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Ein Bibelvers - Johannes 8,31.32.34-36
"Da sagte Jesus zu den Juden, die ihm Vertrauen geschenkt hatten: Wenn ihr in meinem Wort bleibt, seid ihr wirklich meine Jünger, und ihr werdet die Wahrheit erkennen, und die Wahrheit wird euch frei machen... Amen, amen, ich sage euch: Jeder, der tut, was die Sünde will, ist ein Sklave der Sünde. Der Sklave aber bleibt nicht auf ewig im Haus, der Sohn bleibt auf ewig. Wenn also der Sohn (Gottes) euch frei macht, werdet ihr wirklich frei sein."
Eine Anregung
Wenn heute Menschen argumentieren, dass die menschenunwürdigen Arbeits- und Lebensbedingungen - etwa von vielen TextilarbeiterInnen und Erntehelfern - zwar bedauerlich, aber leider in einer globalisierten Wirtschaft unumgänglich seien, dann ist das kein neues Argument. So sahen in der Zeit der Entstehung der Methodistenkirchen in den USA viele die Sklaverei - als ein notwendiges Übel.
Dabei darf nicht vergessen gehen, dass die ersten Methodistinnen und Methodisten die Sklaverei ablehnt und klare Worte gegen sie gefunden haben. Pfarrer William B. Lawrence fasst die Fakten unter https://www.umnews.org/en/news/slavery-and-the-founders-of-methodism gut zusammen. Hier das Wichtigste daraus:
1774 veröffentlichte John Wesley seine Haltung zur Sklaverei, die "Thoughts Upon Slavery". Darin beschreibt er das Elend der Sklaven in allen Details. Nur schon die Duldung eines Systems der Sklaverei bezeichnete er als Übel, und jede Person in einem solchen System mache sich daran schuldig. https://docsouth.unc.edu/church/wesley/wesley.html
1780 wurden die amerikanischen Methodistenprediger in den Staaten dazu angehalten, gegen die Sklaverei zu predigen. Sklaven sollten von ihren Besitzern unverzüglich freigelassen werden. Alles andere stehe im Widerspruch zum Gesetz Gottes. Die Methodisten in North Carolina und Virginia hielten dies auch schriftlich verbindlich fest.
In der ersten methodistischen Kirchenordnung von 1785 wird festgehalten, dass wer Slaven kaufe oder verkaufe, sofort aus der Mitgliedschaft der Kirche zu entlassen sei, es sei denn, der Kauf geschehe, um Slaven zu befreien.
Im Jahr 1800 veröffentlichte die Generalkonferenz der Methodisten einen Hirtenbrief, unterzeichnet von Thomas Coke, Francis Asbury und Richard Whatcoat, in dem die Versklavung von Schwarzen "das grösste nationale Übel" genannt wird. Das ganze Neue Testament spreche in klarster Weise gegen die Sklaverei. Die Jährlichen Konferenzen (Synoden) wurden angewiesen, die Gesetzgeber in ihren jeweiligen Staaten aufzufordern, die Sklaverei abzuschaffen. Weltweit solle diese "schreienden Sünde" ausgerottet werden.
55 Jahre später kam es dann jedoch zu einer Kirchenspaltung. Methodisten in den US-Staaten, welche die Sklaverei weiterhin guthiessen, bildeten eine eigene Kirche, in der die Sklaverei erlaubt war. Die staatlichen Rahmenbedingungen bestimmten also die Haltung und Ethik der Kirche in der Sklavenfrage.
Im Rückblick kann ich diese vorübergehende Rechtfertigung der Sklaverei nur schwer verstehen angesichts des Menschenbilds von Jesus und der klaren Haltung der Gründerinnen und Gründer der Methodistenkirchen. Es scheint mir ausser Frage zu stehen, dass Menschen andere Menschen nicht besitzen und in Abhängigkeit halten, sie verstümmeln oder töten dürfen.
Zugleich hoffe ich, dass man nicht auch über Bereichen meines Denkens und Handelns dereinst den Stab brechen wird, und sich fragt, wie man als Christ nur eine solche Haltung und Lebensgestaltung vertreten konnte.
Jörg Niederer ist Mitglied im Ausschuss Kirche und Gesellschaft der EMK Schweiz-Frankreich-Nordafrika
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