Ein Gedanke
"In jedem Brot ist die Gnade des allmächtigen Gottes verborgen." Nikolaus von Flüe (1417 - 1487)Foto © Jörg Niederer
Ein Bibelvers - Matthäus 6,11
"Das Brot, das wir nötig haben, gib uns heute!"
Eine Anregung
In den Vorkriegsjahren spielte sich die folgende Szene in Irland ab:
"Vor Kathleen O'Connells Laden steht ein Brotwagen. Hinten ist die Ladefläche offen, und innen sind Regale mit dampfendem frischgebackenem Brot. Der Fahrer ist auf einen Tee und ein Rosinenbrötchen bei Kathleen im Laden, und es ist gar nicht schwer, einen Laib Brot zu nehmen. Es ist falsch, bei Kathleen zu stehlen, so gut, wie sie immer zu uns ist, aber wenn ich hineingehe und sie um Brot bitte, wird sie sich ärgern und mir sagen, ich vergälle ihr ihren Morgentee, den würde sie nämlich gern mal in Ruhe, Frieden und ohne Hetze zu sich nehmen, danke schön. Es ist leichter, das Brot unter meinen Pulli zur Limonade (die Frank kurz zuvor gestohlen hat) zu stopfen und zu geloben, dass ich alles in der Beichte sage." (Frank McCourt, Die Asche meiner Mutter, München 1996)
1980 wanderte Michael Holzach (1947-1983) ohne Geld durch Deutschland und bettelt zum ersten Mal in seinem Leben.
"'Sie wünschen bitte?' Welch eine Frage! Mir ist alles recht, ob Schnittchen, ob Torte oder Strudel, auch einzupacken braucht sie es gar nicht erst, ich verzehre gleich hier, stehenden Fusses. Das Bedienungsmädchen, blond, weissgeschürzt, wartet auf meine Bestellung. Ding-dong, neue Kundschaft kommt, durch den Türspalt sehe ich draussen meinen angebundenen (Hund) Feldmann, der sorgenvoll zu mir hereinstarrt. 'Sie wünschen, bitte?' Ein wenig über den Tresen gebeugt, um nicht zu laut sprechen zu müssen, kommt aus mir der Spruch von Gustav (einem einst von Holzach interviewten Obdachlosen): 'Haben Sie wohl etwas altes Brot oder Gebäck übrig?' Mit dieser Frage ist auch meine Verlegenheit über dem Tresen. Als hätte ich dem Mädchen einen unsittlichen Antrag gemacht, läuft sie rot an, sagt nach kurzem Zögern dann 'Einen Moment' und verschwindet durch eine Tür neben dem schön dekorierten Pralinenregal. Auf der Strasse schrillt das Martinshorn einer Militärstreife heran und fährt vorbei. Die Aprikosenschnittchen lächeln mich an. Ding-dong, noch mehr Leute. Endlich kommt die Bedienung zurück, immer noch etwas verfärbt im Gesicht, eine Papiertüte in den Händen. 'Bitte' sagt sie mit betretenem Lächeln. 'Danke' sage ich, bemüht, ihrer Stimmlage zu entsprechen. Mit einem Ding-dong bin ich wieder draussen an der Luft. Feldmann tanzt." Michael Holzach, Deutschland umsonst, Hamburg 2015, S. 30
Welches Brot schmeckt besser: das gestohlene, das erbettelte oder das gekaufte?
Jörg Niederer ist Mitglied im Ausschuss Kirche und Gesellschaft der EMK Schweiz-Frankreich-Nordafrika
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