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Mittwoch, 2. Mai 2012

Ein-Wurf von Elisabeth Roser


Schweizer haben seit alters eine natürliche Abwehr, wenn einzelne sich zu mächtig gebärden oder als Führer aufspielen. Und doch geht nicht nur zwischen arm und reich die Schere immer mehr auf, sondern auch zwischen Mächtigen und Unterliegenden: Parteien zum Beispiel, die dank finanzieller Überlegenheit durch Werbung sehr egoistische Interessen durchsetzen. Oder Verwaltungsräte, die sich selber und den höchsten Angestellten unglaubliche Löhne und Privilegien geben, während die untersten Angestellten kaum genug zum Leben haben.
Wir empören uns mit Recht; wir fühlen uns ohnmächtig gegenüber den Mächtigen.

Darf ich hier ganz leise zurückfragen? Spielen Sie nicht selbst auch irgendwo Machtspielchen? Könnte das Wort Jesu vom Splitter im Auge des anderen und Balken im eigenen auch hier gelten? Wo geht es mir ums "Recht-haben"? Meinen Vorteil und Einfluss? Wo handle ich egoistisch? "Wer unter euch der Erste sein will, soll zum Dienst an allen bereit sein, so wie ich es tue" (Markus 10, 44f), sagt Jesus. Er sagte es nicht nur. Er tat das. 

Wollen wir uns dem radikal anderen Weg verschreiben, im Gesellschaftlichen wie im Privaten? Statt Machtkampf das Wohl aller suchen? 

Das heisst dienen, ob Sie Arbeiter sind oder Chef. So sind Sie im Urteil Gottes nicht der Letzte, die Letzte, sondern gehören zu den Ersten.

Erschienen in "Kirche und Welt", 5/2012Elisabeth Roser ist Mitglied im Ausschuss Kirche und Gesellschaft der EMK Schweiz-Frankreich

Dienstag, 1. Mai 2012

Ein-Wurf von Ursula Brunner

Ich weiss nicht, wie es ihnen geht, aber mich befällt beim Thema: "Glaube in der Familie leben" eine Art schlechtes Gewissen. Da meldet sich die innere Stimme und fragt: Hätten wir nicht vor jedem Essen beten sollen, anstatt je nach Situation (und Besuch) ein Lied zu singen? Müssten wir regelmässig Familienandachten halten, wenigstens am Sonntagabend oder in den Ferien? Müssten wir als Eltern unsere Kinder nachdrücklicher ermutigen, am Sonntag mit uns den Gottesdienst zu besuchen? ...

Die Kinder (alle inzwischen halb erwachsen) haben über meine Bedenken geschmunzelt, als ich ihnen beim Essen von meinem Dilemma berichtet habe. Im Gespräch mit ihnen sind Dinge herausgekommen, an die ich selbst gar nicht gedacht hatte, die sie aber als "gelebten Glauben" erleben: dass ihre Freunde bei uns willkommen sind; dass es nicht darauf ankommt, ob noch jemand mehr am Tisch sitzt und mit uns isst; dass ihr Vater sie ausnahmsweise auch mitten in der Nacht beim nächsten Bahnhof abholen kommt, wenn der letzte Bus schon abgefahren ist ...


Ich bin froh, dass sie zu diesem Thema so "gnädig" über meinen Mann und mich urteilen. Noch mehr beruhigt mich, dass unser Vater im Himmel von einer unermesslichen Barmherzigkeit und Gnade ist und mir meine Unzulänglichkeit und mein Unvermögen immer wieder neu vergibt.


Erschienen in "Kirche und Welt", 4/2012
Ursula Brunner ist Mitglied im Ausschuss Kirche und Gesellschaft der EMK Schweiz-Frankreich