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Samstag, 16. Dezember 2017

Vielfalt und Miteinander bewahren - Stellungnahme zur «No Billag»-Initiative

No-Billag
In einem Monat werden Hunderttausende Schweizer vor dem Fernseher sitzen und die olympischen Winterspiele mitverfolgen. Vielleicht werden es die letzten Spiele sein, die ohne zusätzliche Kosten mitverfolgt werden können. Wenn die «No-Billag»-Initiative in der Abstimmung am 12. März  angenommen wird, fallen zwar die Gebühren weg, dafür gibt es auch keine Grossanlässe mehr zu sehen, ausser wir sind bereit, für diese tief in die Tasche zu greifen.
Die «No-Billag»-Initiative fordert einerseits die Abschaffung der TV- und Radio-Gebühren. Stattdessen sollen die Konzessionen ersteigert werden. Zum anderen verbietet sie dem Bund, eine eigene Radio-und Fernsehstation zu betreiben.
Der Ausschuss für Kirche und Gesellschaft lehnt diese Initiative ab. Die Argumente der Befürworter sind irreführend und verschleiern die Konsequenzen für sprachliche Vielfalt, Kultur und auch für christliche Sender und Angebote in der Schweiz.


Fernsehen kostet
Geschickt spielt die Initiative auf der Klaviatur der gebeutelten Gebührenzahler: Die monatlich gesparten 37.50 Franken, die ab 2019 noch rund 30 Franken betragen, würden zur Ankurbelung der Wirtschaft beitragen. Doch würde man wirklich so viel einsparen? Nein! Die Initiativ-Befürworter empfehlen als Alternative zur SRG Netflix (zurzeit 11.90 Franken pro Monat) und Teleclub (12.90 Franken). Damit müssten bereits 25 Franken bezahlt werden. Wer künftig die Spiele der Schweizer Nationalmannschaft an einer Fussball-WM schauen will, müsste dann nochmals einen grösseren Betrag hinblättern.
Der Bund, so fordern es die Initianten, solle die Konzessionen versteigern. Zum Zuge kämen finanzkräftige Konzerne wie Google und Amazon oder schwerreiche Milliardäre. Das Programm würde nach rein wirtschaftlichen Kriterien zusammengestellt. Es gäbe keine romanischen Sendungen mehr, dem Tessiner Fernsehen würde ebenfalls der Stecker gezogen. Fernsehen kostet also auch in Zukunft einen vergleichbaren Betrag – nur leisten die privaten Anbieter nicht, wozu die Gelder jetzt verwendet werden.


Aus für SRG
Überhaupt wäre bei der Schweizer Radio- und Fernsehgesellschaft (SRG) Sendeschluss. Die Befürworter der Initiative betonen zwar, es gehe ihnen nicht um die Abschaffung der SRG. Doch im geänderten Verfassungsartikel steht: Der Bund betreibt in Friedenszeiten keine eigenen Radio- und Fernsehstationen. (Art. 96, Absatz 6). Die SRG müsste sich allein dem Marktdruck beugen. Der bisherige Leistungskatalog wäre nicht mehr finanzierbar.
Die Initianten werfen der SRG eine Verschleuderung den Gebührengeldern vor. Unter anderem kritisieren sie das horrende Jahres-Salär des ehemaligen SRG-Generaldirektors Roger de Weck (557'434 Franken). Im Vergleich zu Managern im privaten Sektor ist sein Gehalt jedoch eher bescheiden gewesen. Auch im Vergleich mit anderen Bundesbetrieben lag der SRG-Chef im hinteren Drittel.


Angebote für alle
Moniert wird weiter, dass die Gebühren weltweit die höchsten sind. Die SRG unterhält in allen drei Sprachregionen eigene Fernsehstationen, sogar in Rätoromanisch wird regelmässig gesendet. Diese Vielfalt kostet, trägt aber dazu bei, Brücken zwischen den einzelnen Sprachen zu bauen. Tendenziell sind zudem in kleinen Ländern die anfallenden Kosten höher.
Hauptargument der Befürworter ist die Zwangsabgabe. Obwohl man nicht oder kaum Sendungen schaue oder höre, sei man gezwungen zu zahlen. Dieses Argument greift zu kurz. Gewiss, es gibt Sendungen, die nicht nach jedermanns Geschmack sind. Sollen sie auch nicht: Die SRG hat den Anspruch, für jeden etwas zu bieten. Dies nützt auch den Randregionen, die explizit durch unsere staatlichen Medien gefördert werden.


Breite Folgen
Wenigen ist bewusst, dass die SRG auch Schweizer Literatur und Film fördert. Ohne diese staatlichen Mittel wäre heimisches Schaffen kaum möglich. Kein Wunder also, dass auch Verbände und Musiker/innen aus der Volksmusik sich gegen die Initiative aussprechen.
Bei einem «JA» zu Initiative wäre nicht nur bei der SRG Sendeschluss. Auch viele Lokalfernsehen und -radios könnten nicht mehr senden. Christliche Angebote wie «FENSTER ZUM SONNTAG» würden damit die Möglichkeit verlieren, ein breites Publikum auf nationaler Ebene mit ihren Beiträgen zu erreichen.
Der Ausschuss für Kirche und Gesellschaft empfiehlt ein «NEIN». Eine starke, unabhängige SRG fördert den Zusammenhalt im Land, fördert das Miteinander zwischen Stadt und Land, zwischen den einzelnen Kulturen und Sprachen.


Mehr erfahren
Initiativtext und Argumentarium der Befürworter: nobillag.ch
Argumente gegen die Initiative: sendeschluss-nein.ch
Volksmusik und «No Billag» (BLICK): https://is.gd/Volksmusik
Fakten-Check des Tagesanzeigers: https://is.gd/tagi_check


Erschienen in "Kirche und Welt" 01/2018

2 Kommentare:

  1. Ein sehr einseitiger Beitrag. Ich hätte erwartet, dass Sie Pro und Kontra sorgfältig darstellen. Dagegen begeben Sie sich ins Fahrwasser der Gegner, übernehmen deren Angst-Mantra und sprechen vom SRG Sendeschluss, vom bescheidenen Lohn des GD, von heimischem Schaffen , dem Aus für christliche Sendungen usw !
    Der 1.6 Mrd-Konzern hat genug intelligente Leute die etwas von Medien verstehen, um ein modernes, vorwärtsgerichtetes Geschäftsmodell ohne Zwangsgebühren auf die Beine zu stellen, notabene auch für das Tessin und die Romandie. Wir können zuversichtlich JA stimmen. Peter Vögelin, Flurlingen

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  2. Ich bin immer wieder einmal in den USA gewesen in den letzten Jahren und habe dort zur genüge die "modernen, vorwärtsgerichteten Geschäftsmodelle" kennengelernt. Werbung alle 7 Minuten von 7 Minuten länge, einseitigste Berichterstattung, peinliche Reality-Formate am Laufmeter. Ehrlich, das will ich nicht. Ich will einen ausgewogenen, sorgfältigen Journalismus, ich will ein die Vielfalt der Schweiz abbildendes Programm, jenseits von einseitig zelebrierten Interessenbindungen und marktorientierten Verzeichnungen. Zudem kommt, was der SEK zu Recht beanstandet: Der Markt hat noch nie die Minderheiten geschützt oder getragen. Und wir, die Kirchen, sind Minderheiten. No-Billag geht damit auch uns an den Kragen.
    Jörg Niederer, St. Gallen / Frauenfeld

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