Ein Gedanke
"Der Fußball und v.a. die Beziehung der Fans zum Verein und ihr daraus resultierendes Verhalten weisen, darin sind sich viele Autoren einig, eine Reihe formaler Ähnlichkeiten zu Religionen und religiösem Handeln auf." Mike S. Schäfer & Mathias Schäfer in "Abseits-Religion. Fußball als Religionsersatz?"Foto © Jörg Niederer
Ein Bibelvers - Jesaja 22,17+18a
"Du hältst dich für stark, aber du wirst sehen: Der Herr wird dich kräftig durchschütteln. Er wird dich packen und wie Wolle zusammenknüllen. Dann schleudert er dich wie einen Ball in ein riesiges Land." [Der vielleicht einzige Hinweis auf einen Ball in der Bibel]
Eine Anregung
Die Fussballclubs von St. Gallen und Luzern spielen heute im Cupfinal um den Meistertitel. Dazu wurden selbst die Ampelmännchen in der Gallusstadt angepasst. Von 14:30 - 17:30 Uhr überträgt SRF2 den Sportanlass.
Brot und Spiele waren im alten Rom Wahlgeschenke. Stark verbilligt oder kostenlos abgegebenes Getreide sowie gesponserte Zirkusspiele sollten die Machthaber vor Aufstände der Armen bewahren und die Bevölkerung bei Laune halten.
Das ist in Luzern und St. Gallen heute anders als im Rom der Cäsaren. Dagegen haben Brot und Spiele durchaus immer noch rituellen oder ersatzreligiösen Charakter.
Das Gipfeli zum Kaffee am Morgen, das Pariserbrot, ohne das in Frankreich kein Tag beginnen kann, das Bürli zur St. Galler Bratwurst, die Hostie zur Eucharistie.
Beim Fussballspiel fallen besonders die Schlachtgesänge auf, die kollektive Verehrung von Spielern und Trainern, das Vokabular (Fussballgott, Heiliger Rasen, Hand Gottes) der feierliche Einzug der Akteur*innen, die liturgische Fankleidung, das Kreuzzeichen mancher Spieler, der Kniefall nach einem Tor oder Sieg.
Mike S. Schäfer und Mathias Schäfer kommen in ihrer Untersuchung: "Abseits-Religion. Fußball als Religionsersatz?" zu folgender Erkenntnis:
"Die Ergebnisse weisen also darauf hin, dass sich Fußball und Religion sehr wohl in einer, der sozialen Funktion überschneiden und hinsichtlich dieses Aspekts auch in einem Konkurrenzverhältnis stehen. Wenn man nun, etwa mit Hitzlers (1994) These des 'Sinnbastelns' erwartet, dass Menschen die Befriedigung verschiedener Bedürfnisse in der Moderne nicht mehr gebündelt bei einer Institution, etwa einer Glaubensgemeinschaft, suchen, sondern für jede Aufgabe den ihrer Meinung nach jeweils besten ‚Anbieter‘ wählen, dann ist vorstellbar, dass Fußball und Religion die herausgearbeiteten Funktionen untereinander aufteilen. Der Entscheidung für ein solches Angebot könnte dann eine bewusste oder unbewusste Kosten-Nutzen-Abwägung des Einzelnen zugrunde liegen. Wird das Bedürfnis nach Integration beispielsweise besser im Fußball bedient, sinkt die Notwendigkeit für Gemeinschaftserlebnisse in der Kirche. Sind religiöse Lehren geeigneter, die eigene Existenz in einen größeren Sinnzusammenhang einzuordnen, so muss nicht im Fußball nach übergreifenden Werten gesucht werden. Fußball und Religion haben zweifellos ihre je eigenen Potenzen, können in Teilbereichen, etwa in der Gemeinschaftsdimension, in Konkurrenz zueinander stehen, unterscheiden sich in ihrer konkreten Ausrichtung und ihrem Geltungsanspruch aber ausreichend voneinander, um sich als Gesamtphänomene nicht gegenseitig auszuschließen." Siehe https://www.uzh.ch/cmsssl/ikmz/dam/jcr:de90cf56-188b-4301-beea-8fd36525d6a2/4_13.pdf
Jörg Niederer ist Mitglied im Ausschuss Kirche und Gesellschaft der EMK Schweiz-Frankreich-Nordafrika
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