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Freitag, 12. März 2021

Die Heilige und die Stiftsbibliothek

Ein Gedanke

Statue der Heiligen Wiborada in St. Gallen
Foto © Jörg Niederer
"Wir St.Gallerinnen und St.Galler haben mit ihr [Wiborada] einen spirituellen Schatz im Acker vergraben, den wir heben dürfen." Hildegard Aepli, Seelsorgerin und Theologin

Ein Bibelvers - Jeremia 32,2+3

"Der Prophet Jeremia war verhaftet worden. Man hielt ihn im Wachhof am Königspalast gefangen. König Zidkija von Juda hatte ihn eingesperrt. Sein Vorwurf lautete: 'Du trittst als Prophet gegen mich auf und sagst: So spricht der Herr: Seht, ich gebe diese Stadt in die Gewalt des Königs von Babylonien. Er wird sie erobern.'"

Eine Anregung

Vor zwei Tagen fotografierte ich im Vorbeigehen in St. Gallen die Statue der Stadtheilige Wiborada. Und heute lese ich von ihr im St. Galler Tagblatt.

Wiborada, das ist die erste Frau, die durch einen Papst heiliggesprochen wurde. Das war im Jahr 1047.
Wiborada, das war die Tochter einer begüterten Familie aus dem Thurgau.
Wiborada konnte alle Psalmen der Bibel in lateinischer Sprache auswendig.
Wiborada, das ist die lateinische Namensform von althochdeutsch Wiberrat. Das bedeutet: "weibliche Ratgeberin".
Wiborada, das war die erste der Frauen in St. Gallen, welche sich bei der heute reformierten Kirche St. Mangen einmauern liessen. Ihre Zelle hatte ein Fenster in die Kirche und Fenster in die Welt.
Wiborada lebte als Inklusin bis zu ihrer Ermordung am 1. Mai 926.
Wiborada folgten weitere Frauen und liessen sich einmauern. Bis zur Reformation gab es die Lebensform der Inklusion in St. Gallen. 
Wiborada wurde oft um Rat gefragt, und war bei der Bevölkerung und den Ordensleuten bald sehr geschätzt.
Wiborada rettete die Mönche und den Grundstock der Schriften der heutigen Stiftsbibliothek, indem sie den Ungarneinfall vorhersah und allen riet, sich und die Klosterschätze rechtzeitig in Sicherheit zu bringen.
Wiborada selbst verliess die Zelle nicht, und wurde deshalb von den marodierenden ungarischen Kriegsleuten ermordet.

Das also ist Wiborada. Und nun werden in den Monaten Mai und Juni zwölf Frauen und Männer sich je eine Woche am Ort der einstigen Zelle von Wiborada in eine extra dafür errichtete Klause einschliessen lassen, um ihre Erfahrungen mit dem Alleinsein und Beten zu vertiefen.
Hildegard Aepli, Seelsorgerin und Theologin, wird die erste sein, welche so an Wiborada erinnern will. 

Mehr über die "vergessene Heilige" auf https://heilige-wiborada.ch/

Jörg Niederer ist Mitglied im Ausschuss Kirche und Gesellschaft der EMK Schweiz-Frankreich-Nordafrika

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