Gesamtzahl der Seitenaufrufe

Montag, 2. Dezember 2019

Traust du dich?

Bild von <a href="https://pixabay.com/de/users/geralt-9301/?utm_source=link-attribution&amp;utm_medium=referral&amp;utm_campaign=image&amp;utm_content=4610699">Gerd Altmann</a> auf <a href="https://pixabay.com/de/?utm_source=link-attribution&amp;utm_medium=referral&amp;utm_campaign=image&amp;utm_content=4610699">Pixabay</a>
«Schon ein bisschen naiv, so etwas zu glauben.»

«Jaja, immer ihr Jungen mit euren grossen Träumen...»

Diese Worte höre ich für einmal nicht von anderen Menschen oder lese sie in Facebook-Kommentaren, sondern sie kommen aus meinem eigenen Kopf. Sie unterbrechen meine Gedanken, als ich mich darauf konzentriere, wie ich mir denn eine Welt voll Gerechtigkeit vorstelle. Sie hindern mich daran, meine Kreativität voll freizusetzen, und schränken meine Träume ein. Was wir uns nicht vorstellen können, können wir unmöglich wahrmachen. Wir brauchen es erst gar nicht zu probieren. Brauchen wir also manchmal die oben genannten Statements vielleicht als Ausrede, gar nicht erst aktiv zu werden? Sind sie zu meiner Ausrede geworden, weil ich in meinem persönlichen Streben nach Gerechtigkeit schon zu oft versagt habe?

So einfach will ich nicht aufgeben und versuche erneut, mir eine Welt voll Gerechtigkeit vorzustellen - unabhängig davon, ob sie für Menschen unmöglich scheint. Langsam nimmt diese Welt in meinem Kopf Gestalt an.

Traust du dich mitzugestalten?

Ein Beitrag für "Kirche und Welt", 12/2019

Freitag, 1. November 2019

Abschiede


Abschiede drängen sich auf, oder treten plötzlich und unvermittelt ein. Wir nehmen Abschied von Orten, von Ferien, von Arbeitsstellen, von Eltern, von Nachbarn, von Freundinnen, von Lebensabschnitten und von Verstorbenen. 

Persönlich nehme ich seit meinem 30. Geburtstag Abschied von meinen Zwanzigerjahren, obwohl ich schon auf 40 zugehe. Ich komme in ein Alter, in dem Freunde und Kolleginnen längst über 50 sind. So verschieben sich Wahrnehmungs- und Bewertungsgrenzen von dem, was alt oder jung ist. Dabei fällt mir in verminderter Form auf, was mir auch in Trauergesprächen und Beerdigungsritualen begegnet. Abschiednehmen hat nicht zuerst mit loslassen, sondern mit neu einordnen zu tun: Verbindungen zu geliebten Zeiten, Orten und vor allem zu Menschen kann ich nicht einfach loslassen, sie sind Teil von dem, was und wer ich heute bin. Der manchmal gut gemeinte Rat «Du musst jetzt halt loslassen» greift zu kurz. In einem Praktikum im ambulanten Hospiz entdeckte ich, dass einige Modelle der Trauerarbeit, - und ich meine, alle Abschiede tragen Teile davon in sich, - davon ausgehen, die Beziehung zu Verstorbenen auf andere Weise zu leben. Vielleicht ein Zimmer entsprechend einzurichten, oder etwas persönliches mit sich herumzutragen. So wird deutlich was wertvoll ist und mich weiter begleitet, aber auch, was ich vielleicht noch nicht loslassen, aber mit jemandem teilen möchte um es neu einzuordnen.
Ich meine, dass Kirche den Auftrag hat Räume für Abschiede zu schaffen und ich freue mich darüber, dass in der Evangelisch-methodistischen Kirche viel Bewusstsein da ist, den Menschen in Abschiedssituationen nah zu sein.
Ein Beitrag für "Kirche und Welt", 11/2019

Montag, 21. Oktober 2019

Klimademo und Klimawahl

Klimademo in BernAm 28. September konnte ich an der grossen Demonstration «Klima des Wandels» in Bern mit dabei sein. Es war ein Vergnügen, Teil zu sein der fröhlich-bunten Menge. Selten habe ich mich so sehr «in der ganzen Schweiz» gefühlt, inmitten von Französisch, Deutsch, allen Generationen, Jazz, Folk und Rock, die oft unerwartet ertönten, Lustigem, Skurrilem und Ernstem. Alles beisammen, wie ein grosses Fest. Es war sehr ermutigend in einer so grossen Gruppe zu sein, die sich für dieses Thema einsetzt.
Neben den heiteren, lustigen und ermutigenden Eindrücken sind in mir der Wunsch und die Hoffnung geblieben, dass die wahlberechtigten Bürgerinnen und Bürger das Thema des verantwortlichen Umgangs mit der Schöpfung nicht nur als individuelle Tugend und persönliches Streben sehen, sondern die politischen Konsequenzen ziehen und dementsprechend ihre Stimme bei den Wahlen am 20. Oktober eingelegt haben. 
Die aktuellen Ergebnisse der Wahlen stimmen hoffnungsvoll.


Mittwoch, 2. Oktober 2019

Nein-Sager

Ja-HäckchenChristinnen und Christen sind gerne anders. Sie sagen oft und gerne Nein. Das christliche «Nein» war in den dunklen Zeiten der Vergangenheit oft ein Hoffnungszeichen für eine gute Zukunft. Aber ist es heute noch angesagt, als Nein-Sager in Erscheinung zu treten? Nicht in jedem Fall. Wir haben in der heutigen Zeit doch so Vieles beizusteuern. Unser «Ja» ist gefragt, unser konstruktives Mitmachen.

  • Ein «Ja» im aufrichtigen Gespräch über politische, geografische, gesellschaftliche und religiöse Grenzen hinweg.
  • Viele Menschen fühlen sich heute nicht wertgeachtet und abgelehnt. Wir dürfen ihnen Vorleben und sagen, dass Gott gerade sie zutiefst bejaht.
  • Wenn nur vom Dunkeln und Negativen die Rede ist, dann können wir voller Hoffnung sein, weil wir wissen, dass in Gottes Welt das Leid und die Angst nicht das Letzte sein werden, und dass auf die Nacht immer ein neuer Tag folgen wird.

Grosszügigkeit als Antwort auf die Kleinkariertheit und letztlich die Angst unserer Tage sollte das Markenzeichen der christlichen Gemeinde sein.


Erschienen in "Kirche und Welt",10/2019


Freitag, 20. September 2019

Wahre Pressefreiheit

Freiheit
Jesus sagt, die Wahrheit macht uns frei. Glauben wir das? Vielleicht meint er doch nur als Wahrheit, dass er Gottes Sohn ist und uns liebt. Denn ob andere Wahrheiten frei machen, ist fragwürdig. Sie verpflichten uns viel mehr zum Handeln und zum Parteiergreifen, sie nehmen uns unsere bequemen Illusionen und unsere Hilflosigkeit.
Anscheinend gehört die Wahrheit nicht zum kostbaren Gut. Nur so kann ich mir die herrschende Stille über die Festnahme von Julian Assange erklären. Ich erinnere mich, wie aufgeregt sich 2015 die Schlagzeilen tage-, ja wochenlang mit dem Anschlag auf die Redaktion von «Charlie Hebdo» befassten. Alle gingen auf die Barrikaden für die Pressefreiheit – auch für eine Zeitschrift, die andere Menschen und Meinungen lächerlich macht.
Nach Julian Assanges Festnahme gab es keine vergleichbare Reaktion. Aber ich finde die politische Kampagne gegen Assange – einen Journalisten, der mit Hilfe von WikiLeaks wichtige und beunruhigende Informationen, die uns alle betreffen, öffentlich gemacht hat! – sehr gefährlich. Ich vermisse eine angemessene Reaktion, in der die damit verbundene Bedrohung für die Pressefreiheit und für das Zivilrecht auf Wissen und Transparenz angeprangert wird.
Jesus sagt, die Wahrheit macht uns frei. Dazu gehört auch die Wahrheit über das widerrechtliche Handeln von Behörden, über korrupte Regierungen, bis hin zu Kriegsverbrechen (vgl. das Video «Collateral Murder»). Zur Wahrheit, die Jesus als freimachend beschwört, gehören grundlegende Menschenrechte. Ich will nicht in einer Welt leben, in der die Wahrheit nur in der inneren Beziehung zu Jesu Wahrheit zu finden ist. Ich will in einer Welt leben, in der Verbrechen auch Verbrechen genannt und aufgedeckt werden. In einer Welt, in der Rechtsbruch nicht zum Heldentum verklärt wird und Politiker für ihr Handeln haftbar sind.

Sonntag, 1. September 2019

Grüntonnen

Festival
«He, gots no!» riefen die beiden Jugendlichen am Bahnhof aus, als ich versuchte, meine leere Flasche im zwischen ihnen stehenden PET-Container zu entsorgen. Ich konnte ja nicht wissen, dass es ihr Transportgefäss ans Open-Air Frauenfeld war. Normalerweise werden Grüncontainer, dafür zweckentfremdet. Unzählige enthalten in der Festival-Zeit keinen Bioabfall, sondern Kleider, alkoholische Getränke, Zelte, Verstärker, und was man halt so für einen gediegenen Aufenthalt unter freiem Himmel braucht.
Wenn die Musikbegeisterten wieder abreisen, sind manche Grüncontainer deutlich leichter und leerer. Zurück auf dem Gelände bleiben von den 180'000 Hip-Hopern 297 Tonnen Abfall. In diesem Jahr sei weniger liegengelassen worden, meinte der Sprecher Joachim Bodmer vom Open Air Frauenfeld. Aber: «… man hat nicht den Eindruck, dass die Klimaschutz-Debatte einen grossen Einfluss gehabt habe».
Dabei ist das gar nicht so viel Abfall: Nur 560 Gramm pro Kopf und Tag. Zu Hause – in den eigenen vier Wänden – sind es nämlich fast 2 kg. Vielleicht sollten wir mehr an Open Airs und mehr «in uns» gehen.
Erschienen in "Kirche und Welt", 9/2019

Montag, 1. Juli 2019

Geld anlegen in der Kirche


Vielleicht haben sie etwas Erspartes und fragen sich heute bei den drohenden Minuszinsen respektive Scheibchen für Scheibchen erhöhten Bankgebühren: Wie kann ich Erspartes noch nutzbringend anlegen? 
Kapelle Niederuzwil
Wer den Nachhaltigkeitsversprechungen der Banken nicht ohne weiteres folgen mag („Sind Fonds in Pharma- und Versicherungsaktien echt nachhaltig?“), wird in Immobilien investieren – oder in die ökologische Sanierung von Wohneigentum. Nicht nur finanziell, sondern auch für die Umwelt nachhaltig wäre die Wärme- und Energiesanierung von historischen Kapellen. Als Pfarrfamilie bewohnten wir vier von fünf rund hundertjährige Gemeindehäuser; und das fünfte und jüngste stammte aus den frühen 1960er Jahren.  Alle Gebäude mit nicht nachhaltigen Heizsystemen; Wärmedämmung (weitgehend) ein Fremdwort.  Und den kleinen Gemeinden fehlt das Geld. Wenn die EMK einen Kapellennachhaltigkeitsfonds schaffen würde, in welchen Gemeindeglieder für eine bescheidene Rendite investieren, wäre einem Anlagebedürfnis und auch der Umwelt gedient. (Geliehen als zinsfreie Darlehen an arme Bezirke, Amortisation auf 10 Jahre in der Höhe der eingesparten Energiekosten. Eine Quersubventionierung durch Renditeliegenschaften wäre zu prüfen.) Jetzt investieren um in Zukunft Energie zu sparen ist auch werthaltig.


Ein Beitrag für "Kirche und Welt", 7/2019

Montag, 17. Juni 2019

«Aber wo isch de itz dis Dihei?» (Aber wo ist denn nun dein Zuhause?)

Zuhause, das sind Familie und FreundeIn den letzten acht Jahren habe ich an sieben verschiedenen Orten gewohnt. Da kommt es öfters vor, dass ich gefragt werde: «Aber wo isch de itz dis Dihei?» Diese Frage fand ich immer irgendwie seltsam, denn mein «Dihei», also mein Zuhause, hat sich bei mir sehr selten auf einen Ort bezogen.* Mein Zuhause ist dort, wo meine Familie ist - die, in die ich hineingeboren wurde, und jene, die ich mir in meinem Leben gewählt habe. «Zuhause sein» hat bei mir mit Beziehungen und nicht mit Orten zu tun.

Auch an dieser Jährlichen Konferenz beschäftigen wir uns mit unserem Zuhause: unserer Kirche, unseren Gemeinden, unserem Ort. Und mit der Fremde: mit dem, was uns fremd erscheint und dem, was uns zu Fremden macht. Über allem jedoch steht und bleibt die Beziehung zu Christus, der dann bei uns ist, wenn uns unser Zuhause fremd vorkommt und uns auch in der Fremde unverhofft ein «Dihei» oder eine Familie finden lassen kann.

*Meiner Schwester und anderen Pfarrkindern geht das übrigens ähnlich. Vielleicht ist es also ein Pfarrfamilien-Syndrom? Diese Analyse überlasse ich aber gerne den Psycholog/innen...


Ein Beitrag für "Kirche und Welt", 6/2019

Donnerstag, 9. Mai 2019

"Hochansteckend!" oder: "Der Neid der Armen"

ObdachloserWeil jemand arm ist, ist er nicht automatisch ein guter Mensch. Auch Fremde können fremdenfeindlich handeln. Personen, die Hilfe brauchen, sind selbst nicht zwingend hilfsbereit. Trotz dieser Erkenntnis überrascht es mich, dass sich die Geringsten einer Gesellschaft so leicht gegeneinander ausspielen lassen.

Da werden die Sozialleistungen bei Asylsuchenden gekürzt mit der Begründung: Zuerst müssen wir für unsere eigenen Armen sorgen. Und die Sozialhilfeempfangenden stimmen klatschend ein. Sie merken nicht, dass diese Kürzungen nicht ihnen helfen. Im Gegenteil, auch ihre Sozialleistungen werden zusammengestrichen.

Wer sich gegen die einen Bedürftigen stellt, handelt meist auch zu Lasten der anderen Armen.

Wo ist die Solidarität der Benachteiligten? Warum dieser Neid unter denen, die wirtschaftlich und gesellschaftlich nicht zu beneiden sind?
Neid ist höchst ansteckend und überwindet selbst Klassenschranken.

Dagegen wünsche ich mir eine ebenso ansteckende christliche Grosszügigkeit, geboren aus der Erfahrung, dass Gott genug für uns alle hat. Dass Gott jeden Menschen liebt.

Erschienen in "Kirche und Welt", 5/2019

Montag, 1. April 2019

Alter Mensch - dein Lächeln bleibt jung

Die Erinnerung verblasst - Demenz
Ich singe die Lieder ihrer Jugend, begleite mit meiner Handorgel. Da kommen die Erinnerungen: Sie hätte doch auch so gerne dieses Instrument gelernt. Aber damals konnten nur die Buben ein Instrument lernen. Ich lege ihr die Handorgel in ihre Hände. Sie berührt das Instrument ganz andächtig.

Alter Mensch, in einer längst vergangenen Zeit beheimatet, und heute bist du verloren. Ein bekanntes Lied aus deiner Jugend schenkt dir Halt.


Ich massiere die Hände der dementen Frau. Sie geniesst diese Berührung, schliesst die Augen, fängt leise an zu summen.

Um dich herum ist Nacht, du bist gefangen in deinem Kokon, der Geist ist ein unruhiges Flackern. Eine leise Berührung öffnet ein kleines Fenster zum Heute.


Ich bete das «Unser Vater». Erinnerungen kommen hoch. Er erlebt sich wieder in der Geborgenheit des Glaubens. Worte aus der Vergangenheit kommen an die Oberfläche. Sätze können ausgesprochen werden, ohne dass nach den richtigen Worten gesucht werden muss.

Dein Glaube trägt und tröstet dich auf deinem letzten Weg. Vertraute Worte, die sich durch Runzeln und Nacht bahnen, um deinen innersten Kern zu erhellen.

Hanna Töngi [Aktivierungsfachfrau], Andre Töngi

Erschienen in "Kirche und Welt", 4/2019

Mittwoch, 13. März 2019

Kirche für andere

Festessen in der EMK Monospitovo, NordmazedonienDer niederländische Theologe, Jan Hendriks (Jan Hendriks, Gemeinde als Herberge. Kirche im 21. Jahrhundert - eine konkrete Utopie, Gütersloh 2001) sieht die christliche «Gemeinde als Herberge». Darin ist Gastfreundschaft keine Neben-, sondern Hauptsache. Auf Niederländisch heisst Gastfreundschaft «gastvrijheid», also «Gast» und «Freiheit». Drei Dinge sind Hendriks dabei wichtig. Erstens, eine gastfreundliche Gemeinde öffnet nicht nur ihre Türen, sondern sich selbst. Radikale Gastfreundschaft schliesst ein, andere nicht nur teilhaben zu lassen, sondern sie mitgestalten zu lassen. Ob eine Gemeinde gastfreundlich ist, entscheidet letztlich der oder die Fremde. Zum zweiten bemerkt Hendriks, dass Gäste zu Gastgebern und Gastgeberinnen zu Gästinnen werden können, indem sie einander aus dem eigenen Leben erzählen und sich so Anteil an den eigenen Fragen, Sorgen und Freuden geben. Zur gastfreundlichen Identität einer Gemeinde gehört drittens, dass die Gemeindeglieder nicht die Eigentümer der Herberge sind. Besitzer ist Jesus Christus.

So sind auch die Gemeindeglieder Gäste in der Herberge. Das Bild der «Gemeinde als Herberge» hilft mir, nicht mehr in den starren Begriffen «Kirche» und «Andere» zu denken, sondern einander im Sinne des «weder Jude noch Grieche» in der einen Kirche Gottes zu sehen.

Ein Beitrag für "Kirche und Welt", 3/2019

Mittwoch, 30. Januar 2019

Über Klimastreiker, Jesus und überraschende Propheten

KlimastreikStell dir vor 22’000 Jugendliche gehen auf die Strasse und keiner spricht darüber. 

So geschehen die letzten Freitage in Städten der Schweiz. Die Jugendliche gingen auf die Strasse, um gegen die aktuelle Klimapolitik (national und international) zu demonstrieren. Sie fordern unter anderem den Klimanotstand und Netto 0 Treibhausgasemissionen im Inland bis 2030 – sie fordern ein «Recht auf Zukunft» (und auf Facebook unter @klimastreikschweiz). Inspiriert werden sie dabei von Greta Thunberg, der 16-jährigen Schülerin aus Schweden, die mit dem Schulstreik fürs Klima anfing. Seit August streikt sie jeden Freitag die Schule (daher der Hashtag #FridaysforFuture), sprach an der UNO-Klimakonferenz in Polen (das Video ist absolut lohnenswert) und am WEF in Davos. Ihr Anliegen stiess auf grossen Anklang und in der Schweiz wächst die Anzahl der Klimastreiker mit jedem Freitag. Am nächsten Samstag, dem 2. Februar, soll nun eine grossangelegte Klimademo in allen grösseren Schweizer Städten stattfinden, an der auch jene Jugendlichen teilnehmen können, die jeweils freitags nicht streiken können/wollen und um auch andere Generationen einbinden zu können (alle Informationen dazu auf klimademo.ch).

Die Vorgehensweise (basisdemokratisch organisiert über Whatsapp) und die Forderungen der Jugendlichen ecken an; nicht nur bei Politikern, sondern auch bei Journalisten und bei uns Älteren (ja, ich zähle mich dazu).

Und es wäre ein Einfaches, sie und ihre Meinung abzutun und sie auf ihre Pubertät, ihr Unwissen oder ihre Einflüsse zu reduzieren. Sie als naive und verwöhnte «Millennials» zu bezeichnen, die sich im Leben noch nicht bewiesen haben, folgendermassen also keine Ahnung haben, wovon sie eigentlich reden.

Aber könnte es auch sein, dass sie etwas begriffen haben, was wir noch nicht erkannt oder wieder vergessen haben? Schliesslich ist es ihre Zukunft, die jeden Tag mit unserer Klima-Politik aufs Spiel gesetzt wird. Es sind ihre Ressourcen, die wir verschwenden. Sie sind es, die mit den Folgen der aktuellen Klima-Politik leben müssen.

Was würde es also bedeuten, wenn wir den Ratschlag von Jesus «Werdet wie die Kinder» (Matthäus 18,3), in dieser Situation ernst nehmen würden?

Vielleicht bedeutet es, mit ihnen diesen Samstag auf die Strasse zu gehen.
Vielleicht bedeutet es, ihre weiteren politischen Aktionen zu unterstützen.
Vielleicht bedeutet es, ihre Stimme in Politik, Bildung und Wirtschaft zu stärken.

Ganz sicher bedeutet es, ihnen zuzuhören. Sie ernst zu nehmen. 
Ich bin überzeugt, dass wir viel von ihnen lernen können, dass wir vielleicht sogar wie sie werden können. Meinen Respekt haben sie, ebenso meine Stimme.

Propheten kamen schon immer in überraschender Weise – heute vielleicht in weissen Sneakers und Crop-Tops.


Sonntag, 27. Januar 2019

Die Chance der Zersiedlungsinitiative

Zersiedlungsinitiative
Mit «Zersiedelung stoppen – für eine nachhaltige Siedlungsentwicklung» (Zersiedlungsinitiative) gibt es in der nächsten Abstimmung am 10. Februar die Gelegenheit etwas zu unternehmen, damit in der Schweiz unbebaute Flächen bestehen bleiben, damit es schwerer wird, Grünflächen neu zu überbauen, aber leichter, nachhaltiges Wohnen zu planen und einzurichten.
Ich höre Schweizer immer wieder liebevoll und schätzend über ihre Heimat reden, wie reizvoll die Berge, wie lieblich die Wiesenlandschaften und wie belebend die herrlichen, sauberen Gewässer sind. Mit vielen Nicht-Schweizern kann ich bestätigen, dass dieses Stück Erde sehr anziehend ist. Jedoch frage ich mich, wie lange es diese schönen Gegenden noch gibt, weil Asphalt und Beton überall wachsen. Für diese Initiative spricht also, dass sie die wunderschöne Schweiz erhalten möchte. 
Es spricht noch mehr dafür: die Verantwortung gegenüber zukünftigen Generationen. Ich fand die Jugendlichen sehr beeindruckend, die in den letzten Monaten in Kanada, Schweden, Australien und Katowice (Polen) für ihre Rechte eingetreten sind, in der Zukunft in einer Welt leben zu dürfen, in der Leben möglich ist. Sie rügen alle für ihre Feigheit und ihre kurze Sicht, welche gestern und heute gewählt wurden und entschieden haben. Ich meine, zurecht.
Jemand sagte zu mir, er würde diese Initiative nicht unterstützen, weil er liberal – freiheitsliebend – wäre. Für ihn sind politische Vorschriften also freiheitshemmend. Auf diese Weise werden politische Vorschriften, die Konsumenten und schwächere Handelsparteien beschützen, häufig schlecht geredet. Steuersenkungen und Freihandelsabkommen gelten dann nicht als freiheitshemmend, obwohl sie auch regulieren!
Ich sehe in der Geschichte viele Beispiele, bei welchen politische Entscheide Gutes bewirkt haben: saubere Gewässer, Geräte, die weniger Energie verbrauchen und gute medizinische Praktiken. Fast jedem Schritt wurde zuerst mit Unbehagen begegnet, und doch wurden genau diese Vorschriften dann zu Impulsen, Besseres zu entwickeln. Im Nachhinein gehören sie dann zu unserem erfreulichen Alltag.
So scheint mir die Zersiedlungsinitiative eine gute Chance zu sein, sich für die Zukunft einzusetzen, eine Zukunft, in der die nächsten Generationen auch noch etwas von der schönen Schweiz haben und in der Menschen gut und gerne leben können.