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Mittwoch, 30. September 2020

Was ist an der Konzernverantwortungsinitiative (KVI) neokolonialistisch?

Ein Gedanke

Swissta-Wasser an einer Tagung in der DR Kongo
Foto © Jörg Niederer
"Ich unterstütze die Konzernverantwortungsinitiative, weil Schweizer Konzerne internationale Standards weltweit einhalten sollen." Bischof Patrick Streiff

Ein Bibelvers - Micha 6,8
"Er hat dir kundgetan, Mensch, was gut ist, und was der Herr von dir fordert: Nichts anderes, als Recht zu üben und Güte zu lieben und in Einsicht mit deinem Gott zu gehen."

Eine Anregung
Paul W. Gilgen, Mitglied in der Ethikkommission gegen die KVI (Konzernverantwortungsinitiative) äussert sich im aktuellen PFARREIforum (Pfarrblatt Bistum St. Gallen, 10. Ausgabe 2020 - https://www.pfarreiforum.ch/) so: "Es kann nicht sein, dass Schweizer Gesetz und Gerichte weltweit zur Anwendung kommen sollen. Das ist reiner Neokolonialismus, eine Anmassung sondergleichen. In vielen Ländern im globalen Süden ist die Umweltgesetzgebung durchaus vergleichbar mit jener der Schweiz."
Zweifellos ist die Gesetzgebung in vielen Ländern der Schweizerischen ebenbürtig. Bei Menschenrechtsverletzungen und Umweltvergehen sind die Gerichte in den jeweiligen Ländern denn auch erste Anlaufstellen. Dass die Konzernverantwortungsinitiative die Klage auch vor Schweizer Gerichten vorsieht, hat gar nichts mit Neokolonialismus zu tun. Im Gegenteil. Es geht um Konzerne mit Sitz in der Schweiz. Wenn diese in anderen Ländern die internationalen Standards der ILO oder andere internationale Übereinkommen nicht einhalten, Arbeitskräfte Gefahren aussetzen oder deren Abhängigkeit ausnützen, so wie sie das in der Schweiz nie tun dürften oder könnten, oder die Umwelt belasten und zu illegalen Mitteln greifen, dann ist genau das Neokolonialismus. Der gute Ruf der Schweiz wird von solchen Firmen ungestraft in den Schmutz gezogen. Hier ist es nicht mehr als recht, dass gegen Konzerne mit Sitz in der Schweiz auch in der Schweiz geklagt werden kann. Kein internationaler Schweizer Konzern, der korrekt und sorgsam geschäftet und dabei die Würde der Menschen und die Bewahrung der Schöpfung beachtet, hat etwas durch die Konzernverantwortungsinitiative zu befürchten. Es geht lediglich um ein paar wenige, bisher meist unverbesserliche, "schwarze Schafe".
Die Evangelisch-methodistische Kirche (EMK) ist selbst eine internationale Organisation. Berührungen mit Schweizer Konzernen gibt es in vielen Ländern der Welt. Die lokalen Verantwortlichen kennen die fehlbaren Konzerne. Es sind auch ihre Stimmen, die uns dazu bewegen, die Konzernverantwortungsinitiative zu unterstützen. Wir sehen darin ein Werkzeug, das bei der Umsetzung der Menschenrechte und Umweltstandards hilft, gerade auch für Menschen aus unserer Kirche.
Darum unterstützt die EMK diese Konzernverantwortungsinitiative. Unsere Stellungnahme findet man unter https://emk-schweiz.ch/2020/09/28/anstaendig-mit-mensch-und-umwelt-umgehen-eine-stellungnahme/.
Wenn du etwas tun willst, um der Initiative an der Urne zum Durchbruch zu verhelfen, mache doch mit bei der Postkartenaktion. Es geht darum, dass so viele Menschen wie möglich aus unserem Bekanntenkreis am 29. November für Menschenrechte und Umweltschutz an die Urne zu gehen. Hier kann man die Postkarten bestellen: https://konzern-initiative.ch/postkarten/?a8bit=so.


Jörg Niederer ist Mitglied  im Ausschuss Kirche und Gesellschaft der EMK Schweiz-Frankreich-Nordafrika

Dienstag, 29. September 2020

Verhalte ich mich latent rassistisch?

Ein Gedanke
Gothic-Stiefel am Bahnhof Zürich
Foto © Jörg Niederer
"Rassismus gedeiht da, wo er geleugnet wird."
Doudou Diène, Jurist und ehemaliger Sonderberichterstatter der Vereinten Nationen

Ein Bibelvers - Esra 10,10+11
"Da erhob sich Esra, der Priester, und sprach zum Volk: Ihr habt treulos gehandelt und habt fremdländische Frauen heimgeführt, und habt damit die Schuld Israels vergrössert. So legt nun dem Herrn, dem Gott eurer Vorfahren, ein Bekenntnis ab und folgt seinem Willen: Trennt euch von den Völkern des Landes und von den fremdländischen Frauen!"

Eine Anregung
Der Text aus dem biblischen Buch Esra zeigt auf, dass Rassismus auch religiös begründet sein kann. Selbst wäre ich wohl auf Seiten von Jonatan, dem Sohn des Asael, Jachseja, dem Sohn des Tikwa, Meschullam und Schabbetai gewesen, die sich gegen die nachbabylonische, ethnische Säuberung wandten (Siehe Esra 10,15).
In meiner näheren Familie gibt es Menschen aus Sri Lanka, Indonesien, Australien, Japan, USA, England und der Schweiz. Mit allen komme ich gut aus, ob sie nun Moslems oder Christen, dunkelhäutig oder hellhäutig sind. Auch an meinem Arbeitsplatz in der EMK begegne ich Menschen aus vielen Weltgegenden. An kirchlichen Tagungen ist es kein Problem, kulturelle Grenzen zu überwinden. Der Glaube eint.
Doch in anderen alltäglichen Situationen setze ich mich eher zu einer schweizerisch aussehenden Person ins Zugsabteil als zu einem Dunkelhäutigen. Auch Menschen, die auffällig dunkel gekleidet sind, sind mir nicht ganz geheuer. Warum dieses einseitige, irrationale Misstrauen? Ich weiss doch, dass man nicht vom Äusseren auf den Charakter eines Menschen schliessen kann. Im Gegenteil: In meinem bisherigen Leben wurde ich öfters von Landsleuten endtäuscht als von Fremden. Und doch verhalte ich mich gegen alle Vernunft. Warum nur?
Ist das nun schon unterschwelliger Rassismus?

Montag, 28. September 2020

Die Namensverhunzung durch Herrn Nationalrat Glarner

Ein Gedanke

Namenstafeln zum Gedenken im Garten der Wesley Chapel London
Foto © Jörg Niederer
"Habe acht auf deinen Namen, denn er wird dir länger bleiben, als ein großer Goldschatz." Chinesische Redensart

Ein Bibelvers - 1. Mose 17,5+15

Gott: "Man wird dich nicht mehr Abram nennen, sondern Abraham wird dein Name sein, denn zum Vater einer Vielzahl von Völkern habe ich dich bestimmt... Und Gott sprach zu Abraham: Sarai, deine Frau, sollst du nicht mehr Sarai nennen, sondern Sara soll ihr Name sein."

Eine Anregung

Herr Nationalrat Glarner stellte in einem Interview vage in Aussicht, dass er sich für den "Versprecher" beim Namen seiner Ratskollegin Nationalrätin Sibel Arslan (er nannte sie Arschlan) allenfalls entschuldigen könnte. Die Leichtigkeit, mit der ihm diese verachtende Benennung von den Lippen ging, lässt vermuten, dass er die politische Gegnerin in Gedanken und im Freundeskreis schon längere Zeit so bezeichnet. 

Die Verhunzung von Eigennamen, auch wenn sie spasseshalber, und nicht in beabsichtigter, verletzender Weise geschieht, missachtet die Persönlichkeit und Identität eines jeden Menschen. Das gilt auch in unserer Gesellschaft, in der die Benennung einer Person nicht durch die Trägerin oder den Träger des Namens erfolgt. Erst recht gilt es in Gesellschaften, in denen sich ein Mensch den Namen selbst gibt, wie das bei machen indigenen Völkern der Fall ist.

Namen offenbaren etwas von der eigenen Persönlichkeit und der kulturellen Einbindung. Darum wurden den Juden im Nationalsozialismus verhöhnende, abwertende Familiennamen gegeben. Darum war es lange Zeit nicht möglich, dass ein Mann bei der Ehe den Familiennamen der Frau annahm. Darum wurden Sklaven und Bedienstete nicht mit ihrem eigenen Namen gerufen. Darum ist das Aussprechen des Gottesnamens in manchen Religionen verpönt oder verboten.

Denn wer den Namen des Gegenüber kennt, kann anders mit ihm oder ihr umgehen, kann sie oder ihn direkt ansprechen, auch direkt anklagen, diffamieren, manipulieren oder auch loben.

Wer den eigenen Familiennamen ändert, etwa um sich einer neuen Kultur anzupassen, lässt immer etwas zurück, und das ist oft mehr als die Sonderzeichen der jeweiligen Schriftsprache oder die Betonung bei der Aussprache. Man lässt einen Teil seiner Vergangenheit zurück und passt sich in den neuen kulturellen Kontext ein. Man macht sich namentlich pflegeleicht, will dazugehören.

Namen sind alles andere als Schall und Rauch. "...ich habe dich bei deinem Namen gerufen, du gehörst zu mir." (Jesaja 43,1) Gott spricht dies durch Jesaja dem Volk Israel zu. Indem Gott sein Volk benennt, gibt er ihm Würde, Beachtung und Zuwendung.

Ob sich wohl Herr Glarner bei Frau Arslan wirklich für die Namensverunglimpfung entschuldigt und ob diese Entschuldigung von Herzen kommt? Noch habe ich meine Zweifel.


Jörg Niederer ist Mitglied  im Ausschuss Kirche und Gesellschaft der EMK Schweiz-Frankreich-Nordafrika

Sonntag, 27. September 2020

Wenn der Wurm drin ist, und wie man damit umgehen kann!

Ein Gedanke

Kastanien und andere Erträge des Jahres
Foto © Jörg Niederer
Wer Arbeit und Mühe in Maronis steckt, erntet Vermicelles.

Ein Bibelvers - Jesaja 3,10+11

Jesaja: "Sagt vom Gerechten, dass es ihm gut gehen wird: Die Frucht seiner Taten wird er geniessen. Wehe dem Frevler! Ihm wird es schlecht ergehen: Was seine Hände tun, wird ihm angetan werden."

Eine Anregung

Wie kann man gute Maronistände von schlechten unterscheiden? Wie kann man Maronis mit und ohne Wurm erkennen?

Ich will für mein Geld gute Maronis erhalten. Maronihändler, die wurmstichige Maronis verkaufen, bleiben nicht lange im Geschäft. Spätestens nach dem zweiten Fehlkauf sucht man sich einen andern Kastanieniröster.

Faule Früchte bringen keine Gerechtigkeit hervor. Und Gerechtigkeit bringt keine faulen Früchte hervor. 


Darum geht es auch in der heutigen Sonntagspredigt zum Erntedankfest in der Evangelisch-methodistischen Kirche St. Gallen. Sie wird wieder auf Youtube direktübertragen. Ab 10.30 Uhr beginnt es unter https://youtu.be/KLfggdkdH3A


Jörg Niederer ist Mitglied  im Ausschuss Kirche und Gesellschaft der EMK Schweiz-Frankreich-Nordafrika

Samstag, 26. September 2020

Was übrig bleibt...

Ein Gedanke

Restwasser unterhalb des Rheinkraftwerks Rheinfelden
Foto © Jörg Niederer
"Wer nicht kommt zu rechten Zeit, muß nehmen, was übrig bleibt." Deutsches Sprichwort

Ein Bibelvers - 1. Korinther 13,13

"Nun aber bleiben Glaube, Hoffnung, Liebe, diese drei. Die grösste unter ihnen aber ist die Liebe."

Eine Anregung

Jemand zitierte gestern den folgenden Satz: "Charakter ist das, was vom Menschen übrig bleibt, wenn es schwierig wird". Und während ich versuchte, herauszufinden, wer das gesagt hatte, fand ich weitere ähnlich geartete Aussagen:

"Bildung ist das, was übrig bleibt, wenn der letzte Dollar weg ist." Mark Twain

"Bildung ist das, was übrigbleibt, wenn wir vergessen, was wir gelernt haben." Edward Frederick Lindley Wood

Die Wahrheit, so unwahrscheinlich sie auch ist, ist das, was übrig bleibt, wenn das Unmögliche ausgeschlossen wurde. (nach Arthur Conan-Doyle)

Was vor der Mehrzahl der Werke übrig bleibt, sind die Zitate. (nach Stanislaw Jerzy Lec)

Restwasser ist das, was übrig bleibt, wenn das Flusskraftwerk gebaut ist.

Auch von Dietrich Bonhoeffer gibt es Gedanken über das, was übrig bleibt: "Wenn wir uns in unruhigen Zeiten einmal fragen, was eigentlich von all der Aufregung, von all dem Hin und Her der Gedanken und Überlegungen, von all den Sorgen und Befürchtungen, von allen Wünschen und Hoffnungen, die wir uns machen, wirklich zuletzt übrig bleibt – und wenn wir uns dann die Antwort der Bibel geben lassen wollen, so wird uns gesagt: Es bleibt von all dem zuletzt nur eines, nämlich die Liebe, die wir in unseren Gedanken, Sorgen, Wünschen und Hoffnungen gehabt haben." https://www.dietrich-bonhoeffer.net/ 


Morgen Sonntag wird die Predigt zum Erntedankfest in der Evangelisch-methodistischen Kirche St. Gallen wieder auf Youtube direktübertragen. Ab 10.30 Uhr beginnt es unter https://youtu.be/KLfggdkdH3A


Jörg Niederer ist Mitglied  im Ausschuss Kirche und Gesellschaft der EMK Schweiz-Frankreich-Nordafrika

Freitag, 25. September 2020

Hexen hineingeheimnissen

Ein Gedanke

Hexenhüsli in Degersheim
Foto © Jörg Niederer
Anstand und Respekt sind keine Hexerei.

Ein Bibelvers - 1. Samuel 28,6+7

"Und Saul befragte den Herrn, aber der Herr antwortete ihm nicht, nicht durch Träume, nicht durch die Urim, nicht durch die Propheten. Da sagte Saul zu seinen Dienern: Sucht mir eine Frau, die Herrin ist über einen Totengeist. Dann will ich zu ihr gehen und sie befragen. Und seine Diener sagten zu ihm: Sieh, in En-Dor gibt es eine Frau, die Herrin ist über einen Totengeist."

Eine Anregung

Beim Lesen bin ich über das Wort "hineingeheimnissen" gestolpert. So ein Wort gibt es doch nicht, dachte ich mir, und war umso erstaunter, dass der Duden es kennt. Als Bedeutung steht da: "fälschlich die Meinung haben oder äußern, dass etwas auf geheimnisvolle, verborgene Weise in etwas enthalten sei".

Nun überlege ich mir, wo ich überall hineingeheimnisse. 

Dramatisch war das Hineingeheimnissen für zwangsversorgte Kinder, die als verwahrlost, sündig und vom Teufel besessen angesehen wurden. "Hexenkinder" heisst ein Film vom Innerschweizer Regisseur Edwin Beeler, der aufzeigt, wie eine in Menschen hineinprojizierte obskure Glaubensvorstellung zu Gewalt, Erniedrigung und Folter führte. Und das nicht etwa im dunklen Mittelalter, sondern in der jüngeren Vergangenheit, zu einer Zeit, als ich selbst noch Kind war. Hineingeheimnissen kann in der Fantasieliteratur und Märchenwelt faszinierend sein, wo dies aber in der realen Welt zu Erniedrigung und Verachtung von Menschen führt, ist es brandgefährlich. Hier geht es zur Webseite des Films: https://www.hexenkinder.ch/


Am kommenden Sonntag wird die Predigt zum Erntedankfest in der Evangelisch-methodistischen Kirche St. Gallen wieder auf Youtube direktübertragen. Ab 10.30 Uhr beginnt es unter https://youtu.be/KLfggdkdH3A


Jörg Niederer ist Mitglied  im Ausschuss Kirche und Gesellschaft der EMK Schweiz-Frankreich-Nordafrika

Donnerstag, 24. September 2020

Skandalöser Schuldenerlass

Ein Gedanke

Abendmahl in der Wesley Chapel in London
Foto © Jörg Niederer
"Der Schwache kann nicht verzeihen. Verzeihen ist eine Eigenschaft des Starken." Mahatma Gandhi

Ein Bibelvers - Matthäus 18,23-27

"Darum ist es mit dem Himmelreich wie mit einem König, der mit seinen Knechten abrechnen wollte. Als er abzurechnen begann, wurde einer vor ihn gebracht, der ihm zehntausend Talent (34'000 kg Gold) schuldig war. Weil er sie nicht zurückzahlen konnte, befahl der Herr, ihn mit Frau und Kind und seiner ganzen Habe zu verkaufen und so die Schuld zu begleichen. Da warf sich der Knecht vor ihm auf die Knie und flehte: Hab Geduld mit mir, und ich werde dir alles zurückzahlen! Da hatte der Herr Mitleid mit jenem Knecht und liess ihn gehen, und die Schuld erliess er ihm."

Eine Anregung

Mein Pfarrkollege Christian Hagen stellt in seinem Blog die Frage: "Kann Gott alles vergeben?" Unter anderem beantwortet er diese Frage mit der Feststellung, dass "Gottes Vergebungsbereitschaft skandalös" sei. Am Beispiel des nationalsozialistischen Generalgouverneurs von Polen, Hans Frank, unter dessen Herrschaft Millionen von Juden starben, und der sich später zu Christus bekehrt haben soll, fragt er, ob es nicht auch für Gott ein Zuviel an Schuld gäbe, so dass er sie nicht mehr vergeben könne. Hier seine persönliche und gut durchdachte Antwort: https://daskoenigreichgottes.com/2020/09/22/kann-gott-alles-vergeben/

Am kommenden Sonntag wird die Predigt zum Erntedankfest in der Evangelisch-methodistischen Kirche St. Gallen wieder auf Youtube direktübertragen. Ab 10.30 Uhr beginnt es unter https://youtu.be/KLfggdkdH3A


Jörg Niederer ist Mitglied  im Ausschuss Kirche und Gesellschaft der EMK Schweiz-Frankreich-Nordafrika

Mittwoch, 23. September 2020

Brotzeit

Ein Gedanke

Brot
Foto © Jörg Niederer
"In jedem Brot ist die Gnade des allmächtigen Gottes verborgen." Nikolaus von Flüe (1417 - 1487)

Ein Bibelvers - Matthäus 6,11

"Das Brot, das wir nötig haben, gib uns heute!"

Eine Anregung

In den Vorkriegsjahren spielte sich die folgende Szene in Irland ab:

"Vor Kathleen O'Connells Laden steht ein Brotwagen. Hinten ist die Ladefläche offen, und innen sind Regale mit dampfendem frischgebackenem Brot. Der Fahrer ist auf einen Tee und ein Rosinenbrötchen bei Kathleen im Laden, und es ist gar nicht schwer, einen Laib Brot zu nehmen. Es ist falsch, bei Kathleen zu stehlen, so gut, wie sie immer zu uns ist, aber wenn ich hineingehe und sie um Brot bitte, wird sie sich ärgern und mir sagen, ich vergälle ihr ihren Morgentee, den würde sie nämlich gern mal in Ruhe, Frieden und ohne Hetze zu sich nehmen, danke schön. Es ist leichter, das Brot unter meinen Pulli zur Limonade (die Frank kurz zuvor gestohlen hat) zu stopfen und zu geloben, dass ich alles in der Beichte sage." (Frank McCourt, Die Asche meiner Mutter, München 1996)

1980 wanderte Michael Holzach (1947-1983) ohne Geld durch Deutschland und bettelt zum ersten Mal in seinem Leben.

"'Sie wünschen bitte?' Welch eine Frage! Mir ist alles recht, ob Schnittchen, ob Torte oder Strudel, auch einzupacken braucht sie es gar nicht erst, ich verzehre gleich hier, stehenden Fusses. Das Bedienungsmädchen, blond, weissgeschürzt, wartet auf meine Bestellung. Ding-dong, neue Kundschaft kommt, durch den Türspalt sehe ich draussen meinen angebundenen (Hund) Feldmann, der sorgenvoll zu mir hereinstarrt. 'Sie wünschen, bitte?' Ein wenig über den Tresen gebeugt, um nicht zu laut sprechen zu müssen, kommt aus mir der Spruch von Gustav (einem einst von Holzach interviewten Obdachlosen): 'Haben Sie wohl etwas altes Brot oder Gebäck übrig?' Mit dieser Frage ist auch meine Verlegenheit über dem Tresen. Als hätte ich dem Mädchen einen unsittlichen Antrag gemacht, läuft sie rot an, sagt nach kurzem Zögern dann 'Einen Moment' und verschwindet durch eine Tür neben dem schön dekorierten Pralinenregal. Auf der Strasse schrillt das Martinshorn einer Militärstreife heran und fährt vorbei. Die Aprikosenschnittchen lächeln mich an. Ding-dong, noch mehr Leute. Endlich kommt die Bedienung zurück, immer noch etwas verfärbt im Gesicht, eine Papiertüte in den Händen. 'Bitte' sagt sie mit betretenem Lächeln. 'Danke' sage ich, bemüht, ihrer Stimmlage zu entsprechen. Mit einem Ding-dong bin ich wieder draussen an der Luft. Feldmann tanzt." Michael Holzach, Deutschland umsonst, Hamburg 2015, S. 30

Welches Brot schmeckt besser: das gestohlene, das erbettelte oder das gekaufte?


Jörg Niederer ist Mitglied  im Ausschuss Kirche und Gesellschaft der EMK Schweiz-Frankreich-Nordafrika

Dienstag, 22. September 2020

Vom Bier der Menschwerdung und dem ewigen Leben der Schlange

Ein Gedanke

Schautafel im Verkaufslokal der Brauerei Locher in Appenzell
Foto © Jörg Niederer
"Die Mythologie ist die erstgeborene Schwester der Geschichtskunde" Voltaire (1694 - 1778)

Ein Bibelvers - 1. Mose 3,22

"Und der Herr, Gott, sprach: Sieh, der Mensch ist geworden wie unsereiner, dass er Gut und Böse erkennt. Dass er nun aber nicht seine Hand ausstrecke und auch noch vom Baum des Lebens nehme und esse und ewig lebe!"

Eine Anregung

Am vergangenen Samstag besuchten wir in Appenzell den Verkaufsladen der Brauerei Locher. Dort wurde ich wieder einmal auf das Gilgamesch-Epos aufmerksam, ein fast viertausend Jahre alter Text aus dem babylonischen Raum. Bier soll darin eine besondere Rolle spielen. Aber noch aus anderen Gründen ist dieses Werk, überliefert auf Tontafeln und späteren Abschriften und Übersetzungen, von Bedeutung, finden sich darin doch Vorläufer des Kainszeichens, der Sintflut, und der Pflanze, die ewiges Leben verspricht. Alles Dinge, die dann auch in der Bibel ihren Niederschlag fanden.

Zurück zum Bier. In einem Text des Bierproduzenten "Pilgrim" steht: "Wie wichtig Backen und Brauen war bezeugt auch das um 2000 v. Chr. entstandene Gilgamesch-Epos, das erste grosse Werk der Weltliteratur. 'Bete, oh Wanderer, der du hier vorbeiziehst, 1000 Bier und 1000 Brot für den, der da liegt….' lautet eine Textstelle. Eine weitere erzählt, wie aus dem tierhaften Ur-Mensch Enkidu durch die Kraft im Bier der erste richtige Mensch entstand!" https://www.pilgrim.ch/geschichte-des-bieres/

Auch Ätiologien finden sich im Gilgamesch-Epos. So wird mit einer Geschichte erklärt, warum die Schlange sich häutet. Gilgamesch versucht mit dem Bezwingen des Schlafs, des kleinen Bruders des Todes, ewiges Leben zu erlangen. Das gelingt ihm nicht, doch von Uta-napišti erfährt er, wo die Pflanze der ewigen Jugend wächst. "Gilgamesch gräbt ein Loch und taucht in den Abzu genannten, unter der Erde befindlichen Süßwasserozean. Schnell findet er das Gewächs und löst seine Tauchgewichte. Beim Auftauchen wirft ihn die Flut an das Land der diesseitigen Welt, wo Ur-šanabi auf ihn wartet. Sie machen sich auf den Weg zurück in die Heimat. Dort will Gilgamesch die Wirkung der Pflanze zunächst an einem Greis testen. Als er an einem Brunnen rastet, ist er jedoch unvorsichtig und eine Schlange kann ihm die Pflanze der ewigen Jugend stehlen, worauf sie sich häutet." https://de.wikipedia.org/wiki/Gilgamesch-Epos


Das Video vom Kindersegnungs-Gottesdienst vom 20. September in der Evangelisch-methodistischen Kirche St. Gallen kann kann nun unter https://youtu.be/7p0SIRDxMT8 angeschaut und angehört werden.


Jörg Niederer ist Mitglied  im Ausschuss Kirche und Gesellschaft der EMK Schweiz-Frankreich-Nordafrika

Montag, 21. September 2020

Wolfshausen oder Wolfenschiessen

Türkenbund in Wolfsgrueb bei Wald ZH
Foto © Jörg Niederer

Ein Gedanke

"Der Mensch ist des Menschen Wolf." (Homo homini lupus.) Thomas Hobbes

Ein Bibelvers - Galater 6,9

"Im Tun des Guten wollen wir nicht müde werden, denn zu gegebener Zeit werden wir ernten, wenn wir nicht ermatten."

Eine Anregung

Weil in der Schweiz gerade der Wolf umgeht, politisch und in der Natur, hier einige Beobachtungen.

Wie heimisch der Wolf einst war, zeigen die vielen Namensbildungen mit "Wolf". Im friburgischen "Gurwolf" (französisch Courgevaux) steckt der Wolf sogar irrtümlich drin. Im Jahr 1080 hiess der Ort Curgivol (Hof des Courgevaux). Im Lauf der Zeit wurde daraus Corgevoulx und dann, weil es in den Ohren der Deutschschweizer nach Gurren und Wolf klang, Gurwolf. Auf diesem verworrenen Weg fand der Wolf schlussendlich auch ins Ortswappen. Ursprünglich wohl auch nichts mit dem Wolf (rätoromanisch Louf) zu tun hat der bündnerische Ort Salouf.

Andere Orte sind eindeutig. Mindestens zehn Ortsteile "Wolf" gibt es in der Schweiz. Und die Wolfsgrueb findet man auch überall. Hinzu kommen weitere Orts- und Landschaftsnamen mit Wolf, Loup, Louf oder Lupo: Wolfenschiessen, Wolfertswil, Wolfhalden, Wolfhausen, Wolfisberg, Wölflinswil, Wolfwil, Davos Wolfgang, Gurwolf, Wolfenschwende, Wolferdingen, Wolfhag, Lupo, Rateloup, Penloup, Vireloup, Couvaloup (Wolfsbrut?) de St-Cergue, Creux du Loup, Crotte au Loup, Tête au Loup und Porte au Loup.

Dazu ein Erzählung eines nordamerikanischen Ureinwohners:

Ein alter Cherokee sitzt mit seiner Enkelin am Lagerfeuer. (Ziemlich klischeehaft, dieser Beginn. Ich zweifle immer ein wenig am Wahrheitsgehalt von Weisheiten der Naturvölker, wenn sie von deren Unterdrücker tradiert werden. Aber diese Geschichte gefällt mir, auch wenn sie nicht von einem echten Cherokee stammen sollte.) Der alte Cherokee möchte seiner Enkelin etwas über das Leben erzählen. Er sagt: "Im Leben gibt es zwei Wölfe, die miteinander kämpfen: Der Erste ist Hass, Misstrauen, Feindschaft, Angst und Kampf. Der Zweite ist Liebe, Vertrauen, Freundschaft, Hoffnung und Friede." Das kleine Mädchen schaut eine Zeitlang ins Feuer, dann fragt sie: "Welcher Wolf gewinnt?" Die Antwort des alten Cherokee: "Der, den du fütterst."


Jörg Niederer ist Mitglied  im Ausschuss Kirche und Gesellschaft der EMK Schweiz-Frankreich-Nordafrika

Sonntag, 20. September 2020

Das Leben richtig verstehen

Ein Gedanke

Aussicht vom Hohen Kasten, Schweiz
Foto © Jörg Niederer
"Wirklich reich ist, wer mehr Träume in seiner Seele hat, als die Realität zerstören kann!" Hans Kruppa

Ein Bibelvers - Römer 13,10

"Die Liebe fügt dem Nächsten nichts Böses zu. Des Gesetzes Erfüllung also ist die Liebe."

Eine Anregung

Wohin soll das Leben führen? Wie lauten meine Sehnsüchte? Dazu eine Anekdote von John Lennon. Er erzählte:

"Als ich 5 Jahre alt war, erzählte mir meine Mutter, dass Glücklichsein der wahre Schlüssel zu einem erfüllten Leben ist. Mit 6 wurde ich schliesslich in der Schule gefragt, was ich denn werden möchte, wenn ich mal gross bin. Ich antwortete 'glücklich'. Meine Lehrerin meinte, ich hätte die Frage falsch verstanden. Ich wusste aber, sie hatte das Leben falsch verstanden."


Jörg Niederer ist Mitglied  im Ausschuss Kirche und Gesellschaft der EMK Schweiz-Frankreich-Nordafrika

Samstag, 19. September 2020

Vom Islam, Christentum und der Religionslandschaft in Europa

Ein Gedanke

Kathedrale in St. Gallen
Foto © Jörg Niederer
"Die Liebe hat die Macht, das Tor zum ewigen Leben zu öffnen." Hazrat Inayat Khan

Ein Bibelvers - 2. Könige 5,15.18+19

"Dann aber kehrte er (der geheilte Aramäer Naaman) zurück zum Gottesmann (Elisa), er und sein ganzes Gefolge. Und als er hinkam, trat er vor ihn und sprach: Sieh doch, ich habe erkannt, dass es nirgendwo sonst auf der Erde einen Gott gibt als allein in Israel... Nur dies möge der Herr deinem Diener vergeben: Wenn mein Herr (der aramäische König) in das Haus des (Gottes) Rimmon kommt, um sich dort niederzuwerfen, und er stützt sich dabei auf meine Hand, dann muss auch ich mich niederwerfen im Haus des Rimmon - wenn ich mich dann niederwerfe im Haus des Rimmon, möge der Herr dies deinem Diener vergeben. Da sprach er (Elisa) zu ihm: Geh in Frieden!"

Eine Anregung

In manchen Kreisen in der Schweiz ist die Angst vor andern Religionen, im Speziellen vor dem Islam gross. Der Kabarettist, Autor und Fernsehmoderator Jürgen Becker etwa meint: "Entweder es gelingt uns, den Islam zu europäisieren oder Europa wird islamisiert. Mitte des Jahrhunderts, also in 44 Jahren, haben die Moslems in Europa über 50 Prozent der Bevölkerung. Ende des Jahrhunderts singt der Papst vorm Minarett." Doch stimmt dieses Bild. Forscher der Universität Luzern haben eine Datenbank zur Religionszugehörigkeit in 50 europäischen Ländern entwickelt.

Ref.ch schrieb dazu am 28. Februar 2018:

"Mit Erstaunen stellten die Forscher fest: Die religiöse Landschaft Europas ist stabiler als gedacht. In 70 Prozent der Länder sei die historisch vorherrschende Konfession in der Bevölkerung nach wie vor dominant...

Dennoch blieb nicht überall die Kirche im Dorf. 'In einigen Ländern gab es einen starken Säkularisierungsprozess', sagt Antonius Liedhegener, Professor für Politik und Religion. Das sei vor allem in Tschechien, Estland, Grossbritannien und Frankreich der Fall – etwas abgeschwächt unter anderem auch in Deutschland und in den Niederlanden.

Überraschende Unterschiede bemerkten die Forscher zwischen Ost- und Westeuropa: Sie driften auseinander. 'In westeuropäischen Ländern, vor allem im protestantischen Norden zeichne sich eine Durchmischung unterschiedlicher Religionen ab', sagt Liedhegener. Im Osten hingegen stellten die Forscher eine Tendenz zur Homogenisierung fest." https://www.ref.ch/news/so-entwickelt-sich-das-religioese-europa/

Aus dieser Datensammlung wird ersichtlich, dass in der Schweiz der Katholizismus am stärksten vertreten ist, es grundsätzlich aber eine pluralistische Religionslandschaft gibt. Weiter kann man anhand der "Swiss Metadatabase of Religious Affiliation in Europe" unter https://www.smre-data.ch/en/ feststellen, dass der Islam in der Schweiz im Jahr 2015 5% ausmachte. Katholisch waren 2016 38% und reformiert 27% der Bevölkerung. Die Christen machen in der Schweiz nach wie vor 71% aus. Dank Zuwanderung aus orthodoxen und katholischen Ländern wird sich das wohl nicht so schnell ändern.


Jörg Niederer ist Mitglied  im Ausschuss Kirche und Gesellschaft der EMK Schweiz-Frankreich-Nordafrika

Freitag, 18. September 2020

Maria im Gefängnis und St. Jakob auf dem Schafott

Ein Gedanke

Deckengemälde in der Kapelle Sankt Jakob in Tavers
Foto © Jörg Niederer
"Die Jugend ist ein Rosenkranz, das Alter ist ein Dornenkranz." Talmud

Ein Bibelvers - Apostelgeschichte 7,57+58

"Sie aber überschrien Stephanus, hielten sich die Ohren zu und stürzten sich vereint auf ihn. Sie stiessen ihn aus der Stadt hinaus und steinigten ihn."

Eine Anregung

Mir scheint, katholische Kirchen wollen keine Wohlfühloasen sein. Nebst viel Schönem wird in den Sakralräumen auch Gewalt explizit dargestellt. So lässt sich an der Decke in der Kapelle Sankt Jakob in Tavers die Enthauptung des heiligen Jakobus betrachten. Weiter ist die Erhängung eines Pilgers abgebildet. 

Natürlich steckt auch viel Gewalt in den Bildern des Kreuzwegs, und wo das Jüngste Gericht ersichtlich ist, finden sich da auch Teufel, Dämonen und Folterszenen.

Religion ist keine Flucht in eine heile Welt. Das ganze Leben findet in der Kirche einen Widerhall.

Jedoch gehen Gewaltdarstellungen am eigentlichen christlichen Zeugnis vorbei, wenn sie die Gläubigen in Furcht und Abhängigkeit von der Kirche führen wollen.

Zum Schluss ein Erlebnis. Wir diskutierten über Maria und ihre Bedeutung in den verschiedenen kirchlichen Traditionen. Eine Teilnehmerin ist via Videokonferenz von zu Hause zugeschaltet. Im Hintergrund spielen ihre Kinder. Doch offensichtlich hören sie auch aufmerksam beim Gespräch der Erwachsenen zu, und als die Rede auf "Maria Empfängnis" zu sprechen kommt, hört man plötzlich eines der Kinder die Mutter fragen: "Worom esch d'Maria em Pfängnis?" (Warum ist Maria im Gefängnis?).

Auch eine Maria im Gefängnis ist eine denkbare christliche Vorstellung.


Donnerstag, 17. September 2020

Herdenimmunität und Schäfchenwolken

Ein Gedanke

Schäfchenwolken über St. Gallen
Foto © Jörg Niederer
"Nicht das schwarze Schaf ist anders, sondern die weissen sind alle gleich." (Herkunft unbekannt)

Ein Bibelvers - Psalm 36,6

"Herr, bis in den Himmel reicht deine Güte, bis zu den Wolken deine Treue."

Eine Anregung

Altocumulus stratiformis perlucidus - Schäfchenwolken am Abend des 15. Septembers 2020 über St. Gallen. Unglaublich, wie viele verschiedene Wolkenformen und Unterarten es gibt. Und dann sind sie sich oft noch zum verwechseln ähnlich. Im vorliegenden Fall handelt es sich um Altocumulus-Wolken. So wurden sie erstmals 1855 von Émilien Renou benannt. Damit werden Wolken in den höheren Schichten der Atmosphäre bezeichnet. Den Zusatz "stratiformis" benennt Altocumulus-Wolken, die aus ausgedehnten Feldern von einzelnen, ziemlich regelmäßig angeordneten Wolkenteilen (Wölkchen) bestehen. "Perlucidus" bezeichnet zusätzlich die Transparenz zwischen den Wölkchen, so dass man Mond oder Sonnenstand sehen und bestimmen kann.

Kompliziert, das mit den Wolken. Mehr dazu unter https://de.wikipedia.org/wiki/Altocumulus

Schäfchenwolken. Dabei denke ich auch an Schafherden, und in der Folge an ein Wort, das gerade Konjunktur hat: Herdenimmunität. Es geht ja nicht um Immunität einer Schafherde vor dem Wolf. Es geht um Menschen. Wenn Menschen aber als "Herde" bezeichnet werden, läuten bei mir die Alarmglocken. Herden sind fremdbestimmt, manipulierbar, werden gelenkt und zusammengetrieben, einige werden geopfert. Ein unpassendes Bild, selbst wenn es um die Immunität beim Corona-Virus geht. Ein Bild, das den Coronaleugnern und Verschwörungstheoretikerinnen in die Hände spielt. Ich wünschte mir ein besseres Wort für die weitgehende Immunität einer Gesellschaft?


Und hier noch ein Nachtrag zum Beitrag vom 15. September über das Leder. Eine hochwertige Alternative zum Leder wurde unlängst in einer SRF-Sendung vorgestellt. Leder aus Kaktus. Aber auch da braucht es einen Anteil Kunststoff. Siehe https://www.srf.ch/sendungen/10vor10/die-idee-kaktusleder-aus-mexiko


Jörg Niederer ist Mitglied  im Ausschuss Kirche und Gesellschaft der EMK Schweiz-Frankreich-Nordafrika

Mittwoch, 16. September 2020

Die Leidenschaft der Verstorbenen

Ein Gedanke

Friedhof von Rüeggisberg
Foto © Jörg Niederer
"Von meinem Erdenleben / Soll nichts mehr bleiben als ein Jubelton, / Der im Sonnengold verschwimmt / Und dessen Widerhall / Die Herzen der Erdenpilger / Zu Dank und Andacht stimmt!" Rudolf von Tavel (1866-1934)

Ein Bibelvers - Johannes 5,28+29

Jesus: "Es kommt die Stunde, in der alle, die in den Gräbern sind, seine Stimme hören werden, und es werden hervorgehen, die Gutes getan haben, zur Auferstehung des Lebens, die aber Böses getan haben, zur Auferstehung des Gerichts."

Eine Anregung

Auf dem Leuenberg bei Rüeggisberg befindet sich eine kleine Gedenkstätte für den Berner Mundartautor und Journalisten Otto Friedrich Rudolf von Tavel. Unten im Dorf auf dem Friedhof stehen sauber geordnet die Grabstelen der "gewöhnlichen" Menschen. Im Bestattungs- und Friedhofreglement der Gemeinde Rüeggisberg lese ich: "Die Gräber sind obligatorisch mit einem stehenden Grabmal oder einer liegenden Grabplatte zu versehen... Grabmäler haben den Anforderungen des Grabmalhandwerks zu entsprechen und dürfen die Harmonie der Umgebung und die Würde des Friedhofs nicht stören." 

Der Mensch vergeht, die Reglemente bleiben ewig. 

Auf dem Friedhof in Rüeggisberg fallen mir etliche Grabsteine auf, die vom Hobby oder Beruf der Verstorbenen erzählen. Unschwer erkennen lässt sich der einstige Golfer, der Zugführer, die Gärtnerin, der Springreiter, der Motorradfahrer oder der Bauer.

Auf meinen Grabstein käme vielleicht ein Wanderschuh oder ein "Pfaffenhütchen" (Schweizer Gebäck mit anklang an meinen Beruf, den ich meist "hutfrei" ausübe). Andere würden sich vermutlich einen Gedenkstein in Form eines Computers aufrichten lassen, falls dies nicht "die Harmonie der Umgebung und Würde des Friedhofs" stört.

Mir gefallen diese Steinmetzarbeiten, die das Leben der Verstorbenen über Namen und Jahrzahl hinaus zusätzlich charakterisieren.


Jörg Niederer ist Mitglied  im Ausschuss Kirche und Gesellschaft der EMK Schweiz-Frankreich-Nordafrika

Dienstag, 15. September 2020

Von der eigenen und der fremden Haut

Ein Gedanke

Ledergürtel
Foto © Jörg Niederer
Leder ist Pelz ohne Haare.

Ein Bibelvers - Hesekiel 37,5+6

"So spricht Gott der Herr, zu diesen Gebeinen: Seht, ich lasse Geist in euch kommen, und ihr werdet leben. Und ich gebe euch Sehnen und lasse Fleisch wachsen an euch, und ich überziehe euch mit Haut und lege Geist in euch, und ihr werdet leben, und ihr werdet erkennen, dass ich der Herr bin."

Eine Anregung

Gestern las ich im St. Galler Tagblatt von der Lederverarbeitung. Kein wirklich erbauliches Thema.

Bisher dachte ich, dass Leder ein Zusatzprodukt der Fleischverarbeitung ist. Aber nur 8% der Häute aus Schlachthäusern gehen in die Lederproduktion. Und die andern 92% sind wohl Schlachtabfälle. Zu hektisch wird dort gearbeitet, als dass der Haut viel Beachtung geschenkt werden kann.

Auf der andern Seite ist dann wohl bei der Lederproduktion das meiste Fleisch Abfall, von Tieren, welche in Europa sowieso nicht gegessen werden.

Was für das Pelztragen gilt, muss wohl auch für die Lederhosen am Oktoberfest gelten. Das Leid tausender Tiere wird mit dem Leder mitgetragen. Hinzu kommt, dass die Umwelt beim Gerbprozess massivst belastet wird und dabei Menschen grossen gesundheitlichen Gefahren ausgesetzt sind.

Es gibt wenige hochwertige Alternativen, Lederimitate. Sie sind teuer, da in kleinen Mengen produziert: Vegane Schuhe, Kleider, Taschen, Gürtel.

Ich habe nachgeschaut, was es bei uns zu Hause aus Leder gibt. Schuhe, Gürtel, Uhrbändchen, das Übliche. Ich werde mich vermehrt nach Ersatzprodukten umsehen. Ideal wäre ein Naturprodukt ohne Tierleid, ohne Verschwendung und mit den Eigenschaften von Leder. Ob es das gibt? Gefunden habe ich bisher nichts.


Und hier noch ein Nachtrag: Eine hochwertige Alternative zum Leder wurde unlängst in einer SRF-Sendung vorgestellt. Leder aus Kaktus. Aber auch da braucht es einen Anteil Kunststoff. Siehe https://www.srf.ch/sendungen/10vor10/die-idee-kaktusleder-aus-mexiko


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Montag, 14. September 2020

Geblufft und überlebt

Ein Gedanke

Raupe des Kleinen Weinschwärmers
Foto © Jörg Niederer
"Mein Streben: Mich vom universellen Bluff unserer Zivilisation zu befreien." Friedensreich Hundertwasser

Ein Bibelvers - 1. Mose 27,21-23

"Da sprach (der erblindete) Isaak zu Jakob: Tritt herzu, ich will dich betasten, mein Sohn, ob du mein Sohn Esau bist oder nicht. Da trat Jakob zu seinem Vater Isaak heran, und dieser betastete ihn und sprach: Die Stimme ist Jakobs Stimme, aber die Hände sind Esaus Hände. Und er erkannte ihn nicht, denn seine Hände waren behaart wie die Hände seines Bruders Esau. Und so segnete er ihn."

Eine Anregung

Diese Raupe des Kleinen Weinschwärmers, ein hübscher, orange-gelber Nachfalter, traf ich auf meinem Nachhauseweg mitten auf dem Strässchen an. Eigentlich dämmerungs- oder nachtaktiv war sie auf gefährlicher Mission. Dabei half ich ihr natürlich, indem ich sie in die nahe Wiese bugsierte. So konnte ich ein häufiges Verhalten beobachten. Wie ich die Raupe berührte, zog sie den Kopf ein, so dass sich ein Teil ihres Körpers stark verdickte und mich ein gefährlich wirkendes Gesicht anblickte. Mimikry - in Gefahr imitiert die Raupe ein grösseres und gefährlicheres Tier. Sie blufft. Ob das Vögel abschreckt, weiss ich nicht. Mich hat es beeindruckt.

Was will die Raupe auch sonst unternehmen gegen ihre Fressfeinde. Fliehen kann sie nicht - sie ist viel zu langsam. Beissen geht auch nicht, womit denn. Also dann halt ganz böse schauen und hoffen, dass es wirkt.

Und wir Menschen? Wann bluffen wir? Wann tun wir so, als wären wir besser, grösser, klüger, geschickter? Und wann ist es berechtigt, andern etwas vorzumachen?

Spannende Gedanken und zwei Videos über das Bluffen findet man auf folgender Webseite: https://www.srf.ch/kultur/gesellschaft-religion/so-tun-als-ob-aufgesetzt-und-aufgeblasen-warum-wir-bluffen-muessen


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Sonntag, 13. September 2020

Der mitfühlende König und Herr über alle Herren

Ein Gedanke

Königin und Bettler in der Schweizer Stadt Freiburg
Foto © Jörg Niederer
Als Kind stellte ich mir unter Königen und Prinzen Menschen vor, die in Saus und Braus lebten, alles durften und alles konnten.

Ein Bibelvers - Daniel 2,47

Nebukadnezar zu Daniel: "Wahrhaftig, euer Gott ist ein Gott über alle Götter und ein Herr über alle Könige…"

Eine Anregung

Jesus Christus will, dass wir uns freuen. Wenn der König der Könige kommt, dann will er uns keine Angst einjagen, sondern er möchte, dass wir jubeln und ihm zusingen. Es soll Freude herrschen, im Himmel und auf der Erde, wenn wir an den Herrn über alle Herren denken, und mit ihm rechnen.

Das zeigt er uns auch deutlich. Statt auf einem Streitross zieht er auf einem Esel in Jerusalem ein. Das wäre etwa so, wie wenn er statt im gefährlichsten Panzer der Welt, dem russischen T-14, in einem Topolino (Mäuschen) vorfahren würde. Der König der Könige will nicht mit seiner Macht protzen. Er ist nicht hochmütig. Wer wirklich Macht hat, kann bescheiden und ungeschützt auftreten.

In der heutigen Predigt in der Evangelisch-methodistischen Kirche St. Gallen geht es genau darum. Um die royale Bildsprache in der Anbetung Gottes. Was bedeutet es, wenn Gott und Jesus als König der Könige und Herr der Herren bezeichnet wird? Die Predigt kann ab 10.30 Uhr via Youtube verfolgt werden: https://youtu.be/ejk0bqMowXY


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Samstag, 12. September 2020

Krieg und Tanz zu Psalmenklang

 Ein Gedanke

Anbetungstanz in einem Gottesdienst in Pilsen
Foto © Jörg Niederer
"Oh Mensch, lerne tanzen, sonst wissen die Engel im Himmel mit dir nichts anzufangen." Unbekannt - fälschlicherweise Augustinus zugeschrieben.

Ein Bibelvers - Psalm 144,1

"Von David. Gepriesen sei der Herr, mein Fels, der meine Hände den Kampf lehrt, meine Finger den Krieg."

Eine Anregung

Robert Louis Stevenson zitiert im Buch "Reise mit dem Esel durch die Cévennen" (Moers 2017, 3. Auflage, S. 110) einen protestantischen Widerstandskämpfer der Cévennenkriege von 1702-1705:

"'Wir flogen' sagt ein alter Camisarde (Hugenotte in den Cévennen), 'wenn wir die Laute des Psalmensingens vernahmen, wir flogen, als hätten wir Flügel. In uns spürten wir einen beseelenden Eifer, eine hinreissende Sehnsucht. Das Gefühl lässt sich mit Worten nicht beschreiben. Mann muss es erlebt haben, um es zu verstehen. Wir mochten noch so müde sein, wir dachten nicht mehr an unsere Müdigkeit, und uns wurde ganz leicht zumute, sobald die Psalmen an unser Ohr drangen.'"

Dass Psalmen auch Schlachtgesänge sein können, mag erstaunen. Doch manche Psalmen thematisieren den Krieg und die Gewalt auf explizite Weise. Gott soll den eigenen Kampf rechtfertigen und den gerechten Sieg bewirken.

Da sehe ich es schon lieber, wenn man zu Psalmen tanzend Gott anbetet. Die Engel können sicher mehr mit von Psalmen zum Tanz Bewegten anfangen als von Psalmen zum Kampf Verführten.


Morgen Sonntag geht es in der Predigt um die royale Bildsprache in der Anbetung Gottes. Was bedeutet es, wenn Gott und Jesus als König der Könige und Herr der Herren bezeichnet wird? Die Predigt kann ab 10.30 Uhr via Youtube verfolgt werden unter: https://youtu.be/ejk0bqMowXY


Jörg Niederer ist Mitglied  im Ausschuss Kirche und Gesellschaft der EMK Schweiz-Frankreich-Nordafrika