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Donnerstag, 4. März 2021

Vom Können in Zeiten von Corona

Ein Gedanke

Restaurantauslage in der Coronapause
Foto © Jörg Niederer
"Wir können Corona." Bundesgesundheitsminister Alain Berset

Ein Bibelvers - Philipper 2,13

"Denn Gott bringt euch dazu, dass ihr nicht nur so handeln wollt, wie es ihm gefällt. Er sorgt vielmehr dafür, dass ihr es auch könnt!"

Eine Anregung

Was können wir? Seit einiger Zeit lese ich immer öfter Sätze wie die folgenden: Wir können Immobilien. Wir können Politik. Wir können Cupcake. Wir können Alpinismus. Wir können Kirche. Wir können Kultur. Wir können Internet. All diese Sätze sind beeinflusst von einer Aussage von Bundesgesundheitsminister Alain Berset, die er am 20. Mai 2020 geäussert hatte. Vor der sommerlichen ruhigen Infektionsphase sagte er: "Wir können Corona."

Grammatikalisch scheint an diesem Satz etwas nicht zu stimmen. Und noch auf andere Art stimmt daran etwa nicht.

Doch zuerst zur Grammatik. "Können" ist ein Modalverb. Es benötigt normalerweise ein weiteres Verb im Infinitiv. Also z.B. "Wir können Deutsch sprechen". Doch es gibt Ausnahmen in der Umgangssprache. Wenn das Vollverb als selbstverständlich vorausgesetzt werden kann, wird es oft weggelassen. So stimmt auch der Satz: "Wir können Deutsch"

Was aber ist umgangssprachlich selbstverständlich? Der Satz: "Wir können Corona" ist zumindest grammatikalisch grenzwertig aber möglich. So lässt sich ein passendes Vollverb anfügen: "Wir können Corona besiegen / kontrollieren / eindämmen...". Herr Berset ist sprachlich also entschuldigt. 

Fragt sich, ob wir auch wirklich Corona "können"? Dazu ein kleines, trauriges Rechenbeispiel: Seit einem Jahr sind in der Schweiz 9310 Menschen an Corona verstorben. Wenn wir davon ausgehen, dass ein Viertel dieser Menschen wohl auch ohne das Virus in diesem Jahr gestorben wären, bedeutet das immer noch, dass in dieser Zeit soviel Menschen zusätzlich verstorben sind, wie wenn 32 vollbesetzte Mittelstreckenflugzeuge des Typs Boeing 737 mit je 214 Menschen an Board über der Schweiz abgestürzten wären.

Angesichts dieser Zahlen müssen wir zugestehen: Corona hat uns kalt erwischt. Bis heute können wir Corona nicht. Corona bestimmt unsern Alltag. Da ist nichts von Normalität. Da ist immer noch Angst und grosse Verunsicherung.

Bundespräsident Guy Parmelin hat für den Freitag, 5. März 2021, dem Jahrestag des ersten an Covid-19 Erkrankten in der Schweiz dazu eingeladen, eine Gedenkminute einzuhalten und die Kirchenglocken 9 Minuten lang läuten zu lassen. Ich lade euch ein, dabei mitzumachen. Zu viele Menschen haben liebe Angehörige verloren, leiden unter den Folgen einer Erkrankung oder unter den Folgen der Schutzmassnahmen. Auch wenn wir Corona nicht können - beten und trösten und mitfühlen und beistehen, das können wir.

11.59 Uhr: Schweige- und Gebetsminute
12.01 Uhr: Glockengeläut während 9 Minuten* (Trauer- oder Vollgeläut)“

Jörg Niederer ist Mitglied im Ausschuss Kirche und Gesellschaft der EMK Schweiz-Frankreich-Nordafrika

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