Ich überlege hin und her, was ich Schlaues zum Krieg in der Ukraine schreiben kann. Es wird vieles gesagt, geschrieben in den Medien, Kluges, weniger Kluges, Erhellendes, Dummes und Schlimmes. Nach all meiner Beschäftigung mit diesen Informationen bleibt stattdessen bei mir die Hilflosigkeit zurück.
Es gibt Krieg, nah bei uns in Europa und ich dachte sogenannt konventionell Krieg führen, sei keine zu praktizierende Konfliktlösung.
Mich schreckt, dass der Krieg, weil nahe und von den Medien «bespielt wird», bei uns in aller Munde ist, wie wenn es auf der Welt, in letzter Zeit, keine Kriege gegeben hätte. Die Ukraine-Hilfeaktionen, die überall gestartet werden, zeigen das eindrücklich. Wo war die Zivilgesellschaft bei den vergangenen Kriegen frage ich mich?
Mich schreckt auch das «Säbelgerassel» allerorts. Nachdem von der Coronakrise vor allem die grossen IT-Firmen und die Pharmaindustrie profitiert haben, sehen jetzt wohl Rüstungsfirmen ihre Zeit des Profitierens gekommen.
Mich schreckt es, dass das «Säbelgerassel» auf grosse Zustimmung stösst, wenn Waffen an eine Kriegspartei geliefert werden. Was bis vor kurzem ein absolutes Tabu war, scheint ein Gebot der Stunde. Rüstungsexporte in Kriegsgebiete wird gefordert und gleich auch umgesetzt. Obwohl klar ist, dass mit mehr Rüstung nicht für den Frieden gearbeitet wird.
Mich schreckt auch, wie im Zuge der Sanktionen gegen Russland, ein Hass auf alles Russische aufkommt, manche sagen sogar, dass der Hass geschürt wird. So wurden zB. russische Prominente, wie Waleri Gergijew, Chefdirigent der Münchner Philharmoniker entlassen, weil er sich nicht "eindeutig und unmissverständlich von dem brutalen Angriffskrieg gegen die Ukraine distanziert hat".
Mich schreckt, dass in unserer globalisierten Welt viele so miteinander verknüpft, ja verwirrt, dass gesagt werden kann, dass unser Gasbedarf in der Schweiz mithilft, Putins Krieg zu finanzieren.
Ich wünsche mir, dass wieder miteinander gesprochen wird, einander zugehört und Kompromisse erarbeitet werden.
Das klingt furchtbar banal und naiv, ich weiss. Aber nur so kann man zurück zum Frieden finden.
Das folgende Gedicht von Matthias Claudius entstammt aus einer längst vergangenen Zeit. Claudius schrieb es im Jahr 1778. Aber es bringt den Schrecken des Kriegs, sei es in der Ukraine, in Syrien, im Jemen, in Afghanistan und an den vielen anderen Orten, und unsere eigene Betroffenheit darüber, zur Sprache.
Markus Nagel
'S ist Krieg
‘s ist Krieg! ‘s ist Krieg!
O Gottes Engel wehre,
Und rede Du darein!
‘s ist leider Krieg -
und ich begehre
Nicht schuld daran zu sein!
Was sollt ich machen, wenn im Schlaf mit Grämen
Und blutig, bleich und blaß,
Die Geister der Erschlagenen zu mir kämen,
Und vor mir weinten, was?
Wenn wackre Männer, die sich Ehre suchten,
Verstümmelt und halb tot
Im Staub sich vor mir wälzten und mir fluchten
In ihrer Todesnot?
Wenn tausend tausend Väter, Mütter, Bräute,
So glücklich vor dem Krieg,
Nun alle elend, alle arme Leute,
Wehklagten über mich?
Wenn Hunger, böse Seuch und ihre Nöten
Freund, Freund und Feind ins Grab
Versammelten und mir zu Ehren krähten
Von einer Leich herab?
Was hülf mir Kron und Land und Gold und Ehre?
Die könnten mich nicht freun!
‘s ist leider Krieg - und ich begehre
Nicht schuld daran zu sein!
Matthias Claudius 1778