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Freitag, 13. August 2021

Verschiedene Beiträge zur Abstimmung "Ehe für Alle" aus dem Ausschuss Kirche und Gesellschaft

Für mich ist es Zeit, dass die Ungleichbehandlung von gleichgeschlechtlichen gegenüber verschiedengeschlechtlichen Paaren aufzuheben. Diese Ungleichbehandlung ist sachlich nicht begründbar und verstösst gegen das Diskriminierungsverbot.

Das Recht auf Ehe und Familie ist ein Menschenrecht, das allen Menschen gleichermassen zusteht. Für die Gleichstellung gleichgeschlechtlicher Paaren in der Schweiz ist die Ehe für alle ein längst überfälliger Schritt in die richtige Richtung.

Ich meine ausserdem, dass wir von Gott gewollt sind sowie wir geschaffen sind.  Wir sind von Gott zutiefst bejaht.

Die Sexualität und die sexuelle Orientierung in ihrer Vielfalt sind auch ein Ausdruck der guten Schöpfung und der geschöpflichen Fülle.

Markus Nagel



Ehe für Alle – ein Thema, das Viele bewegt – mich eingeschlossen. Ich bin dafür, dass Menschen gleichberechtigt miteinander unterwegs sein dürfen. Ich stelle mich klar gegen Diskriminierung jeglicher Art und somit stehe ich für ein JA zur Ehe für Alle. 

Vor Gott sind alle Menschen gleich! Wir alle sind aufgerufen, ein Miteinander in Liebe zu leben und (Für-)Sorge zueinander zu tragen. Wenn sich zwei Menschen in Liebe dazu entschliessen, den Bund fürs Leben miteinander einzugehen, füreinander zu sorgen in guten und in schlechten Zeiten, sich gegenseitig tragen, in Treue miteinander leben und füreinander da sind, dann kommt es nicht auf das Geschlecht an. Diesen Menschen die Ehe abzusprechen ist diskriminierend, wertend und (ver-)urteilend. 

Die aktuell gültige eingetragene Partnerschaft ist nach wie vor in etlichen Bereichen der Ehe gegenüber benachteiligt und diese Lücken gilt es zu schliessen. Ein Ja zur Ehe für Alle integriert, entstigmatisiert und schafft einen gleichberechtigen gesetzlichen Rahmen für sich liebende und sich fürsorgende Menschen!

 Pia Uhlmann



Bei der Abstimmungsmöglichkeit über die "Ehe für alle" gönne ich allen Mitmenschen die Rechte, die mir selber zustehen. Das schliesst ein, dass die Partnerschaft, in der ich lebe, juristisch und gesellschaftlich anerkannt wird. Diese Partnerschaft darf Raum einnehmen. Ich werde damit aber auch angehalten, dieser Partnerschaft gerecht zu werden. Unsere Gesellschaften gehen auf diese Weise mit verbindlichen Beziehungen um, weil sie den gesellschaftlichen Zusammenhalt stärken und dienen.

Auch in der Kirche gilt es, verantwortungsvolle Beziehungen anzuerkennen, ihre Wirkung dankbar anzunehmen und die Betroffenen darin zu begleiten, in ihren Beziehungen in Hingabe und Liebe zu wachsen.

Darum würde ich es begrüssen, wenn diese Gesellschaft sich auf das Wagnis von mehr Gerechtigkeit für alle einlässt.

Marietjie Odendaal



Ich wuchs in den 1960er und 70er Jahren in Südafrika auf, in einer Gesellschaft, die nicht nur zutiefst rassistisch, sondern auch zutiefst homophob war. Ich war schüchtern und introvertiert, und meine romantischen Beziehungen endeten katastrophal, bevor sie richtig begonnen hatten. In meinen späten Zwanzigern traf ich schließlich die Frau meiner Träume. Doch die Beziehung war nicht das, was ich erwartet hatte. Ich führte das auf unerfüllbare romantische Träume zurück. Wir waren eine Zeit lang zusammen, und gerade als die Beziehung gut lief und wir an eine gemeinsame Zukunft zu denken begannen, machte sie Schluss. Ich war am Boden zerstört. Etwa ein Jahr später sagte sie zu mir: "Dave, ich muss dir etwas sagen." Dann hielt sie inne und nach einigen Versuchen sagte sie. "Ich bin lesbisch." Gefühlsmässig war das wie ein Schlag in die Magengrube, aber intellektuell machte es absolut Sinn für unsere Beziehung.

Meine Freundin und ich verbrachten viele Stunden mit Gesprächen. Sie erzählte, dass sie zum ersten Mal in ihrem Leben wusste, was es heisst, sich in jemanden zu verlieben und eine tiefe emotionale Bindung zu entwickeln. Sie hatte das, wonach ich suchte, aber sie hatte es in einer Beziehung mit einer anderen Frau gefunden. Sie stammte aus einer evangelikalen Familie und hatte in der Vergangenheit Probleme mit ihren romantischen Beziehungen gehabt. Sie hatte sich mit schwulen und lesbischen Menschen angefreundet und begann sich zu fragen: "Bin ich das? Sie begann zu beten, dass Gott ihr einen Mann führen würde, der ihren Idealen entsprach, und wenn es nicht funktionierte, würde sie es wissen. Ich war die Antwort auf ihre Gebete. Ich hatte mir immer gewünscht, die Antwort auf die Gebete einer schönen Frau zu sein, aber das war nicht das, was ich mir vorgestellt hatte. Ich wurde sehr wütend auf Gott. Ich fühlte mich wie ein Versuchskaninchen in einem kosmischen Experiment. Meine Freundin hatte entdeckt, wer sie war, und war glücklich in einer Beziehung. Ich war am Boden zerstört, und meine Träume waren geplatzt.

Eines Tages wurde mir plötzlich klar, dass das, was Paulus in Römer 1 schrieb, nicht zu den Erfahrungen meiner Freundin passte. Es schien offensichtlich, dass Paulus sich geirrt hatte. Wenn er sich geirrt hatte, dann hatte er sich wahrscheinlich auch im Rest seiner Schriften geirrt. Vielleicht war alles in der Bibel nur ein Märchen. Existierte der christliche Gott tatsächlich? Ich war jetzt sehr wütend auf einen Gott, von dessen Existenz ich überhaupt nicht überzeugt war. Ich schwankte zwischen Glauben, Zweifeln, Unglauben und wieder zurück. Im Hinterkopf hatte ich die Herausforderung. "Wenn das Evangelium wahr ist, wird es eine gute Nachricht für Schwule und Lesben sein. "Wenn es keine gute Nachricht für sie ist, kann es nicht wahr sein.

Im Laufe der Jahre wurde mir klar, dass die zentrale Botschaft des Evangeliums eine Botschaft der Gerechtigkeit und der Inklusion ist. Jesus identifizierte sich mit denen, die durch die Reinheitsvorschriften des Alten Testaments ausgeschlossen worden waren, und schloss sie ein. Die Situation schwuler und lesbischer Menschen erschien mir als Parallele zur Situation derer, die Jesus einbezog und bejahte. Paulus' Botschaft der Rechtfertigung allein durch den Glauben bedeutete, dass keine weitere Bedingung für die Annahme durch Gott und damit für die volle Teilnahme an der christlichen Gemeinschaft hinzugefügt werden konnte. In den 1980er Jahren hatte mich Paulus' Tadel an Petrus im Brief an die Galater, der sich weigerte, mit den Heiden zu essen, davon überzeugt, dass die Rassentrennung in der Kirche eine Verleugnung der Rechtfertigung durch den Glauben darstellt. Ich bin zu der Überzeugung gelangt, dass die Forderung an Schwule und Lesben, entweder "ihre Orientierung zu ändern" oder zölibatär zu bleiben, die sexuelle Orientierung dem Glauben als Grund für die Akzeptanz innerhalb der christlichen Gemeinschaft hinzufügt. Ein christliches Verständnis der Ehe beginnt mit 1. Mose 2,18, wo Gott sagt: "Es ist nicht gut, dass der Mensch allein ist." Daher können wir nicht sagen, dass es gut ist, wenn Schwule und Lesben allein bleiben. Gott schuf für Adam eine Person, die "eine Hilfe ... die ihn anspricht" war. Aus meiner Erfahrung weiss ich, dass für einen schwulen oder lesbischen Person jemand des anderen Geschlechts nicht jemand ist, der "ihn anspricht", er/sie ist nicht das Heilmittel für das "Alleinsein".

Wie steht es dann mit den Bibelstellen, die zur Verurteilung der Homosexualität herangezogen werden? Erstens bin ich davon überzeugt, dass die zentrale Botschaft der Bibel massgebend ist und nicht alle einzelnen Texte. Zweitens, dass es für alle diese Texte andere, ebenso wahrscheinliche Interpretationen gibt, die eine feste, treue gleichgeschlechtliche Beziehung nicht verurteilen.   

David Field



Es liegt mir am Herzen, dass die EMK die «Ehe für alle» aktiv unterstützt und für ein Ja wirbt. Dadurch würde sie zeigen, dass bei ihr ohne Ausnahme alle Menschen willkommen sind. Selbst für queere Menschen ohne Partner wäre das vorteilhaft: Die Ehe-Öffnung bringt ihnen zwar nicht direkt etwas, doch die zustimmende Haltung der Kirche würde auch ihnen das Gefühl geben, sich angenommen und aufgehoben zu fühlen. Ich glaube nicht an einen Gott, der die Menschen anhand der sexuellen Orientierung be- und verurteilt. Dass Liebe in irgendeiner Form als Sünde betrachtet werden kann, ist mir unverständlich. Ich stamme aus einer Freikirche, die auch heute noch über «von sexueller Abirrung betroffene Menschen» spricht. Ich fühle mich nicht betroffen von meiner Sexualität. Betroffen macht mich, wie diffamierend, diskriminierend und ausgrenzend sich manche Christen, Kleriker wie Laien, über Homosexuelle erheben.

Begründet wird diese vorgegebene Homophobie mit der Bibel. Besonders «bibeltreue» Christen haben die Tendenz, oftmals eine übervorsichtige Bibelauslegung zu praktizieren, um ganz sicher zu gehen, Gottes Willen in jedem Punkt zu erfüllen. Die Bibelstellen, welche als Begründung für Homophobie herangezogen werden, sind nun wirklich nicht eindeutig und verständlich. Durch eine Auslegung um sieben Ecken verfälscht und verzerrt sich der vermeintliche Wille Gottes – abgesehen davon, dass Gott für uns so oder so unfassbar bleibt und wir sein Denken nicht begreifen können. Eine Kirche, die offen zugibt, dass sie Gottes Meinung nicht bis ins Detail kennt, wirkt viel glaubwürdiger als eine, welche für alles nach einer klaren Haltung und Begründung sucht.

Das Festhalten an der traditionellen heterosexuellen Ehe wird oft damit begründet, dass daraus Kinder hervorgehen und sie somit als Keimzelle der Gesellschaft gilt. Doch es gibt auch Ehepaare, die keine Kinder zeugen können oder gar nicht erst welche wollen. Konsequenterweise müsste dann auch solchen Paaren die Ehe verweigert werden. Doch diese Paare können staatlich und in praktisch allen christlichen Konfessionen heiraten, während für homosexuelle Paare oftmals nicht einmal eine Segnungsfeier möglich ist.

Natürlich verlange ich nicht, dass kinderlose Partnerschaften nicht als Ehe gelten können – ich möchte damit nur die durch mich empfundene Ungerechtigkeit aufzeigen. Übrigens haben verschiedene Studien aus verschiedenen Teilen der Welt festgestellt, dass Kinder in Regenbogenfamilien ebenso gesund und wohlbehütet aufwachsen wie in heterosexuellen Ehen.

Bei der «Ehe für alle» geht es übrigens um mehr, als die gleichen Rechte zu haben: Eine vor kurzem veröffentlichte Studie aus den USA zeigt, dass sich die psychische Gesundheit von Queers seit der Öffnung der Ehe verbessert hat und sie glücklicher und mit ihrem Leben zufriedener sind. Der Unterschied ist bei jenen LGBTI+ sogar noch grösser, welche in US-Bundesstaaten leben, welche die Ehe vor dem Urteil des Obersten Gericht noch nicht geöffnet hatten.

Queere Rechte sind unveräusserliche Menschenrechte. Sie gehen uns alle an, denn die eine Person darf nicht mehr Menschenrechte oder grösseren Schutz geniessen als die andere. Es ist höchste Zeit, dass die Kirche ihrer menschenfeindlichen Geschlechter- und Sexualpolitik ein Ende setzt.

Zum Schluss möchte ich ein paar Worte des EKD-Landesbischofs Christian Stäblein vom April 2021 zitieren: «Wir als Kirche haben uns schuldig gemacht an gleichge­schlechtlich Liebenden. Wir haben sie über Jahrhunderte diskriminiert, abgewiesen, in Nischen und ins Abseits gedrängt, aus der Öffentlichkeit und von Ämtern ferngehalten, an vielen Stellen ihr Leben zerstört, seelisch und körperlich. Ich selber spüre Schuld über mein eigenes früheres Reden.»

Gott ist die Liebe. Und die Liebe gewinnt.

Marcel Schmidt