss Kirche und Gesellschaft der EMK Schweiz-Frankreich-Nordafrika

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