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Sonntag, 20. März 2022

'S ist Krieg

 Ich überlege hin und her, was ich Schlaues zum Krieg in der Ukraine schreiben kann. Es wird vieles gesagt, geschrieben in den Medien, Kluges, weniger Kluges, Erhellendes, Dummes und Schlimmes. Nach all meiner Beschäftigung mit diesen Informationen bleibt stattdessen bei mir die Hilflosigkeit zurück.

Es gibt Krieg, nah bei uns in Europa und ich dachte sogenannt konventionell Krieg führen, sei keine zu praktizierende Konfliktlösung.

Mich schreckt, dass der Krieg, weil nahe und von den Medien «bespielt wird», bei uns in aller Munde ist, wie wenn es auf der Welt, in letzter Zeit, keine Kriege gegeben hätte. Die Ukraine-Hilfeaktionen, die überall gestartet werden, zeigen das eindrücklich. Wo war die Zivilgesellschaft bei den vergangenen Kriegen frage ich mich?

Mich schreckt auch das «Säbelgerassel» allerorts. Nachdem von der Coronakrise vor allem die grossen IT-Firmen und die Pharmaindustrie profitiert haben, sehen jetzt wohl Rüstungsfirmen ihre Zeit des Profitierens gekommen.

Mich schreckt es, dass das «Säbelgerassel» auf grosse Zustimmung stösst, wenn Waffen an eine Kriegspartei geliefert werden. Was bis vor kurzem ein absolutes Tabu war, scheint ein Gebot der Stunde. Rüstungsexporte in Kriegsgebiete wird gefordert und gleich auch umgesetzt. Obwohl klar ist, dass mit mehr Rüstung nicht für den Frieden gearbeitet wird.

Mich schreckt auch, wie im Zuge der Sanktionen gegen Russland, ein Hass auf alles Russische aufkommt, manche sagen sogar, dass der Hass geschürt wird. So wurden zB. russische Prominente, wie Waleri Gergijew, Chefdirigent der Münchner Philharmoniker entlassen, weil er sich nicht "eindeutig und unmissverständlich von dem brutalen Angriffskrieg gegen die Ukraine distanziert hat".

Mich schreckt, dass in unserer globalisierten Welt viele so miteinander verknüpft, ja verwirrt, dass gesagt werden kann, dass unser Gasbedarf in der Schweiz mithilft, Putins Krieg zu finanzieren.

Ich wünsche mir, dass wieder miteinander gesprochen wird, einander zugehört und Kompromisse erarbeitet werden.

Das klingt furchtbar banal und naiv, ich weiss. Aber nur so kann man zurück zum Frieden finden.

Das folgende Gedicht von Matthias Claudius entstammt aus einer längst vergangenen Zeit. Claudius schrieb es im Jahr 1778. Aber es bringt den Schrecken des Kriegs, sei es in der Ukraine, in Syrien, im Jemen, in Afghanistan und an den vielen anderen Orten, und unsere eigene Betroffenheit darüber, zur Sprache. 

 Markus Nagel

 

'S ist Krieg 

‘s ist Krieg! ‘s ist Krieg!

O Gottes Engel wehre,

Und rede Du darein!

‘s ist leider Krieg -

und ich begehre

Nicht schuld daran zu sein!

 

Was sollt ich machen, wenn im Schlaf mit Grämen

Und blutig, bleich und blaß,

Die Geister der Erschlagenen zu mir kämen,

Und vor mir weinten, was?

 

Wenn wackre Männer, die sich Ehre suchten,

Verstümmelt und halb tot

Im Staub sich vor mir wälzten und mir fluchten

In ihrer Todesnot?

 

Wenn tausend tausend Väter, Mütter, Bräute,

So glücklich vor dem Krieg,

Nun alle elend, alle arme Leute,

Wehklagten über mich?

 

Wenn Hunger, böse Seuch und ihre Nöten

Freund, Freund und Feind ins Grab

Versammelten und mir zu Ehren krähten

Von einer Leich herab?

 

Was hülf mir Kron und Land und Gold und Ehre?

Die könnten mich nicht freun!

‘s ist leider Krieg - und ich begehre

Nicht schuld daran zu sein!

Matthias Claudius 1778 

Christliches Engagement

 

Ich teile gerne Auszüge aus zwei Verlautbarungen, die ich für zutiefst christlich halte, weil sie an Menschlichkeit festhalten und das wahre, zerstörerische Gesicht des Krieges benennen. Mögen wir in diesem Sinne auf Frieden hin arbeiten.

Marietjie Odendaal

 

Der jüngste Krieg in Europa führt uns in aller Deutlichkeit und Brutalität vor Augen, dass bewaffnete Konflikte unsägliches Leid und sinnlose Zerstörung verursachen. Krieg hat immer auch genderspezifische Auswirkungen, und betrifft marginalisierte Gruppen besonders.

Auch wenn die mediale Aufmerksamkeit fast ausschliesslich beim Krieg in der Ukraine ist: Auch in Gaza, Syrien, Somalia und im Jemen wurden in den letzten Wochen schwere Luftangriffe und Gewalt gegen zivile Einrichtungen verübt.

Die Schweizer Zivilgesellschaft ruft seit langem zu einer verstärkten zivilen Friedensförderung und gegen den Export von Kriegsmaterial auf. Im Jahr 2020 hat die Schweiz jedoch Waffen im Wert von mindestens 900 Millionen Franken exportiert, ein absoluter Rekord. Parallel zum weltweit zunehmenden Geschäft mit Waffen und Kriegsmaterial beobachten wir eine Zunahme kriegerischer Rhetorik, die eine militaristische und patriarchale Haltung auf internationaler und nationaler Ebene fördert. Sie dient dazu, Gewalt zu legitimieren und Militärausgaben weiter zu erhöhen. Frieden und Friedensbemühungen werden durch Investitionen in und Handel mit Waffen und Kriegsmaterial und durch einen militaristischen Diskurs unterlaufen und sabotiert.

Aktuell wird der Krieg in der Ukraine dazu missbraucht, Rüstungsausgaben zu erhöhen. Deutschland hat angekündigt, 100 Milliarden Euro zusätzliche in die Aufrüstung zu investieren.

Auch im Schweizer Parlament werden die Rufe nach Aufrüstung lauter. Doch: Waffen schaffen Krieg statt Frieden.

Wir begrüssen die grosse Solidarität gegenüber Flüchtenden aus der Ukraine und die Bereitschaft zu unbürokratischer Aufnahme und Schutz. Wir fordern, dass diese Solidarität für alle Geflüchteten gilt!

(Aus: Appell für Frieden und Entmilitarisierung, https://www.cfd-ch.org/de/news/appell-fuer-frieden-und-entmilitarisierung-566.html)

 

Für Verständigung - Gegen die Kriegstreiberei

In diesen Zeiten, in denen sich die Erregungen überschlagen und wir emotional überflutet werden ist es wichtig, an einigen einfachen Wahrheiten festzuhalten:

1. Jeder Krieg ist ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit. Krieg traumatisiert Täter und Opfer. Aus eigener Erfahrung wissen wir, dass Kriege das Erleben einer oder sogar mehrerer Generationen schmerzlich verändern.

2. Ein Krieg endet immer mit Verhandlungen, mit Verständigung und mit Kompromissen. Daher ist es wichtig, mit allen im Gespräch zu bleiben, auch mit dem Feind, dem „Bruder Wolf“ (Franz v. Assisi). Eine Verteufelung des Gegners ist nicht hilfreich. Wir bestehen darauf, dass auch der Gegner ein Mensch ist und ein Mensch bleibt, mit dem Gespräch möglich ist.

3. Widerstand mit Waffen ist Gewalt: Er verlängert und verschlimmert den Krieg und kostet Menschenleben. Die Unterstützung von Dritten durch Waffen verleitet dazu, sich stark zu fühlen, nährt unrealistische Siegesphantasien, erhöht die Gewaltspirale und verhindert die Bereitschaft zum Gespräch und Kompromiss. Nicht um Sieg geht es, sondern um die Rettung möglichst vieler Menschenleben. Deshalb muss eine Situation angestrebt werden, in der alle Konfliktparteien unter Wahrung ihres Gesichts den Krieg beenden können. Vermittlung und Ausgleich von Interessen sind zentral, nicht weitere Aufrüstung. Im Zeitalter der Atomwaffen gibt es zu Verständigung und Ausgleich keine denkbaren Alternativen mehr. Wer eine atomare Macht militärisch besiegen will, provoziert den atomaren Einsatz.

Was können wir tun, was ist jetzt wichtig?

1. Wir treten jeder Entmenschlichung, jeder Ausgrenzung entgegen und lehnen jedes pauschale Verurteilen („die Russen“) ab.

2. Wir fordern: Keinen Abbruch, sondern Fortführung und Intensivierung zivilgesellschaftlicher Kontakte- sowohl zu Russland als auch zur Ukraine.

(Internationaler Versöhnungsbund,https://www.versoehnungsbund.de/2022-03-10-fuer-verstaendigung-erklaerung)