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Montag, 17. Mai 2021

Beim Namen nennen - Ein Zeichen gegen die Ausgrenzung

Ein Gedanke

Stacheldraht gegen Menschen
Foto © Beim Namen nennen - St. Gallen
Hoffnung kennt keine Stacheln. Hoffnung will geteilt werden.

Ein Bibelvers - Römer 5,3b-5

"Das Leid lehrt, standhaft zu bleiben. Die Standhaftigkeit lehrt, sich zu bewähren. Die Bewährung lehrt zu hoffen. Aber die Hoffnung macht uns nicht zum Gespött. Denn Gott hat seine Liebe in unsere Herzen hineingegossen. Das ist durch den Heiligen Geist geschehen, den Gott uns geschenkt hat."

Eine Anregung

Stacheldraht. Regelmässige Wandererfahrung. Todesfalle vieler Tiere. Verpönt und mancherorts für Viehweiden verboten.

Gegen Menschen kommt dagegen meist ein anderer Zaun zum Einsatz: Der Nato-Stacheldraht, auch Rasiermesserdraht genannt. In einem Werbetext heisst es dazu: "Er sichert sogar militärische Anlagen, Gefängnisse und Regierungsbehörden, aber auch kommerzielle oder private Gebäude."

Solche Stacheldrähte haben eine klare Sprache: "Bleibt weg!" Die Verletzungen sind gewollt.

Stacheldrähte stehen real und symbolisch für eine Abschottungspolitik, die tausendenden von Menschen den Tod gebracht hat. Gerade jetzt in diesen Sommertagen flüchten wieder viele Menschen über das Mittelmeer. Nicht wenige sterben dabei. Sie sollen nicht vergessen werden. In St. Gallen werden sie beim Namen genannt. Statt Stacheln sollen ihre Namen um die Kirche St. Laurenzen im Wind flattern. Deine Mithilfe ist erwünscht.

Schaue dir das Video dazu an auf: https://1drv.ms/v/s!AkPHRrUIwnB9tOAKaxLjvIGHStB2RA?e=A9jthU oder https://www.instagram.com/p/COkqJYTrslj/ oder https://www.facebook.com/beimnamennennen/videos/941690203252999

Willst du mitmachen? Hier findest du alle Angaben: https://www.kathsg.ch/DE/180/BeimNamennennen.htm

Jörg Niederer ist Mitglied im Ausschuss Kirche und Gesellschaft der EMK Schweiz-Frankreich-Nordafrika

Montag, 26. April 2021

Von der krummen Nase zum Fabeltier

Ein Gedanke

Der Vogel Greif in der Wehrkirche von Greifensee.
Foto © Jörg Niederer
"Wir leben in einer Fantasiewelt, einer Welt voller Illusion. Die große Aufgabe im Leben ist es, die Realität zu finden." Iris Murdock

Ein Bibelvers - Psalm 126,4

"Herr, wende unser Schicksal zum Guten, so wie du die Bäche in der Wüste füllst nach langer Trockenzeit."

Eine Anregung

Einst gehörte das Städtchen Greifensee zum Toggenburg. Das war in den Jahren 1369-1402. Danach wurde es von Friedrich VII. verpfändet und der Stadt Zürich vermacht.

In der Wehrkirche Greifensee kann man nebst einem Löwen auch eine Fabelgestalt sehen, bekannt unter dem Namen "Vogel Greif". Bis ins Mittelalter glaubte man daran, dass es die aus einem Löwenkörper, einem Greifvogelkopf und Flügeln bestehenden Fabeltiere gibt.

Woher aber kommt das Wort "Greif"

Im Griechischen bedeutet "grȳpos" "krummnasig, mit einer Habichtsnase". Via lateinische Sprache gelangte es als "grīfe" ins Deutsche. So wurde also aus einer krummen Nase ein Fabeltier, das einem See und einer Stadt den Namen gab. Oder stimmt das etwa gar nicht, und mit Greifen waren lediglich die Greifvögel gemeint. Noch heute nennen wir sie so. Greifvögel hat es an einem landwirtschaftlich geprägten See bekanntlich in grosser Zahl.

Nun noch etwas zum Nachdenken. In dieser Wehrkirche in Greifensee steht an einer Wand in Zwinglideutsch ein Spruch. Wer findet die Bedeutung heraus? Und so lauten die Sätze: "Müssend dies Läben ein Ellend sin, nit ein Säligkeit. Herr kehr um unsere Gefängnuss wie die Bäch im Föhnen."

Die Auflösung folgt morgen.

Jörg Niederer ist Mitglied im Ausschuss Kirche und Gesellschaft der EMK Schweiz-Frankreich-Nordafrika

Samstag, 24. April 2021

Fromm ohne Kirche

Ein Gedanke

Leert Corona die Kirchen?
Foto © Jörg Niederer
"Der Vogel ist nicht nur mit äusserlich ihm angehängten Flügeln ausgestattet, sondern sein ganzer körperlicher Bau ist darauf angelegt, sich von den Flügeln durch die Luft tragen zu lassen. (…) Ganz ebenso verhält es sich mit dem Menschen. (…) Der Mensch ist seiner Natur nach auf das Leben in Gemeinschaft angelegt." Oswald von Nell-Breuning (1890-1991), aus "Baugesetze der Gesellschaft – Solidarität und Subsidiarität"

Ein Bibelvers - Jeremia 15,17+18

"Nie sass ich mit anderen froh zusammen, nie konnte ich fröhlich sein. Von deiner Hand [Gott] niedergedrückt, saß ich einsam da. Du hattest mich mit Missmut erfüllt. Warum nimmt mein Leiden kein Ende? Warum ist meine Wunde so tief, dass sie nicht heilen kann? Eine Täuschung bist du für mich. Du bist wie Wasser, von dem man nicht weiß, ob es da ist oder nicht."

Eine Anregung

In den vergangenen Wochen wurden verschiedene Pfarrerinnen und Pfarrer der Evangelisch-methodistischen Kirche unter anderem gefragt, "...inwiefern das (Selbst-)Bild von Kirche und Glaube sich durch die Pandemie verändert."

Dazu habe ich mir folgende Gedanken gemacht. Wie schon bei früheren Seuchen besteht die Gefahr, dass religiöse Gemeinschaften weiter aufgesplittet werden. Durch die Corona-Massnahmen werden die sozialen Aktivitäten und die religiösen Bedürfnisse separiert. Was sich konsumieren lässt an der Kirche, findet problemlos online und privat statt. Der Kirchenbesuch wird damit stark auf das Soziale zurückgebunden. Der Kirchenkaffee dagegen als Begegnungsplatz kann nicht so leicht ersetzt werden. Wer diesen Begegnungsort sucht, wird auch in Zukunft in die Gottesdienste und Kirchen gehen. Wer diesen nicht braucht, weil das Private genug soziale Begegnung bietet, wird wohl in Zukunft weniger oder nicht mehr in die Kirche gehen, und sich religiös auf andere Weise versorgen. Das wiederum wir die Kirche zunehmend zu einem Ort der Einsamen, Unbeholfenen, der Randgruppen machen. Diese haben nebst den sozialen Kontakten oft gar kein oder ein nur kleines religiöses Bedürfnis.

Vielleicht kann man plakativ sagen: 'In die Kirche werden nicht die gehen, die Glauben suchen, sondern sozialen Kontakt. Wer spirituelle Erfahrungen sucht, findet sie überall, nur nicht in der Kirche.'

Das wiederum bedeutet für die Kirchen, dass sie nicht mehr zurück können hinter eine starke Online-Präsenz und zugleich eine starke Vor-Ort-Präsenz. Die kirchliche Arbeit wird irreversibel anspruchsvoller als vor der Pandemie.

Hier kann man lesen, was Pfarrerinnen und Pfarrer aus Basel, Bregenz, Schwarzenburg und Solothurn dazu meinen: https://emk-schweiz.ch/2021/04/17/die-pandemie-ein-gericht-gottes

Jörg Niederer ist Mitglied im Ausschuss Kirche und Gesellschaft der EMK Schweiz-Frankreich-Nordafrika

Donnerstag, 22. April 2021

Frauen und die Charta Oecumenica

Ein Gedanke

Frauen und Männer an der 2. Europäischen Ökumenischen Versammlung in Graz 1997
Foto © Jörg Niederer
"So warf die Tatsache, dass Menschen in zwei Varianten - also mit und ohne Gebärmutter - existieren, grundsätzliche Fragen auf. Etwa die, ob Menschen, die schwanger werden könnten, genau so begabt und geeignet für geistliche Ämter seien wie jene, die es nicht können." Antje Schrupp, bref 3/2021 S. 16

Ein Bibelvers - Römer 16,6+7

"Grüsst Maria, die sich sehr für euch eingesetzt hat. Grüsst Andronikus und Junia, meine Landsleute, die mit mir im Gefängnis waren. Sie nehmen unter den Aposteln eine herausragende Stellung ein. Auch haben sie schon vor mir zu Christus gehört."

Eine Anregung

Frauen und Kirche, eine lange Geschichte. Da gibt es die Bewegung Maria 2.0: https://www.katholisch.de/aktuelles/themenseiten/kirchenstreik-maria-20.

Auch das Projekt Wiborada 2021 hat starke Bezüge zu Frauenrechten in der Kirche: https://www.wiborada2021.ch/.

Heute wird die Charta Oecumenica 20 Jahre alt. Die "Leitlinien für die wachsende Zusammenarbeit unter den Kirchen in Europa" wurde am 22. April 2001 gemeinsam von der Konferenz Europäischer Kirchen (KEK) und dem Rat der Europäischen Bischofskonferenzen (CCEE) angenommen. In der Schweiz folgte die Unterzeichnung vier Jahre später durch die Mitglieder der Arbeitsgemeinschaft christlicher Kirchen in der Schweiz.

Auch in diesem Dokument werden die Rechte der Frauen thematisiert. Unter dem Kapitel: "II. Auf dem Weg zur sichtbaren Gemeinschaft der Kirchen in Europa" steht im Abschnitt: "8. Völker und Kulturen versöhnen" Folgendes zu lesen:

"Unsere gemeinsamen Bemühungen richten sich auf die Beurteilung und Lösung politischer und sozialer Fragen im Geist des Evangeliums. Weil wir die Person und Würde jedes Menschen als Ebenbild Gottes werten, treten wir für die absolute Gleichwertigkeit aller Menschen ein.
Als Kirchen wollen wir gemeinsam den Prozess der Demokratisierung in Europa fördern. Wir engagieren uns für eine Friedensordnung auf der Grundlage gewaltfreier Konfliktlösungen. Wir verurteilen jede Form von Gewalt gegen Menschen, besonders gegen Frauen und Kinder.
... Wir verpflichten uns,
... die Stellung und Gleichberechtigung der Frauen in allen Lebensbereichen zu stärken sowie die gerechte Gemeinschaft von Frauen und Männern in Kirche und Gesellschaft zu fördern."

Heute, zwanzig Jahre nach der Unterzeichnung der Charta erneuern die Kirchen der Schweiz ihre Selbstverpflichtungen im Rahmen eines Zoom-Anlasses, welcher auf YouTube übertragen wird. Ab 15.00 Uhr kann man live dabei sein: https://www.youtube.com/watch?v=xE50lzJXNdE

Um 19 Uhr organisieren KEK und CCEE einen ökumenischen Jubiläums-Gottesdienst (online). Inspiriert ist das Thema des 20-jährigen Jubiläums der Charta Oecumenica von der biblischen Prämisse aus Römer 12,12: "Seid fröhlich in der Hoffnung, geduldig in der Bedrängnis, beharrlich im Gebet!" Eine Anmeldung ist erforderlich: https://zoom.us/webinar/register/WN__lClRISEQW2ofhF2ufA0aA

Hier geht es direkt zur Charta Oecumenica: https://agck.ch/wp-content/uploads/2021/04/ChartaOecumenicaDE.pdf

Jörg Niederer ist Mitglied im Ausschuss Kirche und Gesellschaft der EMK Schweiz-Frankreich-Nordafrika

Mittwoch, 7. April 2021

Eine richtige Gaudi

Ein Gedanke

Sinnspruch an einem Haus beim Horber Weiher in Gottshaus
Foto © Jörg Niederer
"Wer viel weiss, weiss auch, was er nicht weiss - zumindest wenn er weise ist." Ausspruch des gestern verstorbenen Theologen Hans Küng

Ein Bibelvers - Lukas 2,10

"Der Engel sagte zu ihnen: 'Fürchtet euch nicht! Hört doch: Ich bringe euch eine gute Nachricht, die dem ganzen Volk große Freude [lateinisch: gaudium magnum] bereiten wird'."

Eine Anregung

Ich liebe intelligenten Humor. Vielleicht kann ich deshalb nicht so oft herzhaft lachen, da Witze immer wieder einmal lieblos und plump erzählt werden. Pater Karl Wallner dagegen hascht nicht nach Effekten, kommt herzlich daher und nimmt sich selbst bzw. die Kirche nicht zu ernst. Zudem schöpft er aus den Erfahrungen, aus dem Vollen eines Klosterlebens, wenn er den Witz der Mönche aufstrahlen lässt. Absolut sehens- und hörenswert. Eine richtige Gaudi: https://youtu.be/VTr9Gi_9UZ8

Jörg Niederer ist Mitglied im Ausschuss Kirche und Gesellschaft der EMK Schweiz-Frankreich-Nordafrika

Freitag, 26. März 2021

Wiederstand und Glaubensfreiheit

Ein Gedanke

Haus und Restaurant Papagei, St. Gallen
Foto © Jörg Niederer
"Ich predige nicht die Duldsamkeit. Unbeschränkte Religionsfreiheit ist in meinen Augen ein so geheiligtes Recht, dass das Wort Duldsamkeit, als Ausdruck hierfür gebraucht, mir gewissermaßen selbst tyrannisch erscheint."
Honoré Gabriel de Mirabeau, Politische Diskurse

Ein Bibelvers - 2. Korinther 4,8+9

Paulus: "Wir stehen von allen Seiten unter Druck, aber wir werden nicht erdrückt. Wir sind ratlos, aber wir verzweifeln nicht. Wir werden verfolgt, aber wir sind nicht im Stich gelassen."

Eine Anregung

Am 25. März 2021 jährte sich der Beginn der kirchlichen Arbeit der Bischöflichen Methodistenkirche in St. Gallen und der Ostschweiz zum hundertsechzigsten Mal. Zum 100. Jubiläum schrieb das damalige Gemeindeglied Bangerter am 25.03.1961:

"In St.Gallen waren während kurzer Zeit die Versammlungen in ein Haus an der St. Leonhardstrasse verlegt worden; dann wurde im historischen Tuchhaus an der Neugasse... ein geeignetes Versammlungslokal gefunden. Doch auch hier war kein bleibender Ort. 1866 konnten im Haus zum 'Papagei' an der Neugasse im 3. Stock drei Zimmer zu einem Saal umgebaut werden, der 300 Personen Platz bot. Hier fand die Gemeinde ihr Heim bis zum Bau der eigenen Kapelle.

Im Saal des Hauses zum 'Papagei' fand am 25. Mai 1867 auch die erste konstituierende Vierteljahreskonferenz statt. Vorsitzender war Distriktsvorsteher Heinrich Nuelsen (der Vater unseres späteren Bischofs). Als Sekretär wurde Prediger H. Gisler bestimmt... Der Kirchenbezirk wurde St. Gallen-Rheintal genannt und die Sitzungen der Vierteljährlichen Konferenz fanden abwechslungsweise in St. Gallen und in Thal oder Rheineck statt...

Im Rheintal kam es bald zu Auseinandersetzungen mit den örtlichen Behörden. 1865 haben in St. Margrethen Kirchenvorsteherschaft und Gemeinderat Prediger Messmer das weitere Abhalten von Versammlungen verboten. Prediger Messmer und einige St. Margrether Bürger richteten deshalb eine Beschwerde an den Regierungsrat und verlangten Aufhebung dieses Verbotes. Im Protokoll des Regierungsrates vom 9. September 1865 ist dieser Streitfall eingehend behandelt. Zur Vernehmlassung eingeladen, hatte der Gemeinderat von St. Margrethen behauptet, dass durch solche separatistischen Versammlungen viel Uneinigkeit in die Gemeinde komme und insbesondere aus Gründen der Ordnung und Sittlichkeit hauptsächlich die nächtlichen Versammlungen (gemeint sind die Abendgottesdienste) zu untersagen seien. Im gleichen Sinne äusserte sich die Kirchenvorsteherschaft. Der Regierungsrat stelle demgegenüber fest, dass es sich bei diesen Versammlungen keineswegs um eine ausserhalb der evangelischen Landeskirche stehende Religionsgenossenschaft handle, dass das durch die Verfassung gewährleistete Recht der Glaubensfreiheit das Recht zur Abhaltung besonderer Versammlungen in sich schliesse, und dass keine gesetzlichen Bestimmungen bestehen, nach denen solche Versammlungen zur Abendzeit untersagt werden könnten. Aus diesen Gründen hob der Regierungsrat auf Antrag des Erziehungsdepartementes das St. Margrether Verbot wieder auf."

Jörg Niederer ist Mitglied im Ausschuss Kirche und Gesellschaft der EMK Schweiz-Frankreich-Nordafrika

Mittwoch, 10. Februar 2021

Wo ist denn da Kirche drin?

Ein Gedanke

Bischof Patrick Streiff im Gespräch mit Barry Sloan, anlässlich einer Fresh Expressions-Tagung 2011 in Braunfels
Foto © Jörg Niederer
"Gott hat das Experimentieren in die Struktur der Schöpfung eingebaut. Die Zivilisation ist die Geschichte von Experimenten, die funktioniert haben. Wenn das Experimentieren ein wesentlicher Teil des Menschseins ist, sollte es dann nicht auch Teil der Kirche sein? Viele fresh expressions (frische kirchliche Ausdrucksformen) beginnen als Experimente, und wir beten dafür, dass sie auch weiterhin mit dem Geist der Kreativität erfüllt bleiben." Graham Cray auf https://freshexpressions.org.uk/2020/04/09/creative-experimentation/

Ein Bibelvers - Joh 1,14 (The Message)

"Das Wort wurde Fleisch und Blut und zog in die Nachbarschaft."

Eine Anregung

Es ist ein überraschendes Gespräch. Die junge Frau grenzt sich gleich ab. Sie und ihr Partner seinen keine Christen, und ja, es sei schon recht, dass die Leute hier Christen seien, aber das sei auch der Grund, warum sie nicht hierher kommen wollte. Christen würden immer nach dem Glauben an Gott fragen. Das wolle sie nicht und diese Gespräche seien nicht schön. Dies sagt sie an einem Sonntagsanlass im "Inspire Chemnitz", und lässt sich dabei filmen. Dann fährt sie fort: "Und doch bin ich hier und ich liebe es dabei zu sein am Sonntagsbrunch." Ihr Partner ergänzt: "Es ist offen, cool, entspannt. Es ist grossartig".

Seit sechs Jahren gibt es "Inspire Chemnitz". Lokalisiert in einer früheren Haupteinkaufsstrasse, wird an diesem Ort Kirche ganz anders gelebt. Da kann man Abendmahl feiern an der Bar, einfach so, gemeinsam mit dem Pfarrer, wenn man dazu Lust hat. Da gibt es Whisky-Degustationen, musikalische Montagsevents und viele weitere Begegnungsmöglichkeiten. 

2014 gründete der methodistische Pfarrer Barry Sloan diese Stadtteilarbeit. Sie zeigt exemplarisch auf, wie Kirche heute auch sein kann. Irritation ist vorprogrammiert. Gottesdienste sucht man vergeblich. Eine geistliche Prägung ist nicht erkennbar. Das wesentlich Christliche geschieht in den vielen alltäglichen Begegnungen.

Aktuell sind die meisten Anlässe von Inspire Chemnitz wegen Corona ausgesetzt. In dieser Situation sind neue Modelle gefragt und sie werden gelebt, so dass Berührendes möglich bleibt.

Ein englischsprachiger, preisgekrönter Kurzfilm portraitiert die Menschen im Inspire Chemnitz. Hier kann der Film mit deutschen Untertiteln angeschaut werden: https://emk-schweiz.ch/2020/11/06/kurzfilm-ueber-methodistisches-projekt-mit-preis-ausgezeichnet/

Nebenbei: Barry Sloan ist in St. Gallen kein Unbekannter. Der deutschsprachige Ire nächtigte in der Methodistenkirche St. Gallen auf seinem Roadtrip entlang der Reiseroute des Heiligen Columbans. Da und dort steht sein Buch "Pilgern auf Irisch" in den Bücherregalen oder liegt noch immer auf den Nachttischen.


Voranzeige: Am Freitag wird die 3. Unterbrechung von Ernst Hug gesendet. Hier erfährst du schon jetzt, worum es dabei geht: https://youtu.be/oJhgYBhtD6U

Jörg Niederer ist Mitglied  im Ausschuss Kirche und Gesellschaft der EMK Schweiz-Frankreich-Nordafrika


Donnerstag, 28. Januar 2021

Sakral wohnen

Ein Gedanke

Die Hölzlikapelle Rothrist ist heute eine Wohnung
Foto © Jörg Niederer
"Wohnen wie Gott in Frankreich." Redensart, die ein sorgenfreies Leben beschwört.

Ein Bibelvers - Sacharja 8,3 (BasisBibel)

"So spricht der Herr: Ich wende mich dem Zion wieder zu und werde mitten in Jerusalem wohnen. Dann wird man Jerusalem die 'Stadt der Wahrheit' nennen. Und der Berg des Herrn Zebaot wird »Tempelberg« heißen."

Eine Anregung

Auf ebay ist gerade ein aussergewöhnliches Wohnobjekt zum Kauf ausgeschrieben. Mitten in Konstanz ist die Loftwohnung mit Baujahr 1200 und 687 m2 Wohnfläche gelegen. Aktuell ist sie in Schweizer Besitz. Es handelt sich um die Stiftskirche St. Johann. Dazu gehören das Kirchenschiff, die Sakristei, Nebenräume und ein Kellerraum. Als denkbare Nutzung kommt nebst einer fürstlichen Wohnung eine Markthalle, eine Kunstgalerie oder ein Hostel in Frage. Nicht mehr als Kirche genutzt wird die Liegenschaft seit dem 19. Jahrhundert. Wer also gerade mal 2,9 Millionen Euro flüssig hat, sollte jetzt zugreifen.

Auch einst methodistische Kirchen in der Schweiz sind heute Wohnraum. So etwa die einstige Kapelle der Evangelisch-methodistische Kirche Teufen, die heute von einer Architektenfamilie bewohnt wird.

Einblick erhält man auch in die einstige methodistische Lukas-Kapelle in Bern, in der heute zwei schöne Wohnung zu finden sind. 

Und auch die Kapelle, in der meine Frau mich geheiratet hat, die Hölzlikapelle in Rothrist, ist heute eine Loftwohnung.

Ist man dem Geistlichen näher, wenn man in einer Kirche wohnt? Ich hatte nicht den Eindruck an den vier Orten, an denen ich bisher in Kirchen zu Hause war.

Die Stiftskirche St. Johann hat, zugegebenermassen, eine gewisse mystische Ausstrahlung. Mache dir selbst ein Bild bei einem virtuell Besuch: https://lmy.de/s360

Und wer zugreifen will: Hier findet man das Inserat auf ebay.

Jörg Niederer ist Mitglied  im Ausschuss Kirche und Gesellschaft der EMK Schweiz-Frankreich-Nordafrika

Montag, 4. Januar 2021

Kirche als Gemischtwarenladen oder Kuriositätenkabinett

Ein Gedanke

In der Kirche Saint-Maurice in Lille
Foto © Jörg Niederer
"Die edelste Kunst ist, andere glücklich zu machen." Phineas Taylor Barnum (1810-1891)

Ein Bibelvers - Psalm 27,4

"Eines nur habe ich vom Herrn erbeten, dies eine begehre ich: zu wohnen im Hause des Herrn alle meine Tage, zu schauen die Freundlichkeit des Herrn und nachzusinnen in seinem Tempel."

Eine Anregung

Phineas Taylor Barnum war ein US-amerikanischer Zirkusgründer. Sein Kuriositätenkabinett betrieb er nach dem Grundsatz: "Da ist für jeden ein bisschen dabei".

Nach Barnum ist ein Effekt benannt, der durch die Psychologie bei Horoskopen und in der Graphologie beobachtet wird. Dabei werden Formulierungen und Beschreibungen so allgemein gehalten, dass sich fast jede Person in den Aussagen finden kann. Folglich wird ein Horoskop fast immer als auf die eigene Person zutreffend empfunden.

Von allem ein Bisschen gibt es in vielen Gottesdiensten verschiedenster Kirchen: Ein Gemischtwarenladen gefälliger Elemente. Ein bisschen Lobpreis, ein bisschen Prophetie, ein bisschen Gefühl, ein bisschen Humor, ein bisschen Philosophie, ein bisschen Mitwirkung, ein bisschen Zuspruch, ein bisschen Hokuspokus, ein bisschen Geschichte, ein bisschen Kunst, ein bisschen Pomp, ein bisschen Armut, ein bisschen Technik, ein bisschen Kerzenlicht, ein bisschen Tradition, ein bisschen Traditionsbruch, ein bisschen Wasser, ein bisschen Wein, ein bisschen Liturgie, ein bisschen freies Gebet, ein bisschen Talar, ein bisschen T-Shirt.

Laut Studien glauben nur gerade 2 Prozent der westlichen Bevölkerung mit Überzeugung an die Astrologie. Aber ein weitaus grösserer Teil der Menschen empfinden Horoskop-Texte als für sie zutreffend. Doch dazu müssen sie nicht zur Astrologin gehen. Ihnen reicht die Illustrierte.

Wie viele Menschen glauben so sehr an die Kraft von Gottesdiensten, dass sie diese unbedingt besuchen? Ich vermute, dass es auch nicht mehr sind als etwa 2 Prozent. Von den andern finden viele die Gottesdienste nicht schlecht, sind manchmal bei seltenen Besuchen auch ganz angetan davon. Aber weil darin von allem ein bisschen steckt, ist das Meiste davon für die Meisten nicht relevant. Der Gottesdienst wird auf die Dauer als langweilig empfunden. Es sei denn, man macht daraus ein Kuriositätenkabinett voller Wunder, eine religiöse Unterhaltungsshow.

Ich frage mich ernsthaft: Wie muss Kirche sein, so dass sie nicht wie der Zirkus von Barnum für alle ein bisschen bietet? Wie muss Kirche sein, dass sie den Leuten nicht nach dem Mund redet, und dennoch mit ihrer Botschaft den Nerv der Zeit trifft. Wie muss Kirche sein, damit sich die Botschaft von Jesus Christus durch kirchliche Form und Sprache nicht abnutzt und verblasst?

Jörg Niederer ist Mitglied  im Ausschuss Kirche und Gesellschaft der EMK Schweiz-Frankreich-Nordafrika

Sonntag, 8. November 2020

Würdevolles Miteinander

Ein Gedanke

Skulptur in der Kirche
Foto © Jörg Niederer
"MethodistInnen schützen die Würde der Menschen und übernehmen Verantwortung. Prävention ist ein wichtiges Anliegen, um Fälle von Missbrauch zu verhindern."

Ein Bibelvers - 2. Samuel 13,11

"Und sie (Tamar) reichte ihm zu essen, er (Amnon) aber ergriff sie und sagte zu ihr: Komm, schlaf mit mir, meine Schwester!"

Eine Anregung

Die Evangelisch-methodistische Kirche hat sich einen Verhaltenskodex gegeben. Darin wird festgelegt, welche Grundwerte im Zwischenmenschlichen massgeblich sind. Dieser Kodex ist überschrieben mit der Aussage: "Wir schützen die Würde des Menschen und übernehmen Verantwortung".

Mit acht weiteren Sätzen wird dies konkretisiert:

"Ich begegne meinen Mitmenschen offen und achte sie so, wie sie sind.
Ich setze mich dafür ein, dass sie dazugehören und sicher sind.
Ich will vertrauenswürdig sein.
Ich verwalte mir anvertraute Güter transparent.
Ich achte auf einen sorgfältigen Umgang in geistlichen Belangen.
Ich unterstütze meine Mitmenschen in ihrer eigenverantwortlichen Entwicklung.
Ich achte auf die körperliche und seelische Unversehrtheit.
Ich gehe verantwortungsvoll mit den von mir und meinen Mitmenschen bestimmten und angemessenen Grenzen um."

Auf der Webseite https://emk-schweiz.ch/action/praevention/ finden sich zusätzlich die folgenden vier Dokumente: Leitlinie "Mobbing"; Leitlinie "Sexueller Missbrauch"; Leitlinie "Geistlicher Missbrauch" und Leitlinie "Materieller Missbrauch". Bei Fragen zur Umsetzung des Verhaltenskodex kann man die Unterstützung von Fachleuten anfordern.


Zuletzt noch dies: Was ist gemeint, wenn Paulus in Römer 12,2 schreibt: "Passt euch nicht den Maßstäben dieser Welt an"? Und wie sieht ein solches Leben aus. Warum macht es Sinn, unangepasst zu leben? Heute um 10.30 Uhr gehe ich diesen Fragen in einer live übertragenen Predigt nach: https://youtu.be/bpmpYneosA8

Jörg Niederer ist Mitglied  im Ausschuss Kirche und Gesellschaft der EMK Schweiz-Frankreich-Nordafrika

Donnerstag, 1. Oktober 2020

Die Kirche und die Tiere

Ein Gedanke

Leopardgecko Obelix
Foto © Jörg Niederer
"Wir Menschen stehen heute vor der grundlegenden Herausforderung, das Zusammenleben mit den Tieren zu überdenken und uns einen lebensfreundlicheren und gerechteren Umgang mit ihnen anzueignen." Eveline Schneider Kayasseh

Ein Bibelvers - Römer 8,19+22

"Denn in sehnsüchtigem Verlangen wartet die Schöpfung auf das Offenbarwerden der Söhne und Töchter Gottes... Denn wir wissen, dass die ganze Schöpfung seufzt und in Wehen liegt, bis zum heutigen Tag."

Eine Anregung

Über 20 Jahre alt wurde unser Leopardgecko Obelix. Kurz nach dem Foto musste er von seiner Altersschwäche erlöst werden.

Am Gedenktag des Heiligen Franz von Assisi, dem Welttierschutztag, lanciert der Ökumenische Arbeitskreis Kirche und Tier (AKUT) die Initiative "Tierfreundliche Kirche". Am 4. Oktober um 10.15 Uhr treten die Initianten in der Katholischen Kirche Romanshorn an die Öffentlichkeit.

Mit einer Selbstverpflichtung kann man sich als kirchliche Institution für die Würde der Kühe, Vögel und Bienen einsetzten.

Im Kurzportrait steht dazu:

"Jede kirchliche Institution, welche bei der Initiative 'Tierfreundliche Kirche' mitmacht, ist Vorbild. Sie berücksichtigt im Denken und Handeln im Alltag folgende fünf Grundsätze zum Thema Tierfreundlichkeit:

1. Mitgeschöpfliche Würde von Tieren achten

2. Tierfreundlich beschaffen und konsumieren

3. Lebensräume für Tiere schaffen und schützen

4. Tieren im kirchlichen Leben und Denken Raum geben

5. Unterstützen von Organisationen mit tierethischem Fokus

Der Beitritt zur Initiative 'Tierfreundliche Kirche' geschieht über eine Selbstdeklaration. Die teilnehmende kirchliche Institution verpflichtet sich, einen Prozess in Gang zu setzen, bei dem kontinuierlich Umsetzungsmassnahmen für die Grundsätze getroffen werden."

Die Geschäftsleiterin Eveline Schneider Kayasseh nennt beispielhaft folgende Umsetzungsmassnahmen: Lebensräume schaffen auf dem kirchlichen Grundstück (Nistkästen, Bienenhotels, Schmetterlings- und Insektenweiden), vegetarische Angebote ausbauen, Tiere im kirchlichen Leben thematisieren oder sichtbar machen (Tiersegnungen etc.).

John Wesley, Gründerperson des Methodismus im 18. Jahrhundert in England hat sich stehts auch für den anständigen Umgang mit Tieren eingesetzt. So erwartete er von den methodistischen Predigern, dass sie ihre Reit- und Kutschenpferde gut pflegen und behandeln.

Folglich finde ich die "Tierfreundliche Kirche" eine unterstützenswerte Sache. Mehr kann man hier erfahren: https://www.tierfreundlichekirche.ch/


Jörg Niederer ist Mitglied  im Ausschuss Kirche und Gesellschaft der EMK Schweiz-Frankreich-Nordafrika

Freitag, 18. September 2020

Maria im Gefängnis und St. Jakob auf dem Schafott

Ein Gedanke

Deckengemälde in der Kapelle Sankt Jakob in Tavers
Foto © Jörg Niederer
"Die Jugend ist ein Rosenkranz, das Alter ist ein Dornenkranz." Talmud

Ein Bibelvers - Apostelgeschichte 7,57+58

"Sie aber überschrien Stephanus, hielten sich die Ohren zu und stürzten sich vereint auf ihn. Sie stiessen ihn aus der Stadt hinaus und steinigten ihn."

Eine Anregung

Mir scheint, katholische Kirchen wollen keine Wohlfühloasen sein. Nebst viel Schönem wird in den Sakralräumen auch Gewalt explizit dargestellt. So lässt sich an der Decke in der Kapelle Sankt Jakob in Tavers die Enthauptung des heiligen Jakobus betrachten. Weiter ist die Erhängung eines Pilgers abgebildet. 

Natürlich steckt auch viel Gewalt in den Bildern des Kreuzwegs, und wo das Jüngste Gericht ersichtlich ist, finden sich da auch Teufel, Dämonen und Folterszenen.

Religion ist keine Flucht in eine heile Welt. Das ganze Leben findet in der Kirche einen Widerhall.

Jedoch gehen Gewaltdarstellungen am eigentlichen christlichen Zeugnis vorbei, wenn sie die Gläubigen in Furcht und Abhängigkeit von der Kirche führen wollen.

Zum Schluss ein Erlebnis. Wir diskutierten über Maria und ihre Bedeutung in den verschiedenen kirchlichen Traditionen. Eine Teilnehmerin ist via Videokonferenz von zu Hause zugeschaltet. Im Hintergrund spielen ihre Kinder. Doch offensichtlich hören sie auch aufmerksam beim Gespräch der Erwachsenen zu, und als die Rede auf "Maria Empfängnis" zu sprechen kommt, hört man plötzlich eines der Kinder die Mutter fragen: "Worom esch d'Maria em Pfängnis?" (Warum ist Maria im Gefängnis?).

Auch eine Maria im Gefängnis ist eine denkbare christliche Vorstellung.


Samstag, 5. September 2020

Floskeln hüben (Büro) und drüben (Kirche)

Ein Gedanke
Büro und Fertigungshalle Sky Frame Frauenfeld
Foto © Jörg Niederer
"Humor ist, wenn man trotzdem lacht." Otto Julius Bierbaum (1865-1910)

Ein Bibelvers - Matthäus 16,2+3
Jesus: "Am Abend sagt ihr: Das Wetter wird schön, denn der Himmel ist rot. Und am Morgen: Heute wird es regnen, denn der Himmel ist rot und trüb. Das Aussehen des Himmels wisst ihr zu deuten, die Zeichen der Zeit aber versteht ihr nicht."

Eine Anregung
Auf Twitter sammelte ein Urs Brönimann lustige Bürofloskeln. Da kam einiges zusammen. Ein paar Beispiele:

- Überleg es dir in aller Ruhe, aber ich wäre froh um eine möglichst schnelle Antwort.
- Sende mir einen Termin.
- Betrachte es als Herausforderung.
- Lass dir Zeit, es hat keine Priorität. Aber ich brauche es heute Nachmittag.
- Meine Tür ist immer offen.
- Ich versuche mich kurz zu fassen. (Danach folgt immer die längste Rede aller Zeiten.)
- Am Telefon. Was raussuchen und dann fragen: „Sind Sie noch da?“
- Ich habe einen Spezialauftrag für dich.
- Ich werde mich zeitnah darum kümmern. 
- Ich bin nicht zuständig.
- Wer schreibt das Protokoll? (Langes Schweigen.)
- Ich muss mal aufräumen.

Und wie ist es mit Floskeln in der Kirche? Eine, die mich immer verzweifeln lässt, ist diese: "Du musst halt nur recht glauben!" Gewöhnungsbedürftig finde ich auch die Anglizismen in der Kirchenkultur: "Bei uns in der Church"; "Lasst uns worshipen!"
Bei der Aussage: "Das wird schon gut" denken ich immer: Wenn das nur gut kommt! Und wenn eine predigende Person sagt: "Ich komme zum Schluss!" dann ist oft noch Zeit für einen Kirchenbankschlaf.

Sonntag, 30. August 2020

In die Kirche, der Wärme wegen

Ein Gedanke
Armut in der reichen Stadt Zürich
Foto © Jörg Niederer
"Der Regen trieb uns in die Kirche - unsere Zuflucht, unsere Kraft, unser einziges trockenes Haus. ... Limerick war für seine Frömmigkeit berühmt, aber wir wussten, es war nur der Regen." 
Aus Frank McCourt: Die Asche meiner Mutter

Ein Bibelvers - Sprüche 14,31
"Wer einen Geringen unterdrückt, schmäht seinen Schöpfer, aber wer Erbarmen hat mit einem Armen, ehrt ihn."

Eine Anregung
"Mr. Quinlivan (ein Mitarbeiter vom katholischen Hilfswerk "Gesellschaft des Hl. Vincent de Paul") tritt auf Nora zu und zeigt mit dem Finger auf sie. Wisst ihr, was wir hier haben? Wir haben eine Suppenseele in unserer Mitte, Die Suppenseelen hatten wir schon während der Grossen Kartoffelhungersnot. Die Protestanten sind herumgegangen und haben guten Katholiken erzählt, wenn sie ihren Glauben aufgeben und Protestanten werden, bekommen sie mehr Suppe als in ihre Mägen passt, und, Gott helfe uns, einige wenige Katholiken nahmen die Suppe an, verloren ihre unsterbliche Seele und sind seitdem und immerdar als Suppenseelen bekannt. Und Sie, wenn Sie zu den Quäkern gehen, werden Sie Ihre unsterbliche Seele verlieren und die Seelen Ihrer Kinder gleich noch obendrein.
Dann Mr. Quinlivan, werden Sie uns retten müssen, stimmt's?" 
Aus Frank McCourt: Die Asche meiner Mutter

Mit welcher Motivation ein Mensch in die Kirche geht, kann sehr unterschiedlich sein. In Frank McCourts autobiographischem Roman sind es die von Armut geprägten Lebensumstände. Den feuchten, dunklen Wohnräumen entflieht man für ein, zwei Stunden in die trockene, warme Kirche. Auch für Suppe und Seife ist man bereit, der Kirche die Aufwartung zu machen. Nora, eine der Bedürftigen, spielt dabei geschickt die Konfessionen gegeneinander aus, um mehr Unterstützung von  katholischer Seite zu erhalten. Überleben ist halt manchmal wichtiger als "Ewigleben".
Heutzutage lohnt es sich auch, über vorgeschobene Gründe nachzudenken, mit denen man der Kirche den Rücken gesichtswahrend zuwenden kann. Ist es die antiquierte Sprache? Sind es die traurigen alten Lieder? Ist es der Papst? Missbrauchsfälle? Langweilige Predigen? Sexualmoral?
Also ich gehe trotzdem weiter in die Kirche. Und das nicht nur, weil ich als Pfarrer "muss". Und ja, bei uns ist es auch warm und trocken im Kirchenraum. Sogar im Winter.

Heute Sonntag um 10.30 Uhr wird die Predigt aus der Evangelisch-methodistischen Kirche St. Gallen per Youtube übertragen. Darin geht es um den Glauben: 
Vorbildlicher Glaube zeigt sich gelegentlich auf unerwartete Weise. Aber Vorurteile können hinderlich sein, um das Gute zu erkennen. Es gilt, Grenzen zu überwinden. Mehr unter  https://youtu.be/1Z4Z1CvkkTk


Dienstag, 25. August 2020

Über Sex spricht man! Auch in der Kirche?

Ein Gedanke
Der Kuss in der Kirche Schönenwerd
Foto © Jörg Niederer
"Und wir Kirchen müssen lernen mitzureden, statt zu tabuisieren und zu stigmatisieren. Wenn unsere Jugendlichen und Erwachsenen bei uns nicht über Sexualität, Lust und Sehnsucht sprechen können, dann werden sie wie so viele Generationen vor ihnen lernen, dass über gewisse Themen in der Kirche halt einfach nicht gesprochen wird, da sie zu obszön, zu unheilig, zu natürlich sind." Sarah Bach

Ein Bibelvers - Hohelied 2,6+7
"Seine Linke liegt unter meinem Haupt, und seine Rechte umarmt mich. Ich beschwöre euch, ihr Töchter Jerusalems, bei den Gazellen oder bei den Hinden des Feldes: Weckt nicht, stört nicht die Liebe, solange die Lust währt."

Eine Anregung
Sexualität ist gerade wieder ein grosses Thema. Das liegt an verschiedenen vieldiskutierten Büchern und Filmen.
Besonders die Sexualität von Frauen wird breit thematisiert. Da ist der Film "Female Pleasure" von 2018, in dem fünf Frauen aus verschiedenen Kulturen portraitiert werden. Es geht darin um Genitalverstümmelung, die Vulva, die Unterdrückung der Frau in der chassidischen Gesellschaft, öffentliche Gespräche über Sexualität in Indien und um eine mehrfach vergewaltigte ehemalige Nonne. Zentral sind im Film der Kampf um die Befreiung der Weiblichen Sexualität, aber auch das negative Bild von Sexualität, welches in den Religionen allgegenwärtig ist. (Hier gibt es den Trailer: https://youtu.be/GbvNV1wWhUs)
Aline Wüst ihrerseits hat im Buch "Piff, Paff, Puff. Prostitution in der Schweiz" die Ergebnisse ihrer über zwei Jahre hinweg geführten Interviews mit Sexarbeiterinnen und deren Freiern sowie Fachleuten dokumentiert. Dabei räumt sie mit dem Mythos der selbstbestimmten, glücklichen Prostituierten auf. Nach den Interviews in den Bordellen habe die Autorin oft geweint.
Heute Dienstag demonstrieren die Jusos vor dem St. Galler Stadtparlament für die Gratisabgabe von Menstruationsartikel. Anders als z.B. Kaviar und Viagra sind Tampos und Binden in der Schweiz keine Güter des täglichen Bedarfs.
Und die Sonntagszeitung vom 23. August geht in einem zweiseitigen Artikel der Darstellung der weiblichen Genitalien in Anatomiebüchern nach. Das Fazit: Bis heute sei die Abbildung oft vage, und falsch.
Auch die methodistische Pfarrerin Sarah Bach macht sich Gedanken über die weibliche Lust und die Sexualität überhaupt. In einem sehr lesenswerten Blog plädiert sie für eine "schambefreite Kirche". Kirche müsse bei der Sexualität mitreden. Sarah Bach: "Aber wie kann ein solches 'Mitreden' aussehen? Können wir Kirchen wirklich etwas zur Diskussion um (weibliche) Sexualität beitragen? Oder sollten wir unsere Gläubigen nicht besser woanders hinschicken dafür, das Thema abdelegieren?" Eine Antwort darauf findet sie in der Heilungsgeschichte von der blutflüssigen Frau in Markus 5,25-34. Mehr unter https://sowhattheo.com/2020/08/22/die-schambefreite-kirche/?fbclid=IwAR1iRnizb3TpbG_UXH1pz77EX1F0o7_mmyQYkdO3E4ZXgXNH8iTyxF0QvtE

Sonntag, 19. Juli 2020

Déformation professionnelle

Ein Gedanke
Chur oder Church?
Foto © Jörg Niederer
"Ich habe es satt, wenn Leute, die beim Rugby-Spiel schreien, / dann in der Kirche ganz ruhig bleiben, während ich den Namen Jesu preise. / Nun, wenn du so empfindest wie ich, warum stehst du dann nicht auf? / Lass zu dass der Geist dich von Kopf bis Fuss in Bewegung setzt." (Aus John Bracks Country-Hit: "Let‘s have Church…" Übersetzung Jörg Niederer)

Ein Bibelvers - Apostelgeschichte 2,42
"Sie aber hielten fest an der Lehre der Apostel und an der Gemeinschaft, am Brechen des Brotes und am Gebet."

Eine Anregung
"Déformation professionnelle" ist laut Wikipedia "ein Wortspiel, das die Neigung bezeichnet, eine berufs- oder fachbedingte Methode oder Perspektive unbewusst über ihren Geltungsbereich hinaus anzuwenden."
Genau das ist mir in Chur am Bahnhof in meiner Funktion als Pfarrer passiert. Ich lass zuerst einmal "CHURCH" und realisierte erst auf den zweiten Blick, dass die Bündner Metropole nicht etwa Werbung für den Kirchgang macht, sondern ganz banal für sich selbst.
Heute ist Sonntag, der Tag, an dem einige in die Kirche gehen. Leider kann "Let's have Church" von John Brack nicht kostenlos im Web angehört werden. Darum ein anderes Stück als Einstimmung für den Kirchgang: John Brack & Jeff Turner - "I saw the Light" - https://youtu.be/WO9HNzfNloQ

Und darum geht es heute um 10.15 Uhr an der Kapellenstrasse 6 in der Evangelisch-methodistischen Kirche St. Gallen oder dann ab 10.30 Uhr per Livestream unter https://youtu.be/aoXPeF4DDQY:
Was ist in deinem Leben am Wichtigsten? Wie sind bei dir die Prioritäten gesetzt?
Auch bei Jesus gab es Wichtigeres und weniger Wichtiges. Darüber denken wir nach anhand einer Bibelstelle aus Markus 1,32-39.

Mittwoch, 4. April 2018

Eigenbrötler in der Kirche

Eigenbrötler in der Kirche
Eigenbrötler darf es in der heutigen Zeit nicht geben. Zusammenarbeit ist in der Arbeitswelt zwingend. Teamfähigkeit macht sich in jedem Bewerbungsschreiben gut.
Aber es gibt sie noch, die einsamen Wölfe im sozialen Geflimmer der realen Zivilisation. Der Störgärtner, der sich allein über Blumenrabatten beugt. Der Bäcker in der nächtlichen Backstube. Die Putzfrau in den menschenleeren Büros.
Wieviel Platz ist in den Kirchen für die, die am liebsten für sich selbst sind? Ich habe die Unbeholfenheit der Gemeinden mit den Unverheirateten, den Ruhigen, den Unauffälligen erlebt. Im erträglichen Fall waren die "Alleinstehenden" unsichtbar. Oft aber misstraute man ihnen. "Mit dem stimmt doch etwas nicht. Warum findet er keine Frau, sie keinen Mann?"
Allein leben wollen, das ist unverständlich für Menschen, die nicht allein leben können, die andere brauchen, damit es ihnen gut geht.
Meine Fragen dazu: Haben Eigenbrötler Platz in unseren Gemeinden? Und was unterscheidet diese Einzelgänger von Solochristen? Und sind die Gemeinschaftschristen vielleicht eher an der Gemeinschaft als an Christus interessiert?



Montag, 1. Februar 2016

E. Stanley Jones Vision der Kirche

E. Stanley JonesIm Alter von 84 Jahren schrieb E. Stanley Jones ein kleines Buch in dem er eine Vision für die Kirche basierend auf dem, was er während seines Lebens erfuhr beschrieb. Er fasste es in sechs Punkten zusammen die für uns heute immer noch von Bedeutung sind.

  • Der Fokus der Kirche ist das Reich Gottes – wir schulden nur Gottes Herrschaft Treue – und müssen alle anderen Loyalitäten umformen.
  • Der Mittelpunkt der Kirche ist Jesus Christus, welcher Gottes Herrschaft verkörpert während er das Persönliche und das Soziale vereint.
  • Die Kirche verkündet die neue Geburt – Nur durch eine radikale innere Veränderung kann ein Mensch die Werte von Gottes Herrschaft leben.
  • The Kirche ist abhängig von der Macht des Heiligen Geistes, der Kirche zu ermöglichen, nicht nur Gottes Herrschaft zu verkörpern aber auch Veränderung in die Welt zu bringen.
  • Die Kirche ist eine Gemeinschaft der Liebe in der Menschen gemeinsam lernen, was es heisst, Gottes Herrschaft zu verkörpern.
  • Das Herrliche an der Kirche ist, das sie allen dient, ohne Rücksicht auf Nationalität, Kultur, Religion oder gesellschaftlichen Status.


Erschienen in "Kirche und Welt", 2/2016