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Montag, 1. Juni 2020

Lärmende Grillen

Feldgrille
Um mein Zuhause im schönen Bettswil zirpen seit Anfang April hunderte, oder vielleicht gar tausende Feldgrillen. Doch ehe nun romantische Gedanken auftauchen, nein, idyllisch ist das nicht: Sie können nerven, diese Grillen. Ich bin zwischenzeitlich verwirrt, ob es mein kleiner Tinnitus ist, oder ob es die Grillen sind, die einen Ton in ähnlichen Höhenlagen absondern.

Neulich waren Freunde auf einen Corona-Abstandskaffee vorbeigekommen. Wir sassen im Garten. Irgendwann meinte jemand von uns zur Wiese gewandt: «So, jetzt ist aber Schluss!» Das bringt natürlich nichts. Die Feldgrillen verstehen uns wohl nicht. Sie lassen sich nicht stören und lärmen weiter, naja, für sie muss es der himmlischste Klang auf Erden sein.

Die Grillen wohnen in Schlupflöchern in den angrenzenden Öko-Wiesen. Diese dürfen nie gedüngt und vor dem 1. Juli nicht geschnitten werden. Damit tragen Bäuerinnen und Bauern der Region einen wichtigen Teil zur Biodiversität in unserem Land bei. Und bei längerem darüber nachdenken, fällt mir ein Zitat des bekannten Arztes und Theologen, Albert Schweitzer ein. Dieser sagte in Zusammenhang mit seiner «Ehrfurcht vor dem Leben» folgenden Satz: «Ich bin Leben, das leben will, inmitten von Leben, das leben will.»

Und ich erkenne: Es geht nicht um meine, oder unsere menschliche Ruhe. Die Corona Zeit hat vielerorts zu einem Aufatmen der Schöpfung geführt. Die Neue Zürcher Zeitung titelte kürzlich: «Kein Smog dank Corona – der Lockdown verschafft Indiens verschmutzten Städten eine Atempause», und weiter, «Die Corona-Krise führt in Indien zu verbesserter Luftqualität: blauer Himmel und Vogelgezwitscher auch in Grossstädten.» Solche und ähnlich Schlagzeilen zeigen mir: Die Schöpfung bringt ihre Stimme in diesen für die Menschheit unfreiwillig heruntergefahrenen Wochen und Monaten wieder deutlicher zum Klingen. Viel menschgemachter Lärm ist leiser geworden. Vom Vogelgezwitscher in New Delhi bis zur Feldgrille in Bettswil gilt wahrscheinlich: Für Gott ist darin kein Lärm, sondern Klang seiner Schöpfungs-Symphonie. Ich dagegen, muss mich wieder dran gewöhnen und auch fragen: «Wo reduziere ich meinen Lärm, damit die Schöpfung zum Wohlklang des Miteinanders vor Gott und keinem möglichst lauten Ausruf der menschlichen Spezies inmitten von allem anderen Leben verkommt?»

Vielleicht ist das eine generelle Frage für die «Nach-Lockdown-Zeit»?

Ein Beitrag für "Kirche und Welt", 6/2020

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