[Hören Sie dazu auch die Diskussionssendung im Radio Live Channel mit Jörg Niederer, Mitglied im Ausschuss Kirche + Gesellschaft]
Wer das Argumentarium zum Referendum gegen die Erweiterung der Rassismus-Strafnorm liest kann leicht den Eindruck bekommen, die Argumente wären nachvollziehbar. Das gilt, so lange die Lesende die Grundannahmen akzeptiert:
- Menschen, die anders als heterosexuell empfinden, hätten keine Probleme in der schweizerischen Gesellschaft. (Die Stellungnahme aus der LGBTQ Gemeinschaft, https://jazumschutz.ch/ zeigt ein deutlich anderes Bild!)
- Jede Form von Intoleranz sei in der schweizerischen Gesellschaft sowieso schon unzulässig.
- «Diskriminierung» sei eigentlich im Allgemeinen gar nichts anderes als «unterscheiden» und meine nicht eine Benachteiligung oder Herabsetzung von Menschengruppen.
Wer diese Grundannahmen nicht oder nur teilweise teilt, wird das gesamte Argumentarium in Frage stellen.
Einklagbar?
Soll man Hass und Diskriminierung einklagbar machen? Dagegen kann man als Christ kaum etwas haben, im Gegenteil, dafür müssen wir uns einsetzen.
Nur: bei der Handhabung des entsprechenden Gesetzesartikels und bei der juristischen Interpretation und Urteilsfindung besteht immer ein Spielraum. Und hier setzen Ängste ein: Wie steht es mit der Meinungsäusserungsfreiheit, wenn jemand sich kritisch zu Formen gelebter Sexualität äussert?
Abwägen!
Ist diese Angst gerechtfertigt? Wir meinen: Nein. Auch wer eine kritische Haltung zu homosexueller Praxis einnimmt, kann dies unter Artikel 261bis StGB weiterhin in respektvoller Weise äussern.
Als Christ und Stimmbürger müssen wir abwägen, was schwerer wiegt: eine in Einzelfällen mögliche übertriebene Einschränkung der Meinungsäusserungsfreiheit oder die grundsätzliche Anerkennung und Wahrung der Integrität und des Schutzes der Persönlichkeit unserer Mitmenschen. Uns scheint die Integrität und der Schutz der Persönlichkeit unserer Mitmenschen ein höheres Gut zu sein. Aus diesem Grund lehnen wir das Referendum ab.
Anhang 1: Der neue Wortlaut der Rassismus-Strafnorm
Im Strafgesetzbuch, Art. 261bis (Diskriminierung und Aufruf zu Hass), sowie im Militärstrafgesetz, Art. 171c Abs. 1 (Diskriminierung und Aufruf zu Hass) wird die folgende Veränderung eingeführt:
Wer öffentlich gegen eine Person oder eine Gruppe von Personen wegen ihrer Rasse, Ethnie, Religion oder sexuellen Orientierung zu Hass oder zu Diskriminierung aufruft,
wer öffentlich Ideologien verbreitet, die auf die systematische Herabsetzung oder Verleumdung dieser Personen oder Personengruppen gerichtet sind,
wer mit dem gleichen Ziel Propagandaaktionen organisiert, fördert oder daran teilnimmt,
wer öffentlich durch Wort, Schrift, Bild, Gebärden, Tätlichkeiten oder in anderer Weise eine Person oder eine Gruppe von Personen wegen ihrer Rasse, Ethnie, Religion oder sexuellen Orientierung in einer gegen die Menschenwürde verstossenden Weise herabsetzt oder diskriminiert oder aus einem dieser Gründe Völkermord oder andere Verbrechen gegen die Menschlichkeit leugnet, gröblich verharmlost oder zu rechtfertigen sucht,
wer eine von ihm angebotene Leistung, die für die Allgemeinheit bestimmt ist, einer Person oder einer Gruppe von Personen wegen ihrer Rasse, Ethnie, Religion oder sexuellen Orientierung verweigert,
wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe bestraft.
Anhang 2: Gutachten der Schweizerischen Evangelischen Allianz
Die Schweizerische Evangelische Allianz SEA liess zur Revision des Artikels 261 bis StGB ein juristisches Gutachten erstellen.
(http://www.each.ch/wp-content/uploads/2019/03/190322_Rassismus-Strafnorm-Gutachten.pdf)
Daraus geht hervor, dass die Segnung einer Heirat (für alle) nicht unter den Begriff «Leistung, die für die Öffentlichkeit gedacht ist» fallen würde. Eine aus Glaubens- und Gewissensgründen abgelehnte Trauung wäre demzufolge nicht einklagbar.
Weiter fragt die Allianz, ob eine «in der Verkündigung … geäusserte kritische Einschätzung zu Homosexualität oder Bisexualität» noch weiterhin geäussert werden dürfte. Auch wenn das Gutachten sich hierzu eher skeptisch äussert, wird doch die Einschätzung des Juristen und Nationalrats Daniel Jositsch wiedergegeben, dass die auf den Aufruf zu Hass aufgrund der Rasse bisher anwendbare Rechtsprechung sehr restriktiv ist: Nur öffentliche Äusserungen sind strafbar, das Strafgesetz ist nur auf Äusserungen anwendbar, die derart schwer wiegen, dass sie den Kern der Menschenwürde berühren.
Zur Frage, ob «christliche Organisationen Personen auf Grund ihrer sexuellen Orientierung von bestimmten Ämtern ausschliessen dürfen», wird zweierlei festgehalten: «Die anwendbaren Rechtsbestimmungen sind verschieden, je nachdem ob man vom Ausschluss von einem kirchlichen Dienst oder von einem Dienst im Rahmen eines Arbeitsvertrages spricht.» Vor einer Anstellung könnten vereinsrechtliche Statuten einer Kirche die Zustimmung zu einem bestimmten Verständnis von Ehe und Familie vorsehen. Bei einer bestehenden Anstellung würde hingegen das Arbeitsrecht eine Kündigung aufgrund einer homosexuellen Orientierung verbieten.
Obwohl das Rechtsgutachten also die grossen Befürchtungen von «Nein zum Zensurgesetz» damit sehr relativiert, unterstützt die SEA weiterhin diese Kampagne gegen die Gesetzesreform.
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