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Dienstag, 18. September 2018

Wirtschaften nach dem Schalom Gottes (Teil 6)

Der Ausschuss Kirche und Gesellschaft der Evangelisch-methodistischen Kirche (EMK) Schweiz-Frankreich-Nordafrika kommentiert an dieser Stelle in mehreren Blogbeiträgen den Entwurf der vollständig neu überarbeiteten Sozialen Grundsätze. Siehe http://www.umcjustice.org/sp2020!

Die nachfolgenden Bemerkungen von Markus Nagel beziehen sich auf den
Abschnitt «The Economic Community» (Die wirtschaftliche Gemeinschaft).


Armut und Reichtum
Wenn ChristInnen Stellung beziehen in Fragen nach dem guten wirtschaftlichen Handeln, zur Frage nach dem Reichtum und der Arbeit, gibt es und gab es sehr verschiedene Meinungen. 
Hier einige kurze Streiflichter:
Die protestantische Erwerbsethik von Max Weber, dem bekannten Ökonomen am Anfang des 19. Jahrhunderts, berief sich auf den Reformator Johannes Calvin, für den Protestantismus und Kapitalismus dasselbe war: Nur der Erwählte ist beruflich erfolgreich und kann durch harte Arbeit Gottes Ruhm vermehren. Gelungene Arbeit galt als ein Zeichen für Gnadensgewissheit, wonach der religiöse Mensch sein Leben lang strebt. 

Diese Grundüberzeugung nahmen die evangelikalen Christen aus den USA und Nordeuropa in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts auf und machten daraus ihr «Wohlstandsevangelium». In einem Satz gesagt bedeutet das: «Gott will deinen Wohlstand und dein körperliches und seelisches Wohlbefinden».  

Im 20. Jahrhundert breitete sich in vielen Teilen der Welt grosse Armut aus. Den vielen Armen im Globalen Süden stand eine kleine Minderheit gebildeter Schicht der Reichen und Etablierten gegenüber. Aus den Reihen der Kirchen, vornehmlich der katholischen Kirche erwuchs Widerstand. Die Option für die Armen, als wichtiges Thema wurde laut, es kam vereinzelt sogar zu kriegerischen Auseinandersetzungen. 

Innerhalb der protestantischen Kirche entstand, ausgehend von Protesten zum Vietnamkrieg und zur Apartheid in den USA, eine Theologie, die sich für den Ausgleich zwischen Arm und Reich einsetzte. Von Seiten der verfassten Kirchlichkeit musste sich diese Theologische Richtung immer wieder den Marxismus-Vorwurf gefallen lassen, bis heute. 

Die Evangelisch-methodistischen Kirche (EMK) bezieht in den «Sozialen Grundsätzen» Stellung zu aktuellen wirtschaftlichen Themen:
Die Verfasser der sozialen Grundsätze sind sich sicher, dass jeder Einzelne verpflichtet ist, sorgsam mit dem Eigentum und den Ressourcen der Welt umzugehen. Die Gesellschaft muss umgestaltet werden. Es wird als christlicher Auftrag formuliert, dass die Gesellschaft nicht den Wohlstand der wenigen vermehrt, sondern allen dient. Das Schalom Gottes soll im Mittelpunkt der Gesellschaft stehen, in der wir leben. Das Schalom Gottes soll aber auch für die grosse weite Welt gelten und sich als Gegenkraft entfalten zu einer Globalisierung die immer weiter um sich greift und die Lebensgrundlagen jedes Einzelnen gestaltet und verändert: Die AutorInnen beziehen Stellung zur Ausbeutung der natürlichen Ressourcen und der menschlichen Arbeit und zur Umweltverschmutzung. Deutlich wird betont, dass die internationalen Finanzströme, welche während der Finanzkrise 2008 viele Menschen in Armut stürzten und der vielfach aggressive Freihandel nur auf den Profit von Grosskonzernen ausgerichtet ist und der kleinräumigen und nachhaltigen Landwirtschaft schwer zusetzt und auf ihre Zerstörung aus ist. 

Schmerzliche Realität ist auch, dass viele Menschen ihre Grundbedürfnisse wie Nahrung, Kleidung, Unterkunft, Bildung, Gesundheitsversorgung und andere Notwendigkeiten nicht oder nur unzureichend befriedigen können. Dazu kann man in den «Sozialen Grundsätzen» einiges Spannendes und Herausforderndes lesen.
Abgeschlossen wird der Abschnitt mit den besonders schrecklichen Praktiken des Menschenhandels, der modernen Sklaverei. 
Wenn auch das Dokument in einer abgeklärten Sprache verfasst ist, benennt es doch die Missstände gerade im Wirtschaftsleben mit klaren Worten. Für die VerfasserInnen muss alles Wirtschaften auf das grosse Schalom Gottes ausgerichtet sein, wie es Maria im Lobgesang besingt und fordert: 


Meine Seele preist die Größe des Herrn, / und mein Geist jubelt über Gott, meinen Retter. / Denn auf die Niedrigkeit seiner Magd hat er geschaut. / Siehe, von nun an preisen mich selig alle Geschlechter. / Denn der Mächtige hat Großes an mir getan und sein Name ist heilig. / Er erbarmt sich von Geschlecht zu Geschlecht über alle, die ihn fürchten. / Er vollbringt mit seinem Arm machtvolle Taten: / Er zerstreut, die im Herzen voll Hochmut sind; / er stürzt die Mächtigen vom Thron und erhöht die Niedrigen. / Die Hungernden beschenkt er mit seinen Gaben und lässt die Reichen leer ausgehen. / Er nimmt sich seines Knechtes Israel an und denkt an sein Erbarmen, / das er unsern Vätern verheißen hat, Abraham und seinen Nachkommen auf ewig. (Das Magnificat – Lukas 1,46b-55)

The Economic Community in der Version von 2017-2020: http://www.umc.org/what-we-believe/economic-community

Die Sozialen Grundsätze (deutsch) in der Version 2017-2020: http://www.soziale-grundsaetze.ch


Mittwoch, 12. November 2014

Die Armut bekämpfen bedeutet auch die Umwelt schützen - Rückblick auf die StopArmut-Umweltkonferenz

(Elisabeth Roser) Die Armut bekämpfen bedeutet auch die Umwelt schützen - dies wurde sachlich und gleichzeitig  eindrücklich dargelegt an der StopArmut Umweltkonferenz in Biel vom 18.Oktober 2014. 
Im Hauptreferat erläuterte der Klimaethiker Dominic Roser in einfacher Weise die Zusammenhänge zwischen Klimawandel und Armut, und zeigte auf, dass es Lösungsansätze gibt. Unter http://www.stoparmut2015.ch/konferenz/videos-und-berichte/ findet sich nebst diesem Beitrag drei weiteren Referate des Konferenzvormittags aufgeschaltet. 
Dominic Roser an der StopArmut Umweltkonferenz

Es war ein Tag, der neue Einsichten vermittelte, Mut machte, sich den Herausforderungen zu stellen und mehr auf Lebensqualität als auf Lebensquantität bedacht zu sein. Etwas, das Christen nicht abschrecken sollte, denn in der Bibel entdeckt man, was das Leben wirklich „reich“ macht. 
Und doch: Haben wir nicht auch einen blinden Fleck, was unser Mitwirken und unsere Mitverantwortung an der globalen Ungerechtigkeit betrifft?

Aus persönlicher Sicht will ich nachfolgend zu ein paar Aussagen Stellung nehmen, die im Zusammenhang mit dem Klimawandel immer wieder erwähnt werden:

Man sagt: Klimawandel ist etwas ganz Natürliches. Die Klimaschwankungen gab es schon immer. 
Dagegen: Stimmt. Doch der Klimawandel, der jetzt unsere Welt ernsthaft bedroht, ist Menschengemacht. Darin sind  sich weltweit die Wissenschaftler einig (überdeutlich: 97% stimmen darin überein). Die natürlichen Schwankungen können „verdaut“ werden, aber wenn wir den vom Mensch verursachten Klimawandel jetzt nicht bremsen/stoppen, wird es schon für die nächste Generation zu einem Riesenproblem.

Man sagt: Klimawandel ist ein globales Problem. Ich als einzelner/einzelne kann nichts dagegen tun. 
Dagegen: Auch wenn uns diese Aussage einleuchtet, ist sie eine Illusion. Normalerweise reagieren wir, wenn wir die Folgen unserer Handlungen spüren. Doch beim Klimawandel verhält es sich so, dass wir an einem Punkt der Erde etwas tun, die Auswirkungen (z.B. Überschwemmungen, Dürren, vermehrte Wirbelstürme) zeigen sich jedoch oft an einem ganz anderen Ort auf der Welt. Die Herausforderungen, die jetzt auf uns zukommen, haben für uns weitgehend ungewohnte, neue Dimensionen.
Klimawandel ist ein globales Problem; wir haben nur diese eine Welt. Deshalb stehen wir auch alle miteinander in der Verantwortung für die ganze Welt. Weniger allgemein ausgedrückt: Unsere Generation ist für das verantwortlich, was die kommenden Generationen vorfinden. Darum gilt: Ich bin die Frau, die heute mit meinem Lebensstil den Klimawandel beeinflusst. Ich habe es in der Hand. Es ist in meiner Entscheidung, etwas gegen den Klimawandel zu tun.

Man sagt: Zugegeben, unsere Industrialisierung hat als negative „Nebenwirkung“ Klimawandel zur Folge. Nun sollen aber die aufstrebenden Länder nicht den gleichen Fehler machen. Wir sind geneigt, mit dem Finger z.B. auf China zu zeigen, das so viel CO2 produziert, und wir sagen: Wenn wir reduzieren müssen, müssen sie das auch und sich ebenso beteiligen an den Kosten, die der Klimawandel verursacht. Aber diese Länder entgegnen: Ihr habt mit eurer Industrialisierung und mit eurer Energieverschwendung Wohlstand erarbeitet. Wir wollen das auch.  
Dagegen: Die Industrialisierung hat die westlichen Länder aus der Armut hinausgeführt (eindrücklich dargelegt im erwähnten Referat von Dominic Roser). Wir haben nicht das Recht, den von Armut betroffenen Ländern diese Entwicklung vorzuenthalten, die uns selber geholfen hat. Aber wir stehen in der Verpflichtung, mit grossem Engagement umweltverträgliche Technologien zu finden und zu entwickeln und diese den Entwicklungsländern zu fairen Bedingungen zur Verfügung zu stellen. Sie sollen den Fortschritt haben dürfen, aber mit sauberen Technologien. 
Dies ist möglich!

Noch ein letzter Gedanke:
Klimawandel/Klimaschutz ist global und hält sich nicht an Grenzen von Nationen oder Kontinente. Politiker, die immer nur auf das regionale oder nationale Wohl bedacht sind, sind kurzsichtig, oder noch deutlicher ausgedrückt, egoistisch. Ich werde nur noch Politiker unterstützen, die auch die grossen Dimensionen im Blick haben und sich deshalb auch für das weltweite, eben globale Wohl der Menschheit und für Gerechtigkeit für alle Menschen einsetzen. 
Dass dies sich vordergründig und kurzfristig ev. zu unserem „Nachteil“ auswirkt, soll mich nicht schrecken. Denn ohne Teilen gibt es keine Gerechtigkeit. Dies würde zu weiteren Überlegungen führen, wie „Wovon hängt meine Lebensqualität ab?“, „Brauchen wir immer noch mehr Wachstum?“

Die Konferenz hat mich zum Nach- und Weiterdenken angeregt. Mehr dazu unter http://www.stoparmut2015.ch/konferenz/videos-und-berichte/.

Elisabeth Roser war bis vor kurzem Mitglied im Ausschuss Kirche und Gesellschaft der EMK Schweiz-Frankreich-Nordafrika