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Montag, 29. März 2021

Die vorübergehende staatliche Anerkennung der Methodistenkirche

Ein Gedanke

Lena Stähelin, vielleicht die erste St. Galler Methodistin. Eintrag der Mitglieder im ersten Kirchenbuch der Bischöflichen Methodistenkirche.
Foto © Jörg Niederer
Da Wort des Tages: "Kopulationsbewilligung". Im 19. Jahrhundert die durch Schweizer Kantone ausgestellte staatliche Erlaubnis zu heiraten.

Ein Bibelvers - 1. Mose 25,20

"Als Isaak 40 Jahre alt war, heiratete er Rebekka, die Tochter des Aramäers Betuel aus Mesopotamien. Sie war die Schwester des Aramäers Laban."

Eine Anregung

Am 25. März 2021 jährte sich der Beginn der kirchlichen Arbeit der Bischöflichen Methodistenkirche in St. Gallen und der Ostschweiz zum hundertsechzigsten Mal. Zum 100. Jubiläum schrieb das damalige Gemeindeglied Bangerter am 25.03.1961:

"Am 3. und 4. Juni 1872 befasste sich der Grosse Rat mit der Vorlage. Ein Antrag auf Nichteintreten wurde abgelehnt, dagegen wurde beschlossen, eine spezielle Kommission zur gründlichen Vorbereitung einzusetzen. Diese Kommission wurde vom Ratsbüro wie folgt bestellt: Bislin, alt Landammann, St. Gallen; Seifert, Regierungsrat, St. Gallen (früher Pfarrer in Ebnat); Ruggle, Pfarrer Gossau; Pfändler, Regierungsrat, Flawil (vorher Kantonsrichter); Dr. Jung, Bezirksammann in Wil. Die Kommission prüfte eingehend alle aufgeworfenen Fragen...

Eine Minderheit der Kommission beantragte zwar nach wie vor Ablehnung des regierungsrätlichen  Antrages auf Anerkennung der Methodistenkirche. Für die Mehrheit richtete aber alt Landammann Bislin einen eingehend begründeten ausführlichen Bericht an den Grossen Rat... Er stellte darin u. a. fest, dass eine eingehende Prüfung der Moral-Lehre der Methodisten, die unter dem Titel 'Allgemeine Regeln' zusammengestellt ist, ergibt, dass diese Lehren ganz auf dem christlichen Boden der Gottes- und Nächstenliebe beruhen.

Am 24. November 1873 trat der Grosse Rat unter dem Vorsitz von Ständerat Dr. Hoffmann erneut auf die Beratung ein. Die Artikel 4 und 5 des regierungsrätlichen Antrages in Bezug auf das Friedhofwesen fielen dahin, da dieses nun Sache der politischen Gemeinden war. Die andern drei Artikel und damit der ganze Beschluss über die Anerkennung der Methodistenkirche wurden mit 92 gegen 16 Stimmen bei 131 Anwesenden angenommen...

St. Gallen ist wohl der einzige Kanton, in dem durch einen Beschluss des Grossen Rates die Anerkennung der Methodistenkirche ausgesprochen wurde. Damit konnten die Prediger nicht nur das Evangelium frei verkünden, sie konnten auch taufen, wobei die politischen Gemeinden verpflichtet waren, auf Grund der Taufbescheinigung des Predigers den Eintrag ins Geburtsregister vorzunehmen, die gleiche Regelung, wie sie für die Angehörigen der jüdischen Konfession bereits vorgesehen war. Nach den gleichen Bestimmungen hatte auch die Eheverkündigung zu erfolgen, d. h. an Stelle der Verkündigung von der Kanzel hatte das Gemeindeammannamt die Publikation im Kantonsamtsblatt und in einer Lokalzeitung zu veranlassen. Bei der Kantonskanzlei ist eine 'Kopulationsbewilligung' einzuholen. Dann hat der Eheschluss durch eine zuständige Amtsperson zu erfolgen. Der Regierungsrat stellte aber gleichzeitig fest, dass im Kanton St. Gallen nur die Geistlichen der beiden Landeskirchen für den Eheschluss zuständige Amtspersonen seien. Wollte nun ein Ehepaar aus irgend einem Grund sich nicht vom Pfarrer der Landeskirche trauen lassen, so gab es nur einen Ausweg, den ebenfalls- der Regierungsrat wies: Der Kt. Thurgau kannte bereits die Zivilehe. Dort konnte auch ein St. Galler mit regierungsrätlicher 'Kopulationsbewilligung' seine Ehe vor dem bürgerlichen Zivilstandsbeamten schliessen. Nachher stand der kirchlichen Einsegnung durch den Methodistenprediger im Kanton St. Gallen nichts mehr im Wege.

Am 19. April 1874 stimmte das Schweizervolk der neuen Bundesverfassung zu. Diese brachte für die ganze Schweiz die Übertragung des Zivilstandswesens an die politischen Gemeinden, bzw. an den Staat. Ebenso wurde die Niederlassungsfreiheit, wie die Glaubens- und Gewissensfreiheit, noch stärker verankert. Damit fielen auch im Kanton St. Gallen die bisherigen Schranken und Schwierigkeiten für die Entwicklung einer Freikirche weg."

Jörg Niederer ist Mitglied im Ausschuss Kirche und Gesellschaft der EMK Schweiz-Frankreich-Nordafrika

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