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Montag, 31. August 2020

War Hegel ein Bad News Lover?

Ein Gedanke
Kiosk in Diepoldsau
Foto © Jörg Niederer
"Das Zeitungslesen des Morgens ist eine Art von realistischem Morgensegen." Georg Wilhelm Friedrich Hegel (1770-1831)

Ein Bibelvers - 3. Johannes 1,2
"Geliebter Freund, ich wünsche dir, dass es dir in jeder Hinsicht so gut gehen möge, wie es deiner Seele geht."

Eine Anregung
Zeitungslesen als Morgensegen - das kommt ganz auf den Inhalt an. Schlechte News sind wohl "realistischer Morgenfluch"
Oder meinte Georg Wilhelm Friedrich Hegel mit der Morgenzeitung die Glückspost? 
Anders: war er ein Bad News Lover, einer, der seine Freude an schlechten Nachrichten hat?
Untersuchungen zeigen, dass wir auf negative Nachrichten intensiver und nachwirkender reagieren. "Negativity Bias" nennt man das. Vermutlich schauen wir deshalb gerne Krimis. Zu gewissen Tages- und Nachtzeiten ist das Verbrechen das vorherrschende Format bei den Fernsehsendern. Im Alltag erleben wir dagegen deutlich weniger Gewaltverbrechen. Also ist das, was wir sehen, erregend, anregend, aber kaum "realistischer Alltag".
Genauso gut könnte man folglich sagen: Zeitungslesen ist eine Art Realitätsflucht in die Segnungen weltweiter Aufregung.
In diesem Sinn ist ein irischer Morgensegen geradezu hyperrealistisch. Da ist ein Mensch, der nimmt mich zum Abschied an der Tür in die Arme und wünscht mir Licht auf meinen Weg. Und genau das werde ich erleben: Licht auf meinem Weg. Das ist wenig spektakulär, aber sehr beruhigend und einfach schön.


Sonntag, 30. August 2020

In die Kirche, der Wärme wegen

Ein Gedanke
Armut in der reichen Stadt Zürich
Foto © Jörg Niederer
"Der Regen trieb uns in die Kirche - unsere Zuflucht, unsere Kraft, unser einziges trockenes Haus. ... Limerick war für seine Frömmigkeit berühmt, aber wir wussten, es war nur der Regen." 
Aus Frank McCourt: Die Asche meiner Mutter

Ein Bibelvers - Sprüche 14,31
"Wer einen Geringen unterdrückt, schmäht seinen Schöpfer, aber wer Erbarmen hat mit einem Armen, ehrt ihn."

Eine Anregung
"Mr. Quinlivan (ein Mitarbeiter vom katholischen Hilfswerk "Gesellschaft des Hl. Vincent de Paul") tritt auf Nora zu und zeigt mit dem Finger auf sie. Wisst ihr, was wir hier haben? Wir haben eine Suppenseele in unserer Mitte, Die Suppenseelen hatten wir schon während der Grossen Kartoffelhungersnot. Die Protestanten sind herumgegangen und haben guten Katholiken erzählt, wenn sie ihren Glauben aufgeben und Protestanten werden, bekommen sie mehr Suppe als in ihre Mägen passt, und, Gott helfe uns, einige wenige Katholiken nahmen die Suppe an, verloren ihre unsterbliche Seele und sind seitdem und immerdar als Suppenseelen bekannt. Und Sie, wenn Sie zu den Quäkern gehen, werden Sie Ihre unsterbliche Seele verlieren und die Seelen Ihrer Kinder gleich noch obendrein.
Dann Mr. Quinlivan, werden Sie uns retten müssen, stimmt's?" 
Aus Frank McCourt: Die Asche meiner Mutter

Mit welcher Motivation ein Mensch in die Kirche geht, kann sehr unterschiedlich sein. In Frank McCourts autobiographischem Roman sind es die von Armut geprägten Lebensumstände. Den feuchten, dunklen Wohnräumen entflieht man für ein, zwei Stunden in die trockene, warme Kirche. Auch für Suppe und Seife ist man bereit, der Kirche die Aufwartung zu machen. Nora, eine der Bedürftigen, spielt dabei geschickt die Konfessionen gegeneinander aus, um mehr Unterstützung von  katholischer Seite zu erhalten. Überleben ist halt manchmal wichtiger als "Ewigleben".
Heutzutage lohnt es sich auch, über vorgeschobene Gründe nachzudenken, mit denen man der Kirche den Rücken gesichtswahrend zuwenden kann. Ist es die antiquierte Sprache? Sind es die traurigen alten Lieder? Ist es der Papst? Missbrauchsfälle? Langweilige Predigen? Sexualmoral?
Also ich gehe trotzdem weiter in die Kirche. Und das nicht nur, weil ich als Pfarrer "muss". Und ja, bei uns ist es auch warm und trocken im Kirchenraum. Sogar im Winter.

Heute Sonntag um 10.30 Uhr wird die Predigt aus der Evangelisch-methodistischen Kirche St. Gallen per Youtube übertragen. Darin geht es um den Glauben: 
Vorbildlicher Glaube zeigt sich gelegentlich auf unerwartete Weise. Aber Vorurteile können hinderlich sein, um das Gute zu erkennen. Es gilt, Grenzen zu überwinden. Mehr unter  https://youtu.be/1Z4Z1CvkkTk


Samstag, 29. August 2020

Die Begrenzungsinitiative als Gleichnis für Gottes Herrschaft

Ein Gedanke
International zusammengesetzte methodistische Delegation einer Tagung 2018 in Berlin
Foto © Jörg Niederer
"Jesus begründet eine Einheit, die Grenzziehungen überwindet." Kirche und Welt 9/2020

Ein Bibelvers - Kolosser 3,11
"Da ist nun nicht Grieche und Jude, nicht Beschneidung und Unbeschnittensein, nicht Barbar, Skythe, Sklave, Freier, sondern Christus ist alles und in allen."

Eine Anregung
Seid vielen Jahren arbeite ich im Ausschuss Kirche und Gesellschaft mit, unter anderen zusammen mit David N. Field. Aus diesem Grund möchte ich heute ihn zu Wort kommen lassen:

"Da ist nicht mehr Schweizer oder Ausländerin, EU-Bürgerin oder Dritt-Staatler, Ungare, Polin, Roma, Rumänin, Serbe, Tunesierin oder Kroate, sondern alles und in allen Christus."
So könnte man Kolosser 3,11 für die heutige Zeit paraphrasieren. Vor unsere Augen tritt eine Vision der Kirche als eine radikal vielfältige Gemeinschaft, in der Christus Menschen vereint, die durch soziale, politische, wirtschaftliche und rechtliche Barrieren getrennt sind. Solche, die innerhalb des Römischen Reiches und seiner Zivilisation lebten, und solche, die als am weitesten davon entfernt galten. Einheit mit Christus bedeutet, dass wir als Bürger/innen des Reiches Gottes mehr mit unseren Mitchrist/innen gemeinsam haben als mit anderen Menschen derselben Nation oder sozialen Gruppe.
Die in meiner Paraphrase genannten Gruppen wurden ausgewählt, weil sie die Menschen in der Zentralkonferenz Mittel- und Südeuropa vertreten. Die Evangelisch-methodistische Kirche (EMK) verkörpert diese Vision als internationale Kirche in ihren Strukturen. Diese Vision kann nicht nur eine theologische Kernaussage, eine Erfahrung der geistlichen Einheit oder gar lediglich ein Detail der kirchlichen Struktur bleiben. Sie muss die Art und Weise, wie wir in der Welt leben, und damit auch unsere politischen Entscheidungen, prägen. Wir sollten zuerst nach dem Reich Gottes und nach seiner Gerechtigkeit trachten.
Weder die Schweiz noch irgendein anderer Staat ist das Reich Gottes oder die Kirche. Aber als Christ/innen haben wir, wie Karl Barth argumentierte, politische und rechtliche Strukturen zu fördern, die Gleichnisse des Reich Gottes sind. Gleichnisse, die den Weg der kommenden Herrschaft Gottes widerspiegeln und öffnen.
Wenn wir entscheiden, wie wir über die "Begrenzungsinitiative" abstimmen, müssen wir uns diese Frage stellen: Fördert diese Initiative eine Gesellschaft, die ein Gleichnis von Gottes Herrschaft ist und die Kirche und insbesondere die EMK in die Lage versetzt, ihre transnationale Einheit in Christus umfassender zu verkörpern? Oder weist sie von Gottes Herrschaft weg und hindert die Kirche daran, das zu sein, wozu sie berufen ist?

Morgen Sonntag, am 30. August um 10.30 Uhr wird die Predigt aus der Evangelisch-methodistischen Kirche St. Gallen per Youtube übertragen. Darin geht es um den Glauben: 
Vorbildlicher Glaube zeigt sich gelegentlich auf unerwartete Weise. Aber Vorurteile können hinderlich sein, um das Gute zu erkennen. Es gilt, Grenzen zu überwinden. Mehr unter  https://youtu.be/1Z4Z1CvkkTk

Freitag, 28. August 2020

In der Ostschweiz viel Kunst

Ein Gedanke
Kirchliche Kunst
Foto © Jörg Niederer
Die Welt ist Gottes Ateliers.

Ein Bibelvers - Genesis 2,7
"...da bildete der HERR, Gott, den Menschen aus Staub vom Erdboden..."

Eine Anregung
Brigitte Kemmann ist eine bemerkenswerte Frau. Sei es als Präsidentin des Quartiervereins, oder als Kulturmanagerin, man kennt sie in St. Gallen. Gerade wird wieder über sie in der Zeitung berichtet. Zum dritten und letzten Mal organisiert sie "Fünfstern". Dabei öffnen 240 Künstlerinnen und Künstler in 90 Gemeinden der Ostschweiz ihre Ateliers in der Zeit zwischen dem 28. August und 1. November. Die Öffnungszeiten sind unterschiedlich. Den Überblick vermittelt die Webseite https://www.fuenfstern.com/. Es gibt viele Künstlerinnen, Künstler und Kunst zu entdecken. Und weil es immer weniger Galerien gibt, hilft Fünfstern so, Kunstinteressierte mit Kunstschaffenden zusammenzubringen.
In einem kirchlichen Blog stellt sich nun natürlich die Frage nach der religiösen Relevanz dieses Hinweises. Dazu fällt mir nicht viel ein. Es ist eher eine Beziehungssache. Ich kenne Brigitte Kemmann und schätze sie. Dann gehört die Mutter eines der mitwirkenden Künstler zur Kirchgemeinde. Aber ich sehe auch, dass im Schöpferischen der Kunstschaffenden sich eine Linie findet, die zu Gott führt, dem Ursprung aller Kreativität.

Am kommenden Sonntag, dem 30. August um 10.30 Uhr wird die Predigt aus der Evangelisch-methodistischen Kirche St. Gallen per Youtube übertragen. Darin geht es um den Glauben: 
Vorbildlicher Glaube zeigt sich gelegentlich auf unerwartete Weise. Aber Vorurteile können hinderlich sein, um das Gute zu erkennen. Es gilt, Grenzen zu überwinden. Mehr unter  https://youtu.be/1Z4Z1CvkkTk

Donnerstag, 27. August 2020

Liebe auf den ersten und letzten Blick

Ein Gedanke
Überbauung Steinbock in Chur - 2018 noch im Bau befindlich.
Foto © Jörg Niederer
"Das Leben ist schwächer als der Tod, und der Tod ist schwächer als die Liebe!" Khalil Gibran

Ein Bibelvers - Hohelied 8,6
"Leg mich auf dein Herz wie ein Siegel, wie ein Siegel an deinen Arm! Denn stark wie der Tod ist die Liebe, hart wie das Totenreich die Leidenschaft. Feuerglut ist ihre Glut, Flamme des HERRN."

Eine Anregung
Dass eine Überbauung in Chur "Steinbock" genannt wird, ist nicht überraschend, ist doch der Steinbock das Wappen- und Werbetier Graubündens, und Chur die Hauptstadt des Kantons. Die Überbauung selbst - auf dem Bild im Jahr 2018 noch im Bau befindlich - dagegen schon. Allein schon dieses Steinbocks wegen ist Chur eine Reise wert. In solche Architektur kann ich mich verlieben. Siehe https://www.rykart.ch/de/projekte/ueberbauung-steinbock-chur.php und https://steinbock.gr/impressionen/
Doch noch einer anderen Liebe wegen ist Chur nun zusätzlich sehenswert.
"Dance me to the end of Love. Ein Totentanz" nennt sich die Ausstellung im Bündner Kunstmuseum, welche die Neueröffnung des Domschatzmuseums am 29./30. August 2020 begleitet. Das Domschatzmuseum befindet sich im Südflügel des Bischöflichen Schlosses und ist für die beiden Eröffnungstage kostenlos zugänglich. Nebst dem Domschatz kann man dort erstmals seit etwa 50 Jahren wieder den Zyklus der Renaissance-Todesbilder aus dem Bischöflichen Schloss bewundern. Inspiriert von Werken Hans Holbeins d. J. (ca. 1497-1543) entstand der monumentale Todesbilderzyklus im Jahr 1543. Die seit 1943 unter Bundesschutz stehenden Bilder zeigen Menschen in alltäglichen Situationen, wie sie vom Tod geholt werden. Siehe https://chur.graubuenden.ch/de/news-tipps/2020/08/neu-eroeffnung-domschatzmuseum-chur-am-29-august-2020
In der Begleitausstellung im weltberühmten Bündner Kunstmuseum dagegen wird ein Bogen gespannt von der Antike bis in die Gegenwart: "Die Ausstellung konfrontiert uns mit Liebe und Tod und führt uns von der Feier des sinnlichen Augenblickes in die Vergänglichkeit und das Ende des Daseins... Statt der ikonographischen Tradition der Konfrontation des Lebens mit dem Tod zu folgen, stehen in der Ausstellung der Tanz, die Bewegung, die Ekstase und die Metamorphose bis hin zur Auflösung im Tod im Zentrum." (http://www.buendner-kunstmuseum.ch/). Auch diese Sonderausstellung öffnet am 29. August.

Mittwoch, 26. August 2020

Die Mosaikparabel - oder die Teilchen des Lebens

Ein Gedanke
Der Gallusbrunnen in St. Gallen mit dem Gallusmosaik
Foto © Jörg Niederer
"Das Wort Mosaik leitet sich aus dem spätlateinischen Musaicum (opus) (Werk den Musen gewidmet) ab." https://deacademic.com/dic.nsf/dewiki/976834

Ein Bibelvers - 1. Mose 28,18
"Am andern Morgen früh nahm Jakob den Stein, den er unter seinen Kopf gelegt hatte, richtete ihn als Mazzebe auf und goss Öl darauf."

Eine Anregung
Noch einmal der Gallusbrunnen in St. Gallen. In meinem Blogbeitrag vom 4. August versprach ich, die Zahl der Mosaiksteinchen im Brunnenbild zu überprüfen. Gemäss einem Beitrag im St. Galler Tagblatt solle das Gallus und den Bären darstellende Mosaik nur gerade aus 97 Steinchen bestehen. Im Zeitungsbeitrag sind aber wohl zwei Nullen verloren gegangen, denn allein die Grundlinie des Werks besteht aus ca. 70 Steinchen. Realistischer sind 9700 Einzelteile.
Viele Jahre zurück, als ich ein kleiner Junge war, versuchten sich meine Eltern an einem Mosaik. Man konnte es als Bausatz kaufen. Meines Wissens haben an diesem Werk kurz nach Vollendung bereits wieder Teilchen gefehlt. So hing das Bild (waren darauf Pferde dargestellt?) nicht lange in unseren Stube.
Das Bild meines Lebens ist auch eine Art Mosaik. Heute vor drei Jahren wurde ein bemerkenswertes Teilchen eingefügt. Nach 909 Kilometern zu Fuss habe ich in Calais das Meer erreicht. Würde dieser Tag im Mosaik meines Lebens fehlen, bliebe das Bild von mir wohl unvollständig. (Über die Fussreise von Frauenfeld nach London habe ich ein Buch geschrieben, das bei mir bestellt werden kann. Hier die Buchbeschreibung: http://wanderwerk.ch/programm/niederer/frauenfeld_london/frauenfeld_london.htm).
Das grösste römische Mosaik nördlich der Alpen befindet sich übrigens in der kleinen französischsprachigen Schweizer Stadt Orbe. Am Wochenende kann es besichtig werden. Hier erfährt man mehr: https://www.yverdonlesbainsregion.ch/de/P522/roemische-mosaiken-in-orbe

Dienstag, 25. August 2020

Über Sex spricht man! Auch in der Kirche?

Ein Gedanke
Der Kuss in der Kirche Schönenwerd
Foto © Jörg Niederer
"Und wir Kirchen müssen lernen mitzureden, statt zu tabuisieren und zu stigmatisieren. Wenn unsere Jugendlichen und Erwachsenen bei uns nicht über Sexualität, Lust und Sehnsucht sprechen können, dann werden sie wie so viele Generationen vor ihnen lernen, dass über gewisse Themen in der Kirche halt einfach nicht gesprochen wird, da sie zu obszön, zu unheilig, zu natürlich sind." Sarah Bach

Ein Bibelvers - Hohelied 2,6+7
"Seine Linke liegt unter meinem Haupt, und seine Rechte umarmt mich. Ich beschwöre euch, ihr Töchter Jerusalems, bei den Gazellen oder bei den Hinden des Feldes: Weckt nicht, stört nicht die Liebe, solange die Lust währt."

Eine Anregung
Sexualität ist gerade wieder ein grosses Thema. Das liegt an verschiedenen vieldiskutierten Büchern und Filmen.
Besonders die Sexualität von Frauen wird breit thematisiert. Da ist der Film "Female Pleasure" von 2018, in dem fünf Frauen aus verschiedenen Kulturen portraitiert werden. Es geht darin um Genitalverstümmelung, die Vulva, die Unterdrückung der Frau in der chassidischen Gesellschaft, öffentliche Gespräche über Sexualität in Indien und um eine mehrfach vergewaltigte ehemalige Nonne. Zentral sind im Film der Kampf um die Befreiung der Weiblichen Sexualität, aber auch das negative Bild von Sexualität, welches in den Religionen allgegenwärtig ist. (Hier gibt es den Trailer: https://youtu.be/GbvNV1wWhUs)
Aline Wüst ihrerseits hat im Buch "Piff, Paff, Puff. Prostitution in der Schweiz" die Ergebnisse ihrer über zwei Jahre hinweg geführten Interviews mit Sexarbeiterinnen und deren Freiern sowie Fachleuten dokumentiert. Dabei räumt sie mit dem Mythos der selbstbestimmten, glücklichen Prostituierten auf. Nach den Interviews in den Bordellen habe die Autorin oft geweint.
Heute Dienstag demonstrieren die Jusos vor dem St. Galler Stadtparlament für die Gratisabgabe von Menstruationsartikel. Anders als z.B. Kaviar und Viagra sind Tampos und Binden in der Schweiz keine Güter des täglichen Bedarfs.
Und die Sonntagszeitung vom 23. August geht in einem zweiseitigen Artikel der Darstellung der weiblichen Genitalien in Anatomiebüchern nach. Das Fazit: Bis heute sei die Abbildung oft vage, und falsch.
Auch die methodistische Pfarrerin Sarah Bach macht sich Gedanken über die weibliche Lust und die Sexualität überhaupt. In einem sehr lesenswerten Blog plädiert sie für eine "schambefreite Kirche". Kirche müsse bei der Sexualität mitreden. Sarah Bach: "Aber wie kann ein solches 'Mitreden' aussehen? Können wir Kirchen wirklich etwas zur Diskussion um (weibliche) Sexualität beitragen? Oder sollten wir unsere Gläubigen nicht besser woanders hinschicken dafür, das Thema abdelegieren?" Eine Antwort darauf findet sie in der Heilungsgeschichte von der blutflüssigen Frau in Markus 5,25-34. Mehr unter https://sowhattheo.com/2020/08/22/die-schambefreite-kirche/?fbclid=IwAR1iRnizb3TpbG_UXH1pz77EX1F0o7_mmyQYkdO3E4ZXgXNH8iTyxF0QvtE

Montag, 24. August 2020

Ökoschulden sind Ehrenschulden

Ein Gedanke
Klimastreik 2019 in St. Gallen
Foto © Jörg Niederer
"Wenn Dad den ersten Wochenlohn nach Hause bringt, ist Mam entzückt, weil sie den reizenden italienischen Mann im Lebensmittelladen  bezahlen kann, und sie kann wieder erhobenen Hauptes vor die Tür gehen, denn es gibt nichts Schlimmeres auf der Welt, als jemandem etwas schuldig zu bleiben und für etwas verpflichtet zu sein." Aus: Frank McCourt, Die Asche meiner Mutter - Irische Erinnerungen

Ein Bibelvers - Psalm 24,1
"Gott gehört die Erde und was sie erfüllt, der Erdkreis und die ihn bewohnen."

Eine Anregung
Seit zwei Tagen lebt die Menschheit auf Pump. Bis zum 22. August haben wir soviel Kohlenstoff produziert, wie die Erde in einem Jahr abbauen oder einlagern kann. In diesen nicht ganz ersten acht Monaten haben wir die Nahrung und das Wasser für ein ganzes Jahr verbraucht.
Wohl durch die weltweite Corona-Krise ist es weniger schlimm als in den vergangenen zehn Jahren, als es schon um den 1. August soweit war. Stillhalten hilft also. Aber wir bräuchten nicht nur einen regional isolierten Lockdown für zwei Monate, sondern wohl einen globalen von einem ganze Jahr.
Die Situation ist bedrohlich. In Anlehnung an das oben zitierte Wort von Frank McCourt könnte man sagen: "Es gibt nichts Schlimmeres auf der Welt, als Gottes Erde etwas schuldig zu bleiben oder für etwas verpflichtet zu sein." Genau das aber sind wir: Der Erde verpflichtet und an ihr schuldig geworden. Wir konsumieren 1,6 Welten, und bezahlen nur für eine Welt. Wenn wir jetzt nicht schnell und konsequent beginnen, Schulden zurückzuzahlen, ist wohl die Entschuldung nicht mehr möglich. Selbst kommenden Generationen könnte das dann nicht mehr gelingen.
Mit Ökoschulden abbauen kann man sofort beginnen: https://reset.org/act/12-tipps-was-du-sofort-den-klimawandel-tun-kannst

Sonntag, 23. August 2020

Trennendes trennt, Gemeinsames eint

Ein Gedanke
Geode
Foto © Jörg Niederer
"Solange Frauen weinen, will ich kämpfen; solange Kinder zur Arbeit gezwungen werden, will ich kämpfen; solange sich Mädchen am Strassenrand anbieten, will ich kämpfen; solange Männer ins Gefängnis müssen, rein, raus, rein, raus, will ich kämpfen; solange noch eine Seele in der Dunkelheit gefangen ist, will ich kämpfen." William Booth - gestorben gestern vor 107 Jahren.

Ein Bibelvers - Matthäus 12,25
"Weil Jesus die Pharisäer aber durchschaute, sagte er zu ihnen: Jedes Reich, das in sich gespalten ist, wird verwüstet, und jede Stadt oder jede Familie, die in sich gespalten ist, hat keinen Bestand."

Eine Anregung
Oft steht zu Beginn einer verhängnisvollen Entwicklung Neid, Misstrauen oder Rechthaberei. Das gilt auch in religiöser Hinsicht.
Wenn also Christen beginnen sich gegenseitig zu beneiden, wenn sie einander misstrauen, oder wenn sie sich gegenseitig den rechten Glauben absprechen, kann dies der Anfang vom Ende sein.
Will man einen Auftrag umsetzten und ein Ziel erreichen, dann muss man die Kräfte bündeln und nicht sich gegenseitig konkurrenzieren. Wer das Trennende betont, trennt und schwächt. Wer das Gemeinsame betont, eint und stärkt.
Darum geht es auch in der heutigen Predigt. Ein religiöser Streit bringt eine schicksalshafte Kette von Ereignissen in Gang, an deren Ende der Märtyrertod von Paulus steht. Mehr per Livestream ab 10.30 Uhr unter https://youtu.be/yucLMYxmmt4


Samstag, 22. August 2020

Am Sonntag stand die Bahn still

Ein Gedanke
In der Altstadt von Yverdon
Foto © Jörg Niederer
"Nirgends strapaziert sich der Mensch mehr als bei der Jagd nach Erholung." Laurence Sterne

Ein Bibelvers - Markus 2,27
"Und Jesus sagt zu den Pharisäern: Der Sabbat (der Tag der Ruhe) ist um des Menschen willen geschaffen, nicht der Mensch um des Sabbats willen."

Eine Anregung
William Barbey 1842 in Genf geboren, beeindruckt mich. Erfahren habe ich von ihm im Wanderblog von Thomas Widmer. Ja richtig, auch ein Wanderblog kann für das Glaubensleben etwas hergeben, besonders wenn der Autor studierter Islamwissenschaftler und Arabist ist, in jede Kirche am Wanderwegrand hineinschaut und als Journalist sein Handwerk beherrscht.
Zurück zu William Barbey: Ingenieur, vielgereister Botaniker, Rinderzüchter und liberaler Politiker, war er auch überzeugter evangelischer Christ. Er gründete ein Haus für Alkoholkranke und finanzierte auf eigene Kosten die Bahnlinie von Yverdon nach Sainte-Croix. Da ihm die Sonntagsheiligung besonders am Herzen lag, bestand er darauf, dass diese Bahn an den Sonntagen ruhte. (Siehe dazu auch https://widmerwandertweiter.blogspot.com/2020/08/die-nur-werktagen-bahn.html!)
Undenkbar heute, dass eine Bahn am Sonntag nicht fährt, dann, wenn alle den freien Tag geniessen wollen. Genauso undenkbar, dass eine Methodistenpfarrerin oder ein Methodistenpfarrer heute verlangt, dass man am Sonntag nicht strickt oder Filme schaut. In meiner Kindheit gab es das noch.
So kommt es, dass heute gelegentlich einer am Sonntag im Zug von Yverdon nach Sainte-Croix genüsslich vor sich hin strickt. Was wohl William Barbey dazu gesagt hätte?

Morgen Sonntag um 10.30 Uhr wird die Predigt zum Thema "Misstrauen" von Jörg Niederer per Livestream übertragen. Es geht darum, das Vertrauen eine wichtige Voraussetzung ist, um Gottes Liebe zu Leben. Misstrauen unter Christen dagegen führt immer wieder in Katastrophen hinein.
Hier geht es zum Livestream: https://youtu.be/yucLMYxmmt4

Freitag, 21. August 2020

Happy-Birthday-Werbegeschenke

Ein Gedanke
Geburtstagsdesserts
Foto © Jörg Niederer
Einsamkeit: Wenn du mehr Geburtstags-Werbesendungen bekommst als Geburtstagsgrüsse von Freunden und Bekannten.

Ein Bibelvers - Lukas 2,41-43
"Und seine Eltern zogen jedes Jahr zum Passafest nach Jerusalem. Auch als Jesus zwölf Jahre alt war, gingen sie hinauf, wie es an diesem Fest der Brauch war, und verbrachten die Tage dort. Als sie heimkehrten, da blieb der junge Jesus in Jerusalem zurück, und seine Eltern merkten es nicht."

Eine Anregung
Nein, in diesem Jahr fühlte ich mich an meinem Geburtstag nicht einsam. Ich habe viele echte, wertschätzende, liebevolle Geburtstagsgrüsse bekommen. Mehr als Geburtstags-Werbesendungen. 
Die sind auch gekommen. Drei Hotels haben mir zum Geburtstag gratuliert. Ein Unternehmen schenkt mir auf Antrag eine Taschenlampe. Taschenlampen brauche ich aber gerade nicht. Ein anderes Unternehmen offeriert mir 10 Franken zum Geburtstag. Nur muss ich dann für mindestens 100 Franken einkaufen. Ein Transportunternehmen übernimmt 40 Franken der Kosten an einer Kult-Uhr, die ich aber auch nicht brauchen kann. Und sollte ich dann doch einmal in einem dieser Unternehmen einkaufen bzw. einkehren, habe ich bestimmt den Gutschein zu Hause liegen gelassen, oder weiss gar nicht mehr, dass ich in habe, oder die Gültigkeitsdauer ist abgelaufen.
Besonders nett finde ich Unternehmen, von denen ich täglich mindestens ein Werbemail lösche, und die mir an meinem Geburtstag gleich zwei Mails zusenden.
Und natürlich habe ich auch wieder vergessen, in welchen Restaurants ich an meinem Geburtstag ein Gratisessen oder einen Gratisdessert oder einen Gratiswein bekommen würde. Doch, von einem Restaurant weiss ich es noch: Das ist nur gerade 500 km weit weg.
So freue ich mich, dass ich all das nicht brauche, dass es mir und meinen Lieben so gut geht, dass wir nicht jedem Schnäppchen und jeder Aktion nachjagen müssen, und dass die Torte bereitsteht, und bald zu froher Runde beitragen wird.

Donnerstag, 20. August 2020

Kollateralnutzen - wenn ungewollt Gutes geschieht

Ein Gedanke
Abstand halten
Foto © Jörg Niederer
Die Nächstenliebe liesse sich als Kollateralnutzen der Gottesliebe verstehen, oder anders herum. Wer den Nächsten liebt, liebt unbeabsichtigt auch Gott.

Ein Bibelvers - 1. Mose 50,18-20
"Dann gingen seine Brüder selbst hin, fielen vor Josef nieder und sprachen: Sieh, wir sind deine Sklaven. Josef aber sprach zu ihnen: Fürchtet euch nicht! Bin ich denn an Gottes Statt? Ihr zwar habt Böses gegen mich geplant, Gott aber hat es zum Guten gewendet, um zu tun, was jetzt zutage liegt: ein so zahlreiches Volk am Leben zu erhalten."

Eine Anregung
Das eine ist gut, weil es nicht eigetroffen ist. Das andere ist gut, weil es eingetroffen ist. In beiden Fällen habe ich neu Begriffe gelernt, die mit der Pandemie in Zusammenhang stehen: "Übersterblichkeit" und "Kollateralnutzen".
Beginnen wir mit der Übersterblichkeit. So ganz logisch ist dieses Wort nicht, suggeriert es doch, dass man mehr als sterblich sein könnte. Aber es geht gar nicht um Metaphysik.
Nun, die Übersterblichkeit meint etwas anderes. Beim Vergleich der Todesfallzahlen mehrerer Jahre bezeichnet die Übersterblichkeit die über den Durchschnitt hinausgehende Zahl an Verstorbenen eines Vergleichszeitraums. So sind in Europa in den ersten 7 Monate dieses Jahres 162'000 Menschen mehr als in anderen Jahren verstorben. An dieser übermässige Sterblichkeit ist wohl das Coronavirus schuld. Doch in der Schweiz gibt es diese Übersterblichkeit nicht. In den ersten sieben Monaten des Jahres sind sogar weniger Menschen gestorben als im vergangenen Jahr. Es gab zwar in einigen Kantonen über einige Monate hinweg eine coronabedingte übermässige Sterblichkeit. Aber dieses Mehr an Verstorbenen wurde kompensiert durch ein Weniger in vielen anderen Regionen der Schweiz.
Warum ist das so: Da kommt nun unter anderem der Kollateralnutzen ins Spiel. Wie z.B. im Krieg der Kollateralschaden unbeabsichtigte Opfer meint, etwa unter den eigenen Leuten oder Zivilisten, so meint der Kollateralnutzen unbeabsichtigte positive Auswirkungen von Massnahmen.
Der Lockdown war nicht nur gut beim Coronavirus, sondern hat auch zu weniger Opfern im Personenverkehr und bei Freizeitaktivitäten geführt. Das Distanzhalten war nicht nur gut bei der Coronavorbeugung, sondern hat auch dazu beigetragen, dass weniger Menschen an einer gewöhnlichen Grippe oder anderen Krankheiten verstorben sind.
Ich bin dankbar, dass es in der Schweiz (und in Deutschland, Polen, Estland, Dänemark und Tschechien) keine übermässige Sterblichkeit durch Corona gegeben hat. Und ich bin dankbar, dass dazu auch der Kollateralnutzen beigetragen hat.

Mittwoch, 19. August 2020

Dunkle Flecken christlichen Handelns

Ein Gedanke
Statue von John Wesley vor der Wesley-Chapel in London
Foto © Jörg Niederer
"Wenn du Gott darum bittest, Berge zu versetzten, gibt er dir vielleicht eine Schaufel." Shane Claiborne

Ein Bibelvers - Johannes 8,31.32.34-36
"Da sagte Jesus zu den Juden, die ihm Vertrauen geschenkt hatten: Wenn ihr in meinem Wort bleibt, seid ihr wirklich meine Jünger, und ihr werdet die Wahrheit erkennen, und die Wahrheit wird euch frei machen... Amen, amen, ich sage euch: Jeder, der tut, was die Sünde will, ist ein Sklave der Sünde. Der Sklave aber bleibt nicht auf ewig im Haus, der Sohn bleibt auf ewig. Wenn also der Sohn (Gottes) euch frei macht, werdet ihr wirklich frei sein."

Eine Anregung
Wenn heute Menschen argumentieren, dass die menschenunwürdigen Arbeits- und Lebensbedingungen - etwa von vielen TextilarbeiterInnen und Erntehelfern - zwar bedauerlich, aber leider in einer globalisierten Wirtschaft unumgänglich seien, dann ist das kein neues Argument. So sahen in der Zeit der Entstehung der Methodistenkirchen in den USA viele die Sklaverei - als ein notwendiges Übel.
Dabei darf nicht vergessen gehen, dass die ersten Methodistinnen und Methodisten die Sklaverei ablehnt und klare Worte gegen sie gefunden haben. Pfarrer William B. Lawrence fasst die Fakten unter https://www.umnews.org/en/news/slavery-and-the-founders-of-methodism gut zusammen. Hier das Wichtigste daraus:
1774 veröffentlichte John Wesley seine Haltung zur Sklaverei, die "Thoughts Upon Slavery". Darin beschreibt er das Elend der Sklaven in allen Details. Nur schon die Duldung eines Systems der Sklaverei bezeichnete er als Übel, und jede Person in einem solchen System mache sich daran schuldig. https://docsouth.unc.edu/church/wesley/wesley.html
1780 wurden die amerikanischen Methodistenprediger in den Staaten dazu angehalten, gegen die Sklaverei zu predigen. Sklaven sollten von ihren Besitzern unverzüglich freigelassen werden. Alles andere stehe im Widerspruch zum Gesetz Gottes. Die Methodisten in North Carolina und Virginia hielten dies auch schriftlich verbindlich fest.
In der ersten methodistischen Kirchenordnung von 1785 wird festgehalten, dass wer Slaven kaufe oder verkaufe, sofort aus der Mitgliedschaft der Kirche zu entlassen sei, es sei denn, der Kauf geschehe, um Slaven zu befreien.
Im Jahr 1800 veröffentlichte die Generalkonferenz der Methodisten einen Hirtenbrief, unterzeichnet von Thomas Coke, Francis Asbury und Richard Whatcoat, in dem die Versklavung von Schwarzen "das grösste nationale Übel" genannt wird. Das ganze Neue Testament spreche in klarster Weise gegen die Sklaverei. Die Jährlichen Konferenzen (Synoden) wurden angewiesen, die Gesetzgeber in ihren jeweiligen Staaten aufzufordern, die Sklaverei abzuschaffen. Weltweit solle diese "schreienden Sünde" ausgerottet werden.
55 Jahre später kam es dann jedoch zu einer Kirchenspaltung. Methodisten in den US-Staaten, welche die Sklaverei weiterhin guthiessen, bildeten eine eigene Kirche, in der die Sklaverei erlaubt war. Die staatlichen Rahmenbedingungen bestimmten also die Haltung und Ethik der Kirche in der Sklavenfrage.
Im Rückblick kann ich diese vorübergehende Rechtfertigung der Sklaverei nur schwer verstehen angesichts des Menschenbilds von Jesus und der klaren Haltung der Gründerinnen und Gründer der Methodistenkirchen. Es scheint mir ausser Frage zu stehen, dass Menschen andere Menschen nicht besitzen und in Abhängigkeit halten, sie verstümmeln oder töten dürfen.
Zugleich hoffe ich, dass man nicht auch über Bereichen meines Denkens und Handelns dereinst den Stab brechen wird, und sich fragt, wie man als Christ nur eine solche Haltung und Lebensgestaltung vertreten konnte.

Dienstag, 18. August 2020

Mensch, Umwelt oder Geld - was zeichnet die Schweiz aus?

Ein Gedanke
Steinbruch Balmholz am Thunersee
Foto © Jörg Niederer
"Verdienst und Kapital sind keine Güter, die über dem Menschen stehen – sie stehen im Dienst des Gemeinwohls." Franziskus

Ein Bibelvers - 1. Chronik 1,15
"Und Silber und Gold brachte der König (Salomo) nach Jerusalem, als handle es sich um Steine, und Zedern brachte er, als handle es sich um Maulbeerfeigenbäume, die es in der Schefela massenhaft gab."

Eine Anregung
Vitol, Glencore International, Trafigura, Cargill International, Mercuria Energy Trading, Gunvor, BHP Billiton Group. Sieben der zehn grössten Unternehmen der Schweiz und Lichtenstein sind im Mineralöl- und Rohstoffhandel tätig. Die Banken und Versicherungen wurden bei dieser Auflistung in der Handelszeitung vom 25. Juni 2020 ausgenommen. Diese sieben Unternehmen weissen zusammen einen Umsatz von 964'080 Millionen Franken aus. Zum Vergleich: Nestlés Umsatz beträgt 92'568 Millionen Franken, und der von den Schweizerischen Bundesbahnen 9864 Millionen Franken. Noch ein Vergleich: Die Eidgenössischen Bundeseinnahmen von 2019 betrugen 74'474 Millionen Franken.
Die Nettoeinnahmen der Schweizer Rohstoffunternehmen stiegen in 15 Jahren von 2 Milliarden (2002) auf 25 Milliarden Franken (2017). Das EDA schreibt folgerichtig: "Die Schweiz ist eine der weltweit wichtigsten Drehscheiben für den Handel mit Rohstoffen."
Weltweit. Drehscheibe. Wichtig. Die Rahmenbedingungen für diese Unternehmen müssen ausgezeichnet sein in der Schweiz, sonst hätten sie ihren Sitz nicht in diesem kleinen, rohstoffarmen Land.
Wer so stark international arbeitet wie die Handelsfirmen, wird gewollt oder ungewollt zu einer Botschafterin für die Schweiz. Wird gut und menschenfreundlich gearbeitet, wird die Schweiz gut und menschenfreundlich wahrgenommen. Arbeiten die Unternehmen mit unfairen und diktatorischen Mitteln, wird die Schweiz als Hort der Unfairness und Ausbeutung wahrgenommen.
Deshalb unterstütze ich die Konzernverantwortungsinitiative. Ich möchte, dass die wichtigsten Aushängeschilder der Schweiz gleichgesetzt werden mit Menschenfreundlichkeit und Sorgfalt bei Eingriffen in die Natur. Sehr gerne wüsste ich daher auch, welche Unternehmen am meisten zum Gemeinwohl beitragen. Und tatsächlich, auch dazu gibt es eine Rangliste. Darin ist Glencore an 108. Stelle zu finden, die Römisch-Katholische Kirche auf dem 84. Platz, Greenpeace auf dem 43. und die Heilsarmee auf dem 10. Rang. Und wer ist die Nummer 1. Ich verrate nur, dass es nicht die EMK ist. Schau selber nach: https://www.gemeinwohl.ch/atlas!

Montag, 17. August 2020

Gender, Kolonialismus, Sklaverei und eine starke Frau

Ein Gedanke
Regenbogen über Frauenfeld
Foto © Jörg Niederer
Wo ein Wille ist, da ist ein Weg, der Berufung und Identität zu folgen.

Ein Bibelvers - Esther 4,5+6
"Da liess Ester Mordochai antworten: Geh, versammle alle Juden, die in Schuschan zu finden sind, und fastet um meinetwillen: Drei Tage lang sollt ihr nichts essen und nichts trinken, weder in der Nacht noch am Tag. Ebenso werde auch ich mit meinen Dienerinnen fasten. Danach aber werde ich zum König hineingehen, auch wenn es nicht dem Gesetz entspricht. Und wenn ich umkomme, so komme ich um!"

Eine Anregung
Seit langem wieder einmal würde ich gerne einen Film im Kino anschauen. "Insoumises" (Aufmüpfige) erzählt die Geschichte der Schweizerin Henriette Favez. Hier die Stationen ihres spannenden Lebens:
1791 in Lausanne geboren. Die Eltern versterben für. Vom Onkel wird sie mit 15 Jahren mit einem französischen Soldaten verheiratet. Eine gemeinsame Tochter lebt nur acht Tage, der Ehemann stirbt schon nach drei Jahren im Krieg.
Bekleidet wie ein Manns studiert Henriette Favez Medizin an der Sorbonne. Frauen waren damals zu diesem Studium nicht zugelassen. Nach Studienabschluss dient sie als Arzt (nicht als Ärztin) im Napoleonischen Krieg. Dabei gerät sie in Spanien in britische Kriegsgefangenschaft.
Nach dem Krieg nimmt sie in Kuba die Tätigkeit als Arzt wieder auf. Sie heiratet Juana de Léon, eine als Hexe verschriene Mulattin. Es ist nicht sicher, ob Juana bei der Hochzeit wusste, dass Henriettes eine Frau ist. Als Ärztin wirkt sie unter den Armen, versorgte die Menschen, ob Sklaven oder Freie, Schwarze oder Weisse. Das gefällt nicht allen. Bald schon wird sie verdächtigt, eine Frau zu sein. Als sich dies bestätigt, kommt es zum Gerichtsverfahren. Henriette Favez wird beschuldigt, als Frau den Arztberuf ausgeübt und dabei Vorgesetzte und Behörden betrogen zu haben, sowie Juana de Léon zu einer unehrbaren Ehe verführt zu haben. Die Ehe wird annulliert, und eine vierjährige Gefängnisstrafe ausgesprochen welche sie in einem Frauengefängnis antritt. Nach einem zweiten Suizidversuch wird sie nach New Orleans abgeschoben, wo sie sich als Nonne dem Orden der "Daughters of Charity Services" anschliesst. Schwester Magdalena, wie sie nun heisst, dient weiter den Ärmsten als Ärztin, und wird bald Oberin des Ordens. Im Alter von 65 Jahren stirbt sie in New Orleans, ohne je wieder Kuba besucht zu haben.

Zum Filmtrailer: https://youtu.be/GkPqAqSijCo

Sonntag, 16. August 2020

Hart erarbeitete Dankbarkeit

Ein Gedanke
Altarraum der romanischen Kirche Amsoldingen
Foto © Jörg Niederer
"Nur eis Blüemli cha Freud mache, nur eis Wort, das länget scho.
S`brucht bestimmt nid grossi Sache, s`muess eifach vo Härze cho!
Z`allerchlinschte Wörtli zeigt: Z`Gröscht wos gitt isch Dankbarkeit!"
Aus dem Lied Dankbarkeit von Vreny und Franz Stadelmann: https://youtu.be/Vhs9Wtn61So

Ein Bibelvers - 1. Thessalonicher 5,18
"…in allem sagt Dank; das ist der Wille Gottes, in Christus Jesus, für euch."

Eine Anregung
Denken und Danken gehören zusammen. Das Denken bestimmt das Mass der Dankbarkeit.
Das ist eine der Aussagen aus der heutigen Predigt in der Evangelisch-methodistischen Kirche St. Gallen.
Noch herausfordernder ist es, dass wir laut Paulus "in allem" Gott dankbar sein sollen. Also auch für die schweren, belastenden Dinge. Ist das realistisch?
Oder ist das so ein Geben-Empfangen-Ding? Ich opfere in schwierigen Umständen Gott Dankbarkeit, und er führt mich dafür in bessere Lebensumstände?
Wie denkst du darüber?

Hier geht es zum Video der Predigt (anfänglich mit Bildproblemen, aber der Ton ist in Ordnung): https://youtu.be/hlAhXf5jy50
Und hier kann man sich den Text herunterladen: https://emk-st-gallen.ch/geschichten/predigten/

Samstag, 15. August 2020

Teilen, bis es "weh tut"

Ein Gedanke
Brombeeren. Wie viele davon gibst du ab?
Foto © Jörg Niederer
"Zur Hölle wird der Himmel, wenn ich ihn mit niemandem teilen will." Nach einer Aussage von Ernst Ferstl

Ein Bibelvers - Lukas 3,11
"Johannes der Täufer antwortete den Leuten: Wer zwei Hemden hat, teile mit dem, der keines hat, und wer zu essen hat, tue desgleichen."

Eine Anregung
Teilst du gerne? In einer Fernsehwerbung heisst es, dass XY sein feines Fleisch nur in den Sozialen Medien teile. So ist Teilen einfach. Man gibt nur die Kopie ab, den Genuss behält man für sich. Vielleicht wird sogar Neid erzeugt, in dem man die Botschaft weitergibt: "Seht, so gut geht es mir!"
Heute habe ich ein Experiment kennengelernt.
Einer Person werden 100 Franken angeboten mit der einzigen Auflage: Sie bekommt das Geld nur, wenn sie einen Teil davon einer anderen Person schenkt. Das kann 1 Franken sein, das können 30 Franken sein, das kann die Hälfte sein?
Rein wirtschaftlich betrachtet müsste also jetzt jemand sagen: Ich gebe nur einen Franken ab, da für einen Empfänger das Angebot ja immer noch besser wäre, als wenn er es ablehnen würde. 
Was denkst du? Wie viel würdest du von den 100 Franken abgeben?
Und wenn dir Geld angeboten würde von den 100 Franken, wie hoch müsste der Betrag sein, dass du darauf eingehen würdest?
Welche Rolle spielt bei diesem Experiment der Neid?
Was wäre gerecht?
Nachdenkenswert, finde ich.

Am Sonntag, 16. August 2020 um 10.30 Uhr kann man die Predigt von Jörg Niederer in der Evangelisch-methodistischen Kirche St. Gallen auf Youtube mitverfolgen. Es geht um Dankbarkeit!
Siehe https://youtu.be/hlAhXf5jy50

Freitag, 14. August 2020

Kratzen am Morgen

Ein Gedanke
Hund wälzt sich genussvoll in der Wiese
Foto © Jörg Niederer
"Man muss sich kratzen, bevor es zu sehr juckt." (Herkunft unbekannt)

Ein Bibelvers - Psalm 5,4
"HERR, am Morgen hörst du meine Stimme, am Morgen richte ich dir Opfer zu und warte."

Eine Anregung
Der blonde Hund wälzt sich voller Lust im frischen Gras am Ufer der Aare und geniesst sichtlich Massage und Parfümierung. Einige Schritte weiter, vor dem Coop direkt neben der Hauptstrasse liegt eine Katze auf dem noch kühlen Asphalt des Trottoirs und streckt alle Viere in den Himmel. Schon beim Aufstehen konnte ich vom Hotelzimmer aus Ziegen beobachten, wie sie sich den Hintern an einem Baumstamm kratzten. War die Eine fertig, folgte die Nächste.
Sich etwas Gutes tun nach der Ruhe der Nacht, kann helfen, auch schwierige Tage zu überstehen. Aufstehrituale, um für Zeit und Ewigkeit gerüstet zu sein. Was der Tag auch bringen mag, etwas Gutes soll ihn einläuten, etwas Gutes soll durch diesen Tag begleiten.
Zuhause sieht das Aufstehritual bei mir so aus, dass ich meiner Frau und mir einen Latte Macchiato zubereite. Als Beilage rüste ich je einen Apfel essbereit zurecht, zusammen mit Dörraprikosen und Baumnüssen. Schon das Herrichten macht Freude, und das Geniessen dann umso mehr. Ergänzt wird das noch mit ein bisschen Bibel, und mit der Zeitung, und vielleicht noch mit einem Abschnitt aus einem Buch. Mit all dem kratze ich an der Oberfläche des neuen Tages. Was noch kommen wird, gewinnt durch dieses wollige Geniessen seine Grundausrichtung. Ja mit Kratzen am Morgen vergehen nicht alle Sorgen, aber einige schon.